Rainer Haag tritt nach 23 Jahren als Ortsvorsteher ab
Für Rainer Haag endet Mitte Februar eine Ära, wenn er seinen Ortsvorsteherposten abgibt. Im Interview mit der Mittelbadischen Presse spricht der 65-Jährige über seinen unkonventionellen Einstieg in die Lokalpolitik, besondere Erfolge und Herausforderungen – und wer ab Mitte nächsten Monats im Linxer Rathaus sitzen sollte.
Herr Haag, als dienstältester Ortsvorsteher in Rheinau räumen Sie in Kürze nach 23 Jahren – wie bereits im Vorjahr angekündigt – ihren Chefsessel in der Linxer Ortsverwaltung. Fällt Ihnen da ein Stein vom Herzen oder ist es eher ein schmerzhafter Abschied?
Rainer Haag: Eigentlich keines von beiden, denn es ist ein geplanter Abschied. Ich hatte eigentlich schon bei der jüngsten Kommunalwahl das Amt abgeben wollte, aber Annette Sänger, bei der ich den Eindruck hatte und immer noch habe, dass sie die geeignete Nachfolgerin wäre, konnte sich 2014 noch nicht entscheiden, ob sie das Amt annehmen wollte. Deshalb hatte ich mich bereit erklärt, für weitere zwei oder zweieinhalb Jahre das Amt weiterzuführen.
Wie und wann genau soll der Amtswechsel vollzogen werden?
Haag: Wir werden unsere nächste Ortschaftsratssitzung in Linx am 14. Februar abhalten und da werde ich einen entsprechenden Vorschlag zur Neubesetzung machen. Der Gemeinderat wird dann die Empfehlung des Ortschaftsrates am 15. Februar – so Gott will – bestätigen.
Scheiden Sie mit Ihrem Rückzug aus dem Amt des Ortsvorstehers auch aus dem Ortschaftsrat aus?
Haag: Das hätte ich gerne gewollt, aber das geht nicht: Die Liste, auf der ich kandidierte, hatte bei der jüngsten Wahl sechs Bewerber in das Gremium reingebracht, und wir hatten nur einen Ersatzbewerber, Daniel Schütz. Carola Lasch ist voriges Jahr von ihrem Amt als Ortschaftsrätin zurückgetreten, so dass der Ersatzbewerber bereits nachgerückt ist. Aus diesem Grund bleibe ich Ortschaftsratsmitglied. Ich habe aber meinen Mitstreitern im Vorfeld bereits gesagt, dass ich mich in der letzten Reihe bewegen werde.
Auf welches Projekt Ihrer Amtszeit sind Sie besonders stolz?
Haag: In den vergangenen 23 Jahren haben sich viele Projekte angehäuft. Es hat sich viel bewegt, es gab aber auch viele Hindernisse, die wir mit Bravour gemeistert haben. Ich und der Ortschaftsrat sind zu jeder Sache gestanden, bei der wir der Meinung waren, dass wir das durchdrücken müssen.
...zum Beispiel?
Haag: Der Ausbau des Rinnbachs war ein schwieriges Projekt mit vielen betroffenen Anwohnern. Im Nachhinein sagt die Mehrheit der Betroffenen, dass es die richtige Entscheidung war um den Hochwasserschutz zu gewährleisten.
Welche Bedeutung hatte das Dorfjubiläum »875 Jahre Linx« im Jahr 2014 für das Zusammengehörigkeitsgefühl der Linxer?
Haag: Es war ein toller Erfolg, denn es haben alle mitgemacht, selbst diejenigen, die im Vorfeld miteinander nicht so grün waren. Das Jubiläum hat die Leute näher zusammengerückt. Ich wünsche mir, dass zum 888-jährigen Dorfbestehen die nächste Generation das ebenfalls wieder in die Hand nimmt.
Gibt es eine wichtige Entscheidung aus Ihrer Amtszeit, die Sie heute anders treffen würden?
Haag: Es gibt keine, bei der ich sagen würde, das hätte man anders machen müssen. Ich hätte mir Gedanken gemacht, wenn ich nach fünf vollen Legislaturperioden von der Bevölkerung nicht mehr diese starke Bestätigung bekommen hätte.
Sie sitzen bereits seit 1989 im Linxer Ortschaftsrat. Damals legten sie mit einer eigenen Liste und der höchsten Stimmenzahl aller antretenden Bewerber einen Senkrechtstart hin. Wie erklären Sie sich den damaligen Erfolg?
Haag: Ich hatte das Gefühl, die Leute wollten eine Veränderung. Ich wollte absichtlich mit niemandem eine Bindung eingehen und habe deshalb einen eigenen Weg riskiert. Im Nachhinein betrachtet war es eine gute Entscheidung, und die Bevölkerung hat das honoriert. Dass man so ein super Ergebnis wie bei der ersten Wahl nicht halten kann, war von Anfang an klar. Ich kann mit ruhigem Gewissen im Februar mein Amt abgeben.
