Kindermusical ließ in Oberkirch alte Zöpfe fallen
Das grenzüberschreitende Theater Baal novo gastierte am Freitag für zwei Aufführungen in der Erwin-Braun-Halle, vormittags zweisprachig, nachmittags in Deutsch. Annähernd 400 Kinder besuchten vormittags das Musical »Rapunzel«. Die jungen Besucher kamen aus dem gesamten Renchtal und viele aus Straßburg.
Baal novo ging eine Kooperation mit der Musikbühne Mannheim für das Kindermusical »Rapunzel« ein – ein Glücksfall für beide Bühnen: tolle Vokaleinlagen von den Duetten, der Rachearie der Zauberin bis zu mitreißenden Raps aller vier Spieler. Und was die Erzählerin, Komponistin und Multi-Instrumentalistin Clemence Leh live mit ihren Gitarren, Glockenspielen, dem E-Bass, Schlagzeug da auf der Bühne abzieht und Musik von Klassik bis Rap und Pop hervorzaubert, das ist schon alleine eine spannende Show.
Im Hintergrund ist ein recht stattlicher Holzturm, von dem später eine – anders als bei Grimm – recht aufmüpfige Rapunzel (Judith Devise)ihre goldene Haarpracht herunter lässt. Witzig gelöst, wie die wirklich furchterregende Zauberin (Daniela Grundmann) oder Märchen-Prinz (Benjamin Wendel) an den Haaren auf den Turm kommen: Im Klettermoment werden sie durch Puppen ersetzt, bis sie dann oben real ankommen. Ob der kulturelle Unterschied, den Leh feststellte, dass in Frankreich im Gegensatz zu Deutschland Männer positiver und mit Jubel auf Nachwuchs reagierten, nicht doch auch ein alter Zopf ist?
Der Deal wird auf alle Fälle schlüssig: Der Bauer, der verbotenerweise auf Geheiß der Bäuerin Feldsalat, auch Rapunzel genannt, der Zauberin mopst, wird erwischt und verspricht der Zauberin bereitwillig, ihr das kommende Kind – ein Mädchen – zu überlassen. Rapunzel wird nun in einem Turm gefangen gehalten – überwacht von ihrer alles checkenden Helikopter-Mama, in Körper- und Bildungswahn verfallen und in totaler Identifikation mit ihrer Tochter, für die sie »alles tut«. Gut, dass der Prinz auf seinem Steckenpferd vorbei reitet, um Rapunzel aus diesem Trott zu holen.
Mit »Rapunzel, lass dein Haar herunter« findet er die richtigen Worte: Die beiden spielen, lassen Seifenblasen fliegen und verlieben sich. In einem Dialog schildert Rapunzel die Leiden der Einsamkeit, während der Prinz sein Leiden an fehlender Privatsphäre erzählt. Auf alle Fälle bekommt die Zauberin die Liebe mit, schneidet Rapunzel die Haare ab und lässt den Prinzen erblinden. Umherirrend begegnet er schließlich Rapunzel – sie erkennen sich durch ihre Stimmen. Ein Blinder auf der Reise zu sich selbst wird sehend und ist nicht mehr der eitle, selbstverliebte Prinz. »Wir sind stark« singen sie zu dritt gegen die Zauberin, die ihre böse Kraft dadurch verliert.
Die Sprachen fließen in der Handlung logisch ineinander, so dass die Grundschüler beiderseits des Rheins der Handlung – verstärkt durch Musik, Mimik und Gestik, Gesang – folgen konnten und sicher nicht nur neue Vokabeln mit nach Hause nahmen. Eine spannende 90-Minuten-Show, der die Kinder bis zum langen Schlussapplaus gebannt folgten.