Rheinauer Nachtwächter-Kolumne: Verflixte Traditionen
Es war meist dunkel, und Neues glänzt nicht immer. »Früher war manches besser«, hört man von den Alten. Ich schließe mich dem gerne an. Nehmen wir die Walpurgisnacht zwischen dem 30. April und 1. Mai: Diese Rauhnacht wird zu Ehren der »Heiligen Walpurga« gefeiert, meistens auf dem Blocksberg, dem Brocken im Harz. Man zelebriert das Hexenfest, um die bösen Geister zu vertreiben. »Bibi Blocksberg« treibt dort oben ihren Schabernack.
Wenn der Mob »feiert«
Hier bei uns treiben auch »böse Geister« in dieser Nacht ihr Unwesen: Während wir in meiner Kindheit uns damit begnügt haben, Hoftörle auszutauschen, »feiert« man heute heftiger: Kanalisationsdeckel werden entfernt, Verkehrszeichen auf die Straße geworfen, ja manchmal Briefkästen in Brand gesteckt. Das ist meist das Werk jugendlicher »Hexer«, während sich die Mädchen am Hexensud laben und bis frühmorgens durch die Straßen toben. Der Motorroller ist ihr Hexenbesen.
Es geht auch anders
Friedlicher geht’s dann beim Tanz in den Mai zu, wo man dann auch mal eine Maibowle süffeln kann. Das kennen übrigens auch die Finnen und die Schweden, wo bei den großen Studentenfesten »Vappa« und »Valborg« die ganze Nacht durchgefeiert wird. Wie originell ist es auch heute noch, heimlich Verliebten durch Kalklinien quer durch die Ortschaft für alle sichtbar einen Streich zu spielen. Manch unerwartetes »Tete à tete« kam da schon zum Vorschein!
Wie ist es schließlich mit Halloween, der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November, vor Allerheiligen also? In Irland als »All Hallows Eve« entstanden, schwappte die Welle nach 1990 von den USA zu uns. Was ist aus den keltischen Bräuchen geworden, wo das Vieh nach dem Sommer in die Ställe getrieben wurde und »die Seelen der Toten heimkehrten«? Ein Kinderumzugsfest mit Gruselmasken! In Irland geht die Sage um, dass der »böse Jack« einst einen Pakt mit dem Teufel schloss, ihn aber nicht einging und weder im Himmel noch in der Hölle landete. Nur durch Teufelserbarmen bekam er schließlich eine Rübe, die er mit Kohle erleuchten durfte, um die »Erleuchtung« zu erhalten.
Verflixte Traditionen
Die Amerikaner stellen Kerzen in ihre Riesenkürbisse, die man heute auch bei uns findet. Wenn die Kids bei uns heute von Tür zu Tür gehen und »Süßes oder Saures« fordern, geht’s um Leckereien und Geld. Uns Kindern reichte damals noch der »Kirbsemann«, mit Löffel und Händen ausgekratzt, trotz Stockzähnen mit lachendem Mund, auf den Hoftorpfosten gestellt. Mit dem Inhalt hatte meine Großmutter noch »Kirbsekueche« oder »Kirbsesupp« fabriziert. Man darf mich getrost einen »Nachtwächter nennen. Vielleicht zähle ich zu den »Ewiggestrigen«, aber es stört mich nicht im Geringsten!
Martin Schütt