»Ich schätze hier vieles«
Vor 40 Jahren wurde aus neun Dörfern eine Stadt – Rheinau! Fühlen sich ihre Einwohner eher als Rheinauer oder identifizieren sie sich über ihr jeweiliges Heimatdorf? Dieser und anderen Fragen geht die Serie »Rheinauer Persönlichkeiten« nach. Dazu hat die Mittelbadische Presse Junge und Alte, Zugezogene und Alteingesessene befragt. Die Serie endet heute mit dem Diersheimer Nudelkönig und Weltenbummler Dieter Ortmann (Foto).
Herr Ortmann, als Nudelkönig und Weltenbummler sind Sie wohl den meisten Rheinauern ein Begriff. Was verbindet Sie mit Rheinau?
Dieter Ortmann: Bevor ich 1971 ins Hanauerland kam, lebte ich in Heidelberg, Köln, Genf, eineinhalb Jahre auf dem Schiff und zuletzt auf Ibiza. 1972 übernahm ich den Nudelbetrieb in Diersheim und wohnte anfangs mit meiner Frau in Linx. Hier verbrachte ich in den Jugendjahren meine Ferien bei Verwandten und von hier stammen auch meine Großeltern. Zum Hanauerland, das heißt Rheinau, besteht also eine tiefere innere Verbindung.
Ihre Leidenschaft fürs Reisen hat Sie schon von Chile über Korea bis Somaliland geführt. Haben Ihre vielfältigen Reiseerfahrungen Ihren Blick auf Ihre Wahlheimat Rheinau verändert und wenn ja, inwiefern?
Ortmann: In den 47 Jahren meiner Vorträge habe ich nicht nur die schönen Seiten anderer Länder gezeigt, sondern auch die Schattenseiten, wie Wasserprobleme, Hüttenelend, fehlende ärztliche Versorgung und so weiter. Mein Vortragsziel war immer dann erreicht, wenn die Besucher mit dem Gefühl »wie gut es uns doch geht« nach Hause gingen. Hier in unserem Revier lässt es sich wunderbar leben. Wir haben genug Wasser, wir wurden bisher von Naturkatastrophen verschont, haben immer zu essen, eine gute ärztliche Versorgung, niedrige Arbeitslosigkeit und mit dem Schwarzwald und dem Elsass sehr schöne Wanderziele.
Sie sind in Freiburg geboren und in Niederweiler aufgewachsen, haben Ihre Kindheit oft in Linx verbracht und leben selbst seit 1971 in Diersheim. Fühlen Sie sich heute, mehr als 40 Jahre nach der Gemeindereform, mehr als Diersheimer oder als Rheinauer – oder spielt der Wohnort selbst eine eher untergeordnete Rolle bei der Frage nach Ihrer Identität?
Ortmann: Unsere Tochter kam am 31. Dezember 1973 als letztes Diersheimer Kind auf die Welt. 1974 gehörten wir dann zu Rheinbischofsheim. Dessen Vereinigung mit Frei-
stett habe ich bewusster erlebt, weil ich damals dem ersten Stadtrat von Rheinau angehört habe.
Was schätzen Sie an der Stadt Rheinau?
Ortmann: Ich schätze hier vieles: eine sehr gut geführte Stadtverwaltung, gesunde Finanzen, wachsende Industrie- und Wohngebiete, zahlreiche Kultur- und Sportvereine und auch die von Landwirten gepflegten Fluren und Wiesen.
Sicherlich haben Sie aber auch etwas an Rheinau auszusetzen, verraten Sie es uns?
Ortmann: Die überzogene Eidechsenaktion (Radweg zur B 36), die viele Euro gekostet hat, und den Schildbürgerstreich im Neubaugebiet »Am Wörth«.
Wohin würden Sie einen Touristen, der sich in Rheinau »irgendwas Nettes« anschauen will, ganz spontan schicken?
Ortmann: Zur Fischtreppe am Rheinübergang, dann haben wir in Diersheim rund ums Rathaus herum sehr viele schöne Fachwerkhäuser. Darüber hinaus würde ich einen Spaziergang auf dem Rheindamm und im Rheinwald empfehlen.
Was fehlt Ihrer Meinung nach noch in Rheinau beziehungsweise speziell in Diersheim?
Ortmann: Eine Urnenwand auf dem Diersheimer Friedhof.
Welchem Rheinauer Sportverein drücken Sie am meisten die Daumen?
Ortmann: Dem SV Linx – hier bin ich seit über 40 Jahren Mitglied –, auf dass er wieder in der Oberliga spielt, und dem TuS Helmlingen – auch hier bin ich Mitglied –, auf dass er den Klassenerhalt schafft.
Gibt es einen Rheinauer, den Sie als Vorbild ansehen?
Ortmann: ich habe kein spezielles Vorbild, versuche aber, selbst eines zu sein.
Welches Rheinauer Fest ist für Sie ein Muss?
Ortmann: Feste hier in Diersheim sind immer ein Muss. Bei dem umfangreichen Angebot der umliegenden Ortschaften kann man sich immer Entsprechendes aussuchen.
Zur Person
Dieter Ortmann saß von 1975 bis 1980 auf der SPD/FW-Liste im Rheinauer Gemeinderat und gleichzeitig im Diersheimer Ortschaftsrat, wo er auch stellvertretender Ortschef war. Der heute 72-Jährige gehört als passives Mitglied vielen Vereinen an. Für sein ehrenamtliches Engagement im Zusammenhang mit seinen Vorträgen erhielt Ortmann mit 41 Jahren die Bundesverdienstmedaille sowie 2012 die Bürgermedaille der Stadt Rheinau.
Ortmann ist auch für diverse Fotoausstellungen, Reiseberichte und Rundfunkreportagen bekannt. Zu den Hobbys des ehemaligen Dozenten und Außenstellenleiters der Volkshochschule Kehl gehören neben dem Reisen, Arbeiten rund ums Haus, seine Vorträge sowie seine Leidenschaft fürs Sammeln von Versteinerungen und anderen Utensilien.
Dieter Ortmann ist seit 1971 verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder. bru