Obstgroßmarkt will EU-Geld nicht in Anspruch nehmen
Eine Apfelschwemme, die einhergeht mit einem Einfuhrembargo durch Russland, macht den Obsterzeugern europaweit zu schaffen. Die EU reagiert. Sie hat ein Sonderstützungsprogramm aufgelegt. Der Obstgroßmarkt Mittelbaden begrüßt das. In Anspruch nehmen will er das Programm aber nicht.
Es ist ein Szenario, das an die Butterberge und Milchseen der 1980er Jahre erinnert, das die EU vor wenigen Tagen zum Handeln veranlasste. Nur dass es diesmal die Obsterzeuger sind. Ihnen droht, dass sie, bedingt durch ein günstiges Klima und ein von Russland ausgesprochenes Import-Embargo für EU-Erzeugnisse, auf ihren Äpfeln sitzen bleiben. Oder fast noch schlimmer: Die Preise könnten derart fallen, dass eine Vermarktung nicht mehr wirtschaftlich wäre.
Eine von der EU kurzfristig aufgelegte »Sonderstützungsmaßnahme« soll die Preise für Äpfel stabilisieren, indem die Ware wieder aus dem Markt herausgenommen und kostenlos beispielsweise an Tafeln, Krankenhäuser und Altenheime oder andere soziale Einrichtungen abgegeben wird. Die Kostenerstattung übernimmt die EU.
Was sich auf den ersten Blick nach einer sicheren Vermarktungsoption anhört, kommt für den Obstgroßmarkt Mittelbaden (OGM) nicht in Frage. »Wir werden keinen Antrag stellen«, erklärt Wendelin Obrecht, Vorstandsvorsitzender des OGM. Für die Erzeuger in der Region sei das Angebot unattraktiv. Es richte sich insbesondere an Länder, in denen extensiv produziert werde, wie Polen. Das EU-Programm begünstige Erträge bis 25 Tonnen pro Hektar, vor Ort seien aber Mengen von rund 40 Tonnen pro Hektar üblich. Hinzu komme eine hohe Bürokratiehürde.
»Wir begrüßen die EU-Maßnahme trotzdem«, betont Obrecht. Polen, als vom Russland-Embargo besonders betroffenes Land, müsste sich ansonsten neue Absatzmärkte für seine Äpfel erschließen und würde zwangsläufig auf den deutschen Markt drängen, wodurch die Schieflage für die hiesigen Erzeuger noch verstärkt würde. Denn dass das Preisgefüge auch hierzulande deutlich schlechter ist als im Vorjahr, sei unstrittig.
»Die Kunden wissen um die großen Erträge«, meint der OGM-Vorsitzende. Das drücke verständlicherweise auf die Erzeugerpreise. Die sinnvollste Lösung sei deshalb, den Konsum anzuregen. Auf einen regelrechten Preisverfall bei Äpfeln sieht Obrecht die Region allerdings nicht zusteuern. »Wir liegen völlig im grünen Bereich«, sagt er. Grund dafür ist, dass die sich abzeichnenden großen Erträge bereits frühzeitig erkannt wurden. Äpfel, die nicht hundertprozentig den Qualitätsansprüchen entsprachen, wurden sofort verwertet, beispielsweise in den Keltereien. »Dadurch hat sich die Situation ein Stück weit entspannt.«
Von der für die Erzeuger schlechte Ausgangslage zu Beginn der Saison zeugten auch die Preise. Anfangs seien lediglich zwischen 3,5 bis 4 Cent pro Kilo bezahlt worden, nötig seien aber 6 Cent, um alleine die Lohnkosten decken zu können. Das Resultat: Viele Äpfel wurden nicht geerntet, sie wurden liegen gelassen. Inzwischen sei ein kostendeckendes Arbeiten wieder möglich. Unter anderem die Entsafter hätten gegensteuern und die Preise anheben müssen. »Wir können auf bescheidenem Niveau Entwarnung geben«, erklärt Obrecht. Die Befürchtung, Keltereien würden keine Äpfel mehr annehmen, seien mittlerweile vom Tisch.
OGM lagert rund 13 000 Tonnen Äpfel ein
Wenn die Apfelernte europaweit in etwa zwei Wochen endgültig abgeschlossen ist, werden rund zwölf Millionen Tonnen die Bilanz der Saison sein. Zehn Tonnen sind laut Wendelin Obrecht, Vorstandsvorsitzender des OGM, »vernünftig absetzbar«. Der Obstgroßmarkt Mittelbaden wird voraussichtlich 13 000 Tonnen Äpfel einlagern. »Damit schaffen wir ziemlich genau eine Punktlandung«, meint Obrecht. Lagerkapazitäten seien bis maximal 14 000 Tonnen Tafelware vorhanden. Der Rest der Gesamternte von 20 000 Tonnen geht in der Regel an die Saftindustrie. »Wir haben die Hoffnung, dass alle größeren Unternehmen verantwortlich gehandelt und nur Top-Ware eingelagert haben«, sagt Obrecht. Wenn dem so ist, könne sich die Lage auf dem Markt im Januar wieder normalisieren.