Integration im Spielzimmer
Acht Tandems gibt es derzeit in Achern. Gemeint sind nicht Fahrräder für zwei, sondern deutschsprachige Familien, die Kinder aus anderen Ländern zu sich einladen. Projekt-Initiatorin Monika Huber freut riesig sich über die gute Nachfrage und sucht weitere Gastgeber.
»Ich hab’ schon 100 mal besucht!«, sagt der siebenjährige Mehmet, der sich bei Familie Möller in Achern pudelwohl fühlt. Seit November kommt er einen Nachmittag pro Woche in das Reihenhaus, macht mit Kathrin Möller seine Hausaufgaben in Deutsch und liest begeistert die ersten Wörter. »Sein Deutsch war nicht gut, als er in die Schule kam«, weiß Monika Huber. Bei einem Besuch erlebt sie Mehmet munter sprechend und sieht, dass schon typisch deutsche Spiele wie Memory und Uno beherrscht.
Das Sprechen über Alltägliches, gemeinsames Backen oder ein Besuch in der Stadtbücherei, Spazieren gehen mit Dackelmix Annuka – das alle macht dem Erstklässler türkischer Herkunft großen Spaß. Und seine Gastgeberin, deren eigene Söhne schon erwachsen sind, widmet ihm gern drei Stunden pro Woche. »Die Idee ist sehr interessant. So kann man Grenzen und Mauern abbauen und kommt zu mehr Miteinander«, sagt Katrin Möller.
Eine super Idee
Einen dunkelhäutigen Freund hat nun der fünfjährige Sohn von Daniela Flößer und Bodo Blinkert aus Achern. Luca wächst eigentlich als Einzelkind auf, aber wenn Adrien zu Besuch kommt, teilt er seine Spielsachen. Und wenn es sein muss, dann rutscht er sogar auf dem Schoß seiner Mutter zur Seite, um dem Vierjährigen Platz zu machen. »Wir fanden gleich, das ist eine super Idee und wollten mitmachen«, berichten Lucas Eltern.
Adriens Vater schätzt die Möglichkeit ebenfalls, seinen Sohn zum Spielen in die deutsche Familie zu bringen. »Sein Deutsch wird immer besser. Zuhause sprechen wir viel Französisch«, sagt er. Er sei überrascht, wie gut die Jungen zueinander gefunden hätten, denn sonst sei Adrien zu Hause auch das einzige Kind: »Uns ist es sehr wichtig, dass er sich integriert. Hier fühlt er sich angenommen.«
Kaufladen spielen, Memory-Karten legen, Bücher anschauen, gemeinsam ruck-zuck einen Teller mit Kuchen verputzen – die beiden äußerlich so verschiedenen Jungen werden wahrscheinlich später nie irgendwelche Schranken im Kopf haben, wenn es um den Umgang mit anderen Kulturen geht. Luca wurde bereits eingeladen, auch die afrikanische Familie zu besuchen, die gerade eine größere Wohnung in Achern sucht.
Fremde Sprache lernen
Malin Hoffmann und ihre Freundin Anna wissen jetzt, wie Möhre und Gurke auf Farsi (Persisch) heißen. Gastkind Roja kennt das Spiel »Blinde Kuh« aus dem Iran, wo es »Augen zu« heißt. Die Tochter einer afghanischen Flüchtlingsfamilie kommt gern zu den Hoffmanns und liebt es, mit den deutschen Mädchen Tischtennis zu spielen, zu basteln oder zu backen. »Wir werden auch zusammen Märchen lesen oder mal ein Buch«, hat sich ihre Gastgeberin vorgenommen.
Die Idee des Projektes Tandem, findet Familie Hoffmann klasse. Sie eröffnet ihnen die Chance, konkret etwas für eine bessere Integration von Menschen mit Migrationshintergrund zu tun.
STICHWORT
Tandem spricht sich herum
Überrascht ist Monika Huber vom Frauenforum Achern, wie schnell sich unter Familien mit Migrationshintergrund das Projekt Tandem herumgesprochen hat. »Ich habe zur Zeit mehrere Anfragen von türkischen Familien«, berichtet die Inititatorin. Nun sucht sie weitere Acherner, die ein ausländisches Kind einmal pro Woche zu sich einladen.
Beim Aussuchen der passenden Tandem-Partner hilft ihr Monika Schmitt-Beck vom Frauenforum, die sie aktiv unterstützt. Aus vielen Gesprächen wissen die Frauen, dass Kinder aus anderen Nationen in den Kindergärten oder Schulen gern unter sich bleiben und bevorzugt ihre Muttersprache sprechen. Tandem soll helfen, Berührungsängste zu überwinden und den gegenseitigen Respekt fördern.
Wer das Projekt unterstützen will, kann sich melden unter • 078 41/228 65 und 078 41/78 39 oder per Mail an m.schmitt-beck@web.de oder m.h.huber@gmx.de.mg