Oberkirch

Oberkircher Grundschüler richtet einen Schülerrat ein

Patric König
Lesezeit 3 Minuten
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13. Mai 2017
Schülerrat in der Johann-Wölfflin-Schule: Je zwei Grundschüler pro Klasse diskutieren, was die Schule noch besser machen könnte.

(Bild 1/3) Schülerrat in der Johann-Wölfflin-Schule: Je zwei Grundschüler pro Klasse diskutieren, was die Schule noch besser machen könnte. ©Patric König

Als eine der ersten Grundschulen in der Ortenau hat die Oberkircher Johann-Wölfflin-Schule einen Schülerrat eingerichtet. Die Erst- bis Viertklässler lernen dort, wie Demokratie funktioniert – und wie sie in ihrer Schule etwas verändern können.

Der Ort der Versammlung ist nicht so schlecht gewählt: der Bewegungsraum über der Cafeteria. Auch wenn die Grundschüler gerade ruhig und konzentriert am Boden sitzen: Es geht darum, etwas zu bewegen in der Johann-Wölfflin-Schule. Der Schülerrat tagt. Zur Sprache kommen kann fast alles. »Bloß keine Themen, die nur unsere Klassen etwas angehen«, nennt Zweitklässlerin Elena die Einschränkung. Die gesamte Schule soll im Mittelpunkt stehen; die internen Aufreger werden im Klassenrat angesprochen, der mehrmals im Monat tagt. 

Elena ist eine von 32 Schülerräten. Jede Klasse schickt zwei Vertreter ins Gremium, die zu Schuljahresbeginn vom Lehrer bestimmt, ausgelost oder ganz demokratisch gewählt wurden. Der Schülerrat kommt jeden ersten Dienstag im Monat zusammen. Heute geht es um die Einrichtung eines Schülerradios (siehe Hintergrund). Und um den Besuch von OB Matthias Braun.

Zwischen den Schülern sitzt auch Rektorin Eva Woelki im Schneidersitz am Boden. Die Kinder mehr am Schulleben teilhaben zu lassen, hat sie sich seit ihrem Amtsantritt im September 2015 auf die Fahnen geschrieben. »Woelki will mehr Demokratie wagen«, hatte die ARZ damals getitelt. Wie das geht, macht sie im Bewegungsraum vor. Woelki schlägt vor, dass vier Schülerräte den Oberbürgermeister durch die Schule führen sollen. Kein Widerspruch aus dem Plenum, das gleich wieder gefragt ist: Es soll festlegen, was die Schüler dem OB zeigen sollen. 

Vor der Diskussion gibt es Vorberatungen in Ausschüssen: In Kleingruppen machen sich die Schüler Gedanken. Dann übergibt Lehrerin Dorothea Entgens, die zuvor das Protokoll vorgetragen hat, die Moderation an Jonas. Hände schnellen nach oben, Zwischenrufe sind selten. Die Schüler warten ab, bis der Viertklässler ihnen das Wort erteilt. »Die Toiletten im Hauptgebäude sind zu niedrig.« »Unser Klassenzimmer ist zu klein.« »Wir haben zu wenig Lehrerinnen.« Woelki lacht. »Das müssen wir dem OB erklären.« Die Erklärung gibt sie selbst: Fünf Lehrerinnen sind während des Schuljahrs schwanger geworden, Ersatz gab es nur teilweise. 

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Dis Diskussion geht weiter. »Die Tür in unserem Zimmer sieht nicht so schön aus.« Die Rektorin hakt nach, in welchen Klassenzimmern es Beschädigungen gibt. Mehrere Schüler strecken. Partizipation à la JWS.

Seit September 2016 gibt es den Schülerrat, nur die Erstklässler sind etwas später eingestiegen. »Sie sind nicht zu klein, um mitzureden«, stellt Woelki klar. Die ersten Auswirkungen des Mitsprachemodells aufs Schulklima zeigen sich laut den Schülern schon. Viktoria (4a): »Es ist ruhiger geworden. Die meisten Kinder benehmen sich jetzt besser.«

Und die Lehrerinnen erfahren nebenbei, wo die Schüler der Schuh drückt: Obwohl es eigentlich um den OB-Besuch geht, sprechen die Kinder immer wieder Dinge aus dem Schulalltag an. Dass nicht alle auf dem Klo spülen. Dass Hausschuhe im Pavillon verloren gegangen sind. Oder dass die Kinder, die in der Pause Aufsicht führen, etwas zu selbstherrlich auftreten.

Lehrerin Entgens greift ein. Weil heute für eine Vertiefung die Zeit fehlt, sollen die Schulregeln im Juni auf die Tagesordnung kommen. Die Kinder bestätigen das per Akklamation. Zurück zum OB-Besuch: Entgens formuliert einen Beschlussvorschlag. Angesprochen werden sollen  die Toiletten, die Schäden, die Lehrerausfälle sowie die zu kleinen Klassenzimmer und Garderoben. »Seid Ihr einverstanden?« Die meisten Schüler-Hände schießen nach oben. Antrag mehrheitlich angenommen.
 

