Musikalische Fantasie
Wenn das »collegium musicum« zum Serenaden-Konzert einlädt, erwartet man einen locker dargebotenen Ohrenschmaus, musiziert unter strahlendblauem Himmel in schöner Parkanlage. Nun hat das Wetter seinen Part nicht mitgespielt, das Konzert wurde in die Erwin-Braun-Halle verlegt.
Das »collegium musicum« konnte das Publikum des Serenadenkonzerts auch in der Halle begeistern, denn Dirigent Andreas Winnen moderierte mit schalkhaftem Humor und wartete mit einer unkonventionell bunten Musikmischung auf. Das klein besetzte Streich-Orchester spielte nicht nur Noten, sondern legte große Aufmerksamkeit darauf, die in der Musik schlummernden Gefühle tonschön lebendig werden zu lassen.
Mit W. A. Mozarts Divertimento D-Dur, KV 136, begann das Konzert. Die pulsierenden Ton- und Akkordwiederholungen im Bass und in den Harmonie-Instrumenten erinnerten fast an Vorläufer von Swing-Jazz-Bässen und unterstrichen die Frische der Interpretation. Die eingängigen Melodien waren durchzogen mit reichem Laufwerk. Ein gemütlicher langsamer Satz im Dreivierteltakt wurde von lebhaften Sätzen eingerahmt – selbst ein Fugato fehlte nicht – und zu seinem herrlichen Ganzen zusammengebunden.
Volksliedhaft und doch durchdrungen von modaler Tonalität war der Ausschnitt aus der »Charterhouse-Suite« von Ralph Vaugham-Williams. Die Sätze »Slow Air« und »Pezzo ostinato« wirkten lyrisch entspannt und waren doch auch wieder von polyphoner Dichte. Sie lebten nicht vom äußeren Glanz, sondern von einem inneren Leuchten. Die formale Sachlichkeit ließ die träumende Seelenwelt deutlich durchschimmern.
Viele Stimmbezirke
Die Sinfonia, Es-Dur, op. 9 Nr. 2, von Johann Christian Bach, dem Londoner Bach, erinnerte wieder an mozartsches Flair. Der Streicherklang mit Dämpfer war ein herrlicher Effekt, auch das Zupfen zu sanftmütigem Melodienzauber. Die Bläserstimmen wurden vom Klavier wiedergegeben, was durchaus reizvoll war und Sinn machte. Auch beim Kaiserwalzer, op. 437, von Johann Strauß machte sich Andreas Winnen den Klaviereinsatz wirkungsvoll zu Nutze. In der kleinen, offenen Besetzung konnte man gut die Aufteilung des Orchesters in viele Stimmbezirke verfolgen und die Klangintensität, die dadurch entsteht. Andreas Winnen spielte kraftvoll das gewagte Spiel mit den rhythmischen Verzögerungen, wodurch der Walzer seine Flexibilität und Ausdrucksstärke erhielt.
Von der dreisätzigen Streicher-Serenade, e-moll, op.20, von Elgar spielte das Orchester den 1. Satz »Allegro piacevole«. Es entstand so eine musikalische Fantasie, die abrupt aus dem Verborgenen heraussprudelte und dann plötzlich versiegte. Der rauschende Rhythmusimpuls zu Beginn und die sehnsüchtigen Klangbilder starteten kurz durch den Saal und brachen dann unvermittelt in sich zusammen. Die Überraschung war gelungen und der Übergang zum Konzertwalzer »Rosen aus dem Süden«, op. 388, von Johann Strauß gemacht. Dieser berühmte Walzer voller Melodie, Klang und rhythmischem Charme bildete einen rauschenden Konzertabschluss. Das Publikum spendete begeistert Beifall. Das Orchester bedankte sich mit dem jazzigen, lustigen Streicherstück »Plink, Plank Plunk!« von Leroy Anderson, bei dem der Pianist schließlich zum »Klamauk-Mann« mutierte und am Schluss mit einer Spielzeugtrompete einen herzzerreißenden Urwaldlaut ausstieß.