Oberkirch

Oberkirchs Stadt-Jurist Niegeloh zieht 100-Tage-Bilanz

Patric König
Lesezeit 5 Minuten
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13. Januar 2017
»Wir werden keinen Publikumspreis gewinnen«: Frank Niegeloh, Oberkirchs Fachbereichsleiter für Bürgerservice und Ordnung, weiß um die Herausforderungen seines Ressorts. Während der Bereich der Ordnung dem Juristen mehr Eingriffsmöglichkeiten bietet, schätzt er den Bürgerservice den Kontakt zu den Bürgern .

»Wir werden keinen Publikumspreis gewinnen«: Frank Niegeloh, Oberkirchs Fachbereichsleiter für Bürgerservice und Ordnung, weiß um die Herausforderungen seines Ressorts. Während der Bereich der Ordnung dem Juristen mehr Eingriffsmöglichkeiten bietet, schätzt er den Bürgerservice den Kontakt zu den Bürgern . ©Patric König

Er trägt den schwarzen Gürtel, verlässt sich nicht nur auf seine Akten und will seine Erfahrung aus Gerichtssälen am liebsten gar nicht ausspielen. Mit Frank Niegeloh hat sich Oberkirch einen Stadtrechtsrat ins Rathaus geholt, der nicht dem Klischee des Juristen entspricht.

»Ich verschanze mich nicht im Büro.« Im stillen Kämmerlein zu arbeiten  und nach Aktenlage zu entscheiden – das ist nichts für Frank Niegeloh. Oberkirchs neuer Fachbereichsleiter für Bürgerservice und Ordnung will sich die Dinge und Personen, mit denen er zu tun hat, vor Ort anschauen, will informiert sein. »Ich will wissen, was läuft.«

Wissbegier ist eine Triebfeder für den 33-jährigen Volljuristen, der vier Sprachen spricht und sich privat für alles interessiert, was mit Kultur zu tun hat. Dass sein neuer Job vom Friedhofswesen über die Feuerwehr bis zur Unterbringung von Flüchtlingen mehr bietet als nur dröge Aktenarbeit, hat den Düsseldorfer besonders gereizt: Er habe jeden Tag mit etwas Neuem zu tun, zum Teil mit Dingen, »die in keinem juristischen Lehrbuch stehen«. Die Auswirkungen des neuen Glücksspielgesetzes zum Beispiel. Oder die Frage, ob es sich beim Gegenstand x um eine Waffe handelt oder nicht. Dass Niegeloh nach Stationen in Paris und Prag nun in einer Kleinstadt gelandet ist, ficht den Hobby-Kampfsportler, der den schwarzen Gürtel in Judo trägt, nicht an: »Paris, Prag oder Oberkirch – das beißt sich nicht. Die zwischenmenschlichen Probleme sind überall gleich.«

Der Jurist Niegeloh, der für die Staatsanwaltschaft gearbeitet hat und 150 Stunden Prozesserfahrung mitbringt, löst sie am liebsten außergerichtlich: »Das Recht gibt einen großen Rahmen vor, um sich gütlich zu einigen.« Auch wenn er sich im Gerichtssaal wohlfühlt, ist er nicht traurig darum, dass er seinen neuen Arbeitgeber dort bisher noch nicht vertreten musste. Ein Prozess ist für ihn die ultima ratio, gerade auch deshalb, weil er mit den meisten seiner Gegenüber langfristig zu tun hat.

»Fragt mich, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.«

Oberkirchs Verwaltungsmitarbeitern, Lehrern und Erzieherinnen, denen er juristisch beisteht, gibt er deshalb den Rat: »Fragt mich, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.« Weil dann eine gütliche Lösung einfacher zu finden ist.
Auch wenn die Überwachung des parkenden und ruhenden Verkehrs in sein Ressort fällt: Den Bürgern will Niegeloh keine Falle stellen. »Man muss den Leuten auch die Möglichkeiten geben, sich rechtstreu zu verhalten.« Beispiel Platz für die Jugend: Niegeloh legt bei der Planung Wert auf Mülleimer, durch deren Öffnung auch große Pizzakartons passen ... 

Vermüllung, Ruhestörung und wildes Grillen lassen sich aus Niegelohs Sicht nicht komplett unterbinden. »Wir müssen dafür sorgen, dass es im Rahmen bleibt.« Niegeloh will dabei weder die Jugendlichen aus der Stadt vertreiben noch die große Keule schwingen. »In 80 Prozent der Fälle reicht eine kostenlose Verwarnung aus«, ist seine allgemeine Erfahrung. Verstößt jemand permanent gegen die Regeln oder leistet sich Vandalismus, will die Stadt durchgreifen, unabhängig davon, mit wem er es zu tun hat. »Ich setze das Recht gegen jeden durch, aber mit Augenmaß.«

Dabei schließt der Fachbereichsleiter sich selbst mit ein: In seinen ersten Wochen in Oberkirch hat er selbst schon einen Strafzettel kassiert, weil er »drei oder vier Kilometer« zu schnell unterwegs war und in eine Radarfalle ging. Da sei das Gelächter in der Bußgeldstelle groß gewesen. Niegeloh zahlte umgehend. 

