Priester verlassen die Grauzone
Die Erzdiözese Freiburg will reuigen Geschiedenen wieder den Weg zu den Sakramenten öffnen. Für Priester und Pfarrgemeinderäte ist das ein Schritt in die richtige Richtung. Sie sind ihn in der Praxis nämlich schon längst gegangen.
Wenn Franz Beckenbauer im Sonntagsgottesdienst in Oppenau die Kommunion empfangen hätte wollen, hätte ihn Pfarrer Klaus Kimmig bis vor Kurzem streng genommen abweisen müssen. Der Fußball-Kaiser ist geschieden, und Geschiedene dürfen nach den Regeln der katholischen Kirche keine Sakramente empfangen. Zugegeben, es ist nur ein Gedankenspiel: Zum einen wurde der Fußball-Kaiser bisher noch nie beim Sonntagsgottesdienst im Luftkurort gesichtet. Und zum anderen sind Kimmig und seine Renchtäler Kollegen schon längst den Schritt auf die Geschiedenen zugegangen, den das Seelsorgeamt der Erzdiözese Freiburg nun auch offiziell empfohlen hat.
Darüber ist Kimmig froh: Er bezeichnet die Handreichung als »Ermutigung«, jene Menschen zu begleiten, die getrennt, geschieden oder wiederverheiratet leben und von der Kirche Wegbegleitung erhoffen. Und das war ihm schon immer ein Anliegen.
Die Spannung zwischen den Vorgaben der kirchlichen Lehre und des Kirchenrechts und den konkreten menschlichen Lebenssituationen hatte Kimmig in der Seelsorge immer wieder erfahren. Nicht zuletzt aus diesem Grund hatte er im Vorjahr eine Unterschriftenaktion von Pfarrerkollegen unterstützt. Sie setzten sich dafür ein, dass auch Geschiedene die Sakramente erhalten. »Sakramente sind Zeichen der Nähe Jesus Christi. Wenn wiederverheiratete Geschiedene eingeladen sind, die Sakramente zu empfangen, dann ist dies ein Zeichen: Ihr seid nicht ausgeschlossen, ihr gehört dazu.«
Ein Spannungsverhältnis
Das sieht man nun auch in der Erzdiözese so. Das Spannungsverhältnis zwischen rechtlicher Theorie und seelsorgerischer Praxis wird zwar laut Kimmig bleiben, »aber die Handreichung gibt eine klare Richtung an, dass es im seelsorgerlichen Handeln um den Menschen geht. Das tut gut!«.
Für Dekan Edgar Eisele sind die Freiburger Vorschläge »ein toller Schritt«, weil die Priester nun eine Grauzone verlassen und auch offiziell im Gespräch mit Geschiedenen pastorale Wege zurück zur Kirche ausloten könnten. »Alle Seelsorger, die schon in dieser Richtung gearbeitet haben, dürfen sich in ihrem Tun bestätigt sehen.« Die pastoralen Mitarbeiter des Dekanats Acher-Renchtal begrüßten die Handreichung aus Freiburg daher auch ausdrücklich, die nun in der Praxis erprobt werden soll und entgegen anderer Medienberichte nicht zurückgenommen worden ist.
Das Gespräch mit den reuigen Geschiedenen ist für Eisele weniger Kontrolle als vielmehr seelsorgerische Begleitung. Es soll dazu dienen, dass sie sich mit den Fehlern auseinandersetzen, die sie in einer ersten Ehe gemacht haben. Die Handreichung sieht sogar eine Segenszeremonie für Paare vor, von denen einer der Partner schon zum zweiten Mal heiratet (siehe unten). Diesen Teil hält Eisele aber noch nicht für ganz ausgereift.
Die Unauflöslichkeit der Ehe und der Auftrag, sich der in der Ehe Gescheiterten anzunehmen – keinen dieser beiden Pole will Pfarrer Lukas Wehrle (Oberkirch) aufgeben. Für ihn hat die »behutsame und sehr differenziert geschriebene« Handreichung Signalwirkung – allerdings eher für die Betroffenen, die sich in der Kirche willkommen fühlen sollen, als für die Priester. Für die ändert sich nämlich laut Wehrle nicht so viel: »Es ist eine Darstellung der Praxis, die seit den Äußerungen der oberrheinischen Bischöfe 1993 so üblich ist.« Schon damals hieß es in einem Hirtenbrief: »Geschiedene und wiederverheiratete Geschiedene gehören zur Kirche und damit zur Pfarrgemeinde, in der sie leben.«
21 Jahre später beschäftigt sich auch Rom mit dem Thema, bei der Familiensynode 2014. Wehrle wünscht sich, dass es zu einer Lösung kommt, die insgesamt in der Kirche praktiziert wird, »nicht nur zur Freiburger Lösung«. Seinen Optimismus nähren die Worte von Papst Franziskus: Der neue Pontifex rückt nämlich die Gescheiterten in den Mittelpunkt.
Hintergrund
"Das ist seit Langem überfällig"
Als »seit Langem überfällig« bezeichnet Andrea Keller die Öffnung der Katholischen Kirche für die Geschiedenen. Für die Pfarrgemeinderatsvorsitzende der Seelsorgeeinheit Oberes Renchtal befinden sich Menschen, deren Ehe zu Bruch geht, in einer Notsituation, »und dann muss die Kirche da sein«. Man dürfe weder die Betroffenen abweisen, obwohl man Barmherzigkeit predige, noch in die Beliebigkeit abgleiten und die Unauflösbarkeit der Ehe aufgeben.
Von einer »Trauung light« hält Andrea Keller aber ebenso wenig wie von »0815-Gesprächen« zwischen den Pfarrern und den Geschiedenen. Es gehe nicht darum, »automatisch alles auf null zu stellen, sondern sich mit der eigenen Lebensgeschichte zu versöhnen«.
Die Pfarrgemeinderatsvorsitzenden der Seelsorgeeinheiten Nußbach und Oberkirch, Thomas Treier und Hermann Wiegert, gaben keine Stellungnahme zur Handreichung ab. Andrea Keller spricht sich dafür aus, das Ehepastoral in der Kirche auszubauen, um die Zahl der Scheidungen zu minimieren.
Zurückhaltend ist die Oppenauerin bei der Frage, inwiefern die Freiburger Vorschläge in die Verfasstheit der Kirche einfließen. Keller zweifelt weniger am Papst, der mit beeindruckenden Reden auf sich aufmerksam mache, als an dessen Umgebung: »Römische Mühlen mahlen besonders langsam.«