Oberkirchs SPD-Franktionschef wünscht sich mehr Besonnenheit
Sieben Monate vor der Bundestagswahl
schreiben Renchtäler Kommunalpolitiker ihre persönlichen Wünsche an die Abgeordneten auf. Hans-Jürgen Kiefer, Fraktionssprecher der SPD Oberkirch, zählt ein Bündel von Problemfeldern auf, die die neue Bundesregierung abarbeiten sollte.
Was wünschen Sie sich von der neuen Regierung in den nächsten vier Jahren?
Hans-Jürgen Kiefer: Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Verwerfungen wünsche ich mir vor allen Dingen ein politisches Personal, das durch Besonnenheit, Glaubwürdigkeit und Verantwortungsbewusstsein wahrgenommen wird und nicht durch Schönfärberei, Populismus und Inkompetenz. Deutschland gehört sicherlich zu den Gewinnern der Globalisierung. Eine Aufgabe der neuen Regierung muss es aber auch sein, einmal die Probleme und Nachteile der Globalisierung zu analysieren und die negativen Entwicklungen einzufangen. Sie muss den Menschen klar machen, dass dies zu einem großen Teil nur durch multilaterale Verabredungen möglich ist. Mit nationalstaatlichen Alleingängen und Abschottung ist dies nicht zu machen. Deshalb erwarte ich von der neuen Regierung ein klares Bekenntnis zu Europa und ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zur sozialen Marktwirtschaft.
Welches Thema sollte der neu gewählte Bundestag zuerst anpacken?
Kiefer: Dies hängt von der aktuellen politischen Lage ab im Herbst 2017. Ich hoffe, dass bis dahin eine neugeordnete Sicherheitsarchitektur den Menschen wieder das Gefühl vermitteln kann, vor Terror und Kriminalität optimal geschützt zu sein. Man sollte die Dinge angehen, die ich mit »Nachteile der Globalisierung« benannt habe: eine strengere Regulierung der Finanzmärkte; eine verstärkte Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuervermeidung; mehr Anstrengungen um Flüchtlingsursachen zu bekämpfen. Innenpolitisch sollten eine Steuer- sowie eine Rentenreform auf der Liste stehen, ebenso Investitionen in Bildung. Der Bekämpfung von Altersarmut muss Priorität eingeräumt werden. Ein Strategiekonzept für arbeitsmarktpolitische Fragen (Industrie 4.0.) sowie eine Einwanderungspolitik im Hinblick auf den Fachkräftemangel sind notwendig.
Welche Entscheidung sollten die Abgeordneten rückgängig machen?
Kiefer: Wenn ich an die »Unterschriftenshow« von Donald Trump denke in den ersten Tagen nach seiner Amtseinführung, wo er wichtige Gesetze wie »Obamacare« wieder rückgängig gemacht hat, stellen sich bei mir die Nackenhaare. Man bewahre uns in einer stabilen und verlässlichen Demokratie vor einem System nach dem Motto; »rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln«. Eine Rückabwicklung sollte Fällen vorbehalten bleiben, die nachweislich schädlich sind.
Arm gegen Reich, Alt gegen Jung: Was müssen die Parteipolitiker tun, damit die Schere nicht noch weiter auseinanderklafft?
Kiefer: Alles hängt irgendwie mit allem zusammen. Wenn ich Armut bekämpfen will – wenn ich die Jungen nicht zu sehr belasten will – wenn ich Bildung zu einem Zukunftsthema machen will und wenn ich eine bessere Bezahlung und Versorgung im Bereich Pflege und Gesundheit haben will, dann muss mehr Geld ins System. Und es muss vor allen Dingen gerechter verteilt werden. Der in diesen Fällen reflexartige Einwand der Neiddebatte ist abgenutzt. Die marktwirtschaftliche Ordnung (national und weltweit) ist in einer großen Legitimationskrise. Ich kann gut die These vertreten, dass alles erst erwirtschaftet werden muss, aber dazu gehört auch das Einhalten von Regeln.
Von der Integration von Flüchtlingen bis zur Verteilung von Steuergeldern: Wo würden Sie sich noch mehr Unterstützung vom Bund wünschen?
Kiefer: Dort, wo die Kommune keine Einflussmöglichkeiten auf diverse Entwicklungen hat, sind Bund und Land gefordert. Dies ist bei der Flüchtlingsunterbringung, Schulen, Kindergärten und im Bereich Soziales der Fall. Inwieweit eigene kommunale Projekte aufgrund dieser Belastungen zurückgestellt werden müssen, hängt von der finanziellen Ausstattung jeder Gemeinde ab.