Hintergrund

Schülerradio

Mit 100 Jastimmen, 58 Neinstimmen und 43 Enthaltungen haben die Schüler der JWS den Start eines Schülerradios beschlossen. In zwei- bis dreiminütigen Beiträgen stellt sich jede Woche eine Klasse nach der großen Pause über die Sprechanlage vor. Die Wahl fiel auf den Montag, weil dann keine Arbeiten geschrieben werden. Was vorgetragen wird, entscheidet die Klasse. Zum Mikrofon greifen laut Ratsbeschluss neben den beiden Schülerräten jeweils noch zwei andere Schüler. 

Info

»Kinder sollen Dinge untereinander regeln«

Die Johann-Wölfflin-Schule stärkt ihre demokratischen Strukturen.  Neben einem Schülerrat, in der jede Klasse mit einem Jungen und einem Mädchen vertreten ist, hat die Schulleitung in jeder der 16 Klassen einen Klassenrat eingerichtet. Die Kinder besprechen und regeln dort gemeinsam mit ihren Lehrerinnen Streitfälle, entscheiden aber auch gemeinsam über die »Klassenbelohnung«: Die gibt es in Form eines Films oder eines Frühstücks, wenn die Klasse eine gewisse Zahl »Joker« als positives Feedback erhalten hat. Rektorin Eva Woelki und Lehrerin Dorothea Entgens erklären, wie sich das alles aufs Schulklima ausgewirkt hat. 

Warum haben Sie in der Johann-Wölfflin-Schule einen Schülerrat eingeführt, Frau Woelki?

Eva Woelki: Demokratie in der Schule zu leben, ist ein klarer Bildungsauftrag. In den Kindern steckt viel Potenzial; es fehlte bisher aber an Formen, sich an der Schulmitgestaltung zu beteiligen. 

Dorothea Entgens: Man spürt bei den Sitzungen des Schülerrats jedes Mal eine Ideenfülle und Ernsthaftigkeit. Man merkt: Die Kinder brauchen es regelrecht, ernst genommen und gehört zu werden.
Woelki: In dem Moment, in dem man Verantwortung übertragen bekommt, geht man ernsthaft an eine Sache heran. 

Was hat sich durch den Schülerrat am Schulklima geändert?

Entgens: Schwer zu sagen. Es ist eine wichtige Erfahrung für die Kinder, dass man viele Sachen anstoßen kann, aber die sichtbaren Erfolgserlebnisse erst einmal ausbleiben. Das trägt dazu bei die Frustrationstoleranz zu erhöhen, zu sehen: Mir ist etwas wichtig, aber es passiert nicht morgen, ich muss am Ball bleiben und manche Dinge immer wieder besprechen. Ich kann nicht sagen, dass sich durch den Schülerrat unmittelbar schon viel getan hat. Aber die Sensibilität für viele Themen hat sich verstärkt. 

Woelki: Man kann es mit einem Haus vergleichen: Ein Mieter geht anders damit um als sein Eigentümer. Die Kinder werden durch die Partizipation zum Besitzer ihrer Schule. Es geht nicht um mich und meine Klasse oder meinen Unterricht, sondern um mich und meine Schule. 

Entgens: Es ist ein wichtiger Prozess, dass sich die Schülerräte an ihre Klassenkameraden und Dinge wiedergeben, die sie besprochen haben. Ich bemühe mich, das Protokoll sehr zeitnah zu schreiben, damit sie die Themen noch präsent haben.

Vom Protokollschreiben einmal abgesehen: Welche Rolle bleibt im Schüler- bzw. Klassenrat noch für den Lehrer?

Entgens: Es ist eine Idee des Klassenrates, dass wir als Lehrende uns zurückziehen und die Kinder Dinge untereinander regeln. Das ist auf lange Sicht auch im Schülerrat das Ziel. Wir wollen den Kindern Ins­trumente an die Hand geben, wie sie signalisieren können: Ich möchte zum aktuellen Thema etwas sagen oder ich möchte etwas zu einem anderen Thema sagen. Das müssen wir noch üben und trainieren, damit da richtige Kommunikation stattfindet.

An welche Grenzen stößt denn die Mitbestimmung in der Klasse?

Entgens: Sie dürfen zum Beispiel nicht darüber entscheiden, ob wir Klassenarbeiten schreiben oder nicht. Es ist wichtig, dass die Schüler erfahren, dass es einen Rahmen gibt, in dem einige Eckpfosten gesetzt sind. In diesem Rahmen lassen wir die Kinder laufen, darüber hinaus aber nicht. Und das erklären wir dann auch: Das geht jetzt nicht, weil .... 

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