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Handlungsbedarf beim Thema Verkehr

Der Verkehr ist auch eines der Themen, bei denen er aktuell Handlungsbedarf  in Oberkirch sieht. Das betrifft die Parkraumbewirtschaftung und vor allem die Verkehrsverlagerung durch die Sperrung der Hauptstraße. Der Halb-Franzose will die innere Umfahrung stärken und August-Ganther-Straße/Lohweg »autofahrerunfreundlich« gestalten – auch um die Anwohner vom Durchgangsverkehrzu entlasten.

Mehr Präsenz zeigen ist ein zweites Ziel für 2017: »Wir brauchen keinen kommunalen Ordnungsdienst, aber der Gemeindevollzugsdienst muss personell stärker aufgestellt werden.« Und im Privatleben will er sich wieder mehr Zeit nehmen für die Familie, die in Deutschland und Frankreich verstreut ist. Mit seiner Freundin führt er momentan eine Wochenendbeziehung: Sie studiert in Speyer Verwaltungswissenschaften, in zwei Jahren will sie ihre Promotion abschließen. 

Umzug in die Ortenau geplant

Anders als im Privatleben ist der 33-Jährige bei der Wohnungssuche noch nicht so richtig fündig geworden: Momentan hat er neben einer Wohnung in Heidelberg ein Zimmer in Kehl-Marlen. Mittelfristig will er aber nach Oberkirch oder in eine Nachbargemeinde umziehen. »Ich komme nicht nur zum Arbeiten hierher«, versichert er. Dass er auch die Oberkircher Fasent miterlebt, ist Ehrensache für den Düsseldorfer, dessen Eltern sich einst beim Karneval kennengelernt haben.

Auch ohne Fasent hat er festgestellt: »An Langeweile leide ich definitiv nicht.« Umso mehr beeindruckt ihn, dass sein Vorgänger Christoph Lipps zusätzlich zur Arbeit  im Ordnungsamt auch die Aufgaben als erster Beigeordneter der Stadt stemmte. Seit Niegelohs Ankunft im Oktober 2016 kann sich Lipps ganz aufs Bürgermeister-Amt konzentrieren: 

Will auch Frank Niegeloh eines Tages Bürgermeister werden? »Ich weiß es nicht«, antwortet der Gefragte entwaffnend ehrlich. »Ich bin erst seit 100 Tagen hier und erst 33 Jahre alt.«

Zur Person

Biochemie, Kultur, Jura

»Das Leben ist zu kurz, um nicht die Möglichkeiten zu ergreifen, die sich bieten«, sagt Frank Niegeloh. Sein eigener Lebensweg verlief deshalb nicht ganz so geradlinig, wie man das von vielen Juristen kennt.

Eigentlich wollte der Düsseldorfer nach dem Abitur Biochemie studieren. Da er aber Bedenken wegen der mathematischen Anforderungen hatte, wechselte er nach einem Jahr das Studienfach und schrieb sich in Bochum in Jura ein. Das war im Jahr 2003. 2006 wechselte er nach Heidelberg, wo er 2012 sein erstes juristisches Staatsexamen ablegte. Sein Rechtsreferendariat absolvierte er ebenfalls in Heidelberg; im Jahr 2016 schloss er sowohl sein zweites juristisches Staatsexamen als auch ein LLM-Studium der Verwaltungwissenschaften in Speyer ab. 

Parallel zu seiner juristischen Ausbildung arbeitete Niegeloh in Paris für ein Unternehmen sowie im Prager Literaturhaus für deutschsprachige Autoren. Niegeloh spricht deshalb neben Englisch und Französisch auch Tschechisch und arbeitet am Russischen, was einen privaten Hintergrund hat: Seine Freundin stammt aus Aserbaidschan.

Hintergrund

Niegeloh über....

... nächtliche Ruhestörung in Oberkirchs Innenstadt: »Ich will das nicht bagatellisieren. Die Anwohner fühlen sich zuRecht gestört, aber die Situation ist nicht außer Kontrolle geraten.«

... Beispiele, bei denen die Stadt nicht mit sich reden lässt: »Bei Dingen, die Schulwege betreffen, und bei der direkten Sicherheit, wie die Schneeräumungspflicht und umfallende Bauzäune.«

... Gewerbeansiedelungen: »Oberkirch muss sich noch besser aufstellen. Ich werde Ansiedelung im Rahmen meiner Möglichkeiten unterstützen – auch die eines dm-Marktes.«

... seine 40 Mitarbeiter im Fachbereich: »Das sind sehr qualifizierte Leute. Ich bin stolz auf meine Mitarbeiter.«

... Asylanträge: »Wir werden vom Bundesamt für Migration bis zu gewissen Grenzen schlicht alleine gelassen. Unsere bisherigen ›Bestandskunden‹ fallen deshalb hinten runter. Das tut mir leid.« 

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