Sie hätten gerne schon 1989 den Stuhl des Ortsvorstehers erklommen, wurden aber von Ihren Ratskollegen ausgebremst. War es im Nachhinein richtig, noch ein paar Jahre an der Basis arbeiten zu müssen?
Haag: Ich hatte vor der ersten Wahl keine Ambitionen, mich um das Amt des Ortsvorstehers zu bewerben. Dass ich in dieser Wahl die meisten Stimmen erhielt, war für die beiden Männer, die damals die zwei Listen im Rat anführten, natürlich ein Dämpfer. Für mich war klar: Wenn ich als Ortsvorsteher kandidiere, werde ich nicht gewählt. Ich war aber der Meinung, dass die Leute erwarten, dass ich mich um den Posten bewerbe, und das habe ich dann auch getan.
Ortsvorsteher zu sein, ist sicher nicht immer ein dankbarer Job, sitzt man doch zwischen den Stühlen und muss auch Positionen vertreten, die nicht bei allen Mitbürgern populär sind. Wie sind Ihre Erfahrungen diesbezüglich?
Haag: Man muss immer gucken, ob es einzelne sind, die versuchen, durch irgendwelche Aktionen die Leute ein bisschen gegenseitig aufzuhetzen, wie bei der Unterschriften-
aktion gegen das Baugebiet Rechen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Mehrheit zu all dem gestanden ist, was der Ortschaftsrat mit mir als Vorsitzendem in diesen 23 Jahren gemacht hat.
Haben Sie Ihr politisches Amt zuletzt eher als Bereicherung oder als Belastung gesehen?
Haag: Es war für mich eine Berufung, zumal ich nicht in das Amt des Ortsvorstehers reingedrängt wurde. Ich würde es schade finden, wenn auf so einem Posten irgendein Verwaltungsmensch sitzen würde. Man kann mit einer reinen Verwaltungsmentalität nicht so viel vor Ort bewegen als wenn man flexibel ist und nach allen Seiten die Hände ausstrecken kann. Ein Verwaltungsmensch macht das nicht. So kann man auch mal eine Entscheidung treffen, die rechtlich auf den Prüfstand gestellt werden müsste, aber das muss man durchziehen. Zum Glück lässt das Gemeindegesetz das alles offen: Der Ortsvorsteher hat nur einen Dienstherrn, den Bürgermeister, und nur der kann irgendwelche Rügen oder Anweisungen erteilen. Alles andere, was die Verwaltungsleute sagen, interessiert einen Ortsvorsteher eigentlich wenig. Man muss sich also fürs Dorf einsetzen und weniger die Verwaltungsseite ins Spiel bringen, denn Verwaltungsleute haben wir genug.
Was macht der Privatmensch Rainer Haag am Tag nach seiner Amtsübergabe?
Haag: Privat gibt es Arbeit genug, ich weiß mich zu beschäftigen. Ich habe zwei weitere Ehrenämter: Ich bin Vorsitzender des Anglervereins seit 23 Jahren und Vorsitzender der jungen Dorfgemeinschaft seit drei Jahren. Vielleicht nehme ich noch ein weiteres Ehrenamt an. Ich wünsche mir Gesundheit für die nächsten 25, 30 Jahre – mehr brauche ich nicht.
Zur Person
Rainer Haag wurde 1989 als unabhängiger Kandidat in den Linxer Ortschaftsrat gewählt. Seit 1994 ist er Ortsvorsteher. Dem Gemeinderat gehörte er von 1994 bis 2014 an. Im Kreisrat saß er von 2004 bis 2014.
Haag wurde am 7. Februar 1951 geboren. Nach dem achtjährigen Besuch der Volksschule in Linx absolvierte er eine landwirtschaftliche Ausbildung, um später den Bauernhof seiner Eltern zu übernehmen. »Ich hatte aber nach dem Abschluss schnell festgestellt, dass die Landwirtschaft, so wie wir sie betrieben hatten, keine Zukunftsperspektive hatte«» erzählt Haag. Deshalb ließ er sich zwei Jahre lang als Elektroniker in Essen umschulen.
Zuvor arbeitete er übergangsweise ein halbes Jahr in den Badischen Stahlwerken in Kehl, wo man ihm ein Angebot machte, ihn zum Hüttenmeister in Duisburg auszubilden. Dies habe er mit Blick auf den Vier-Schicht-Betrieb und darauf, dass dies nicht seinen Lebensvorstellungen entspreche, abgelehnt. »Das war eine der wichtigsten Entscheidungen meines Lebens«, sagt Haag rückblickend.
Nach der Ausbildung in Essen arbeitete er zwei Jahre in der Geräteentwicklung bei der BASF in Willstätt, bevor er die Technikerschule in Lörrach besuchte. Danach war er zwei Jahre lang als Elektroniker im Außendienst einer Medizinfirma tätig, bevor er sich selbstständig machte.
»Mein Herz hing all die Jahre aber auch an der Landwirtschaft und ich habe die Felder meiner Eltern bewirtschaftet«, sagt er.
Rainer Haag ist verheiratet und kinderlos. bru