Schnelles Internet wird nicht jeden Renchtäler Hof erreichen
Der Kreis will das schnelle Internet in der Ortenau ausbauen. Über die Pläne für ein Backbonenetz haben sich am Donnerstag in Zusenhofen rund 30 Kommunalpolitiker informiert. Dabei hat es nicht nur Lob gegeben: In Oppenau geht offensichtlich die Angst um, »abgehängt« zu werden.
Wenn das schnelle Internet in einem Baugebiet flächendeckend keine 30 MBit pro Sekunde erreicht, spricht man von einem weißen Fleck. Möglichst viele dieser weißen Flecken will der Ortenaukreis in den kommenden drei Jahren beseitigen. Er will ein Glasfasernetz von Gemeinde zu Gemeinde verlegen lassen – das Backbonenetz. Eine GmbH kümmert sich um Bau, Betreibersuche und Förderanträge, denn der Großteil der 38 Millionen Euro Baukosten soll von Land und Bund übernommen werden. Sie fördern den Internetausbau zurzeit großzügig. Für den Rest kommen die GmbH-Kommanditisten (Kreis und Kommunen) auf.
Gemeinden sollen schnelles Internet zum Kunden bringen
»Mit dem Backbonenetz haben wir die Lage aber noch für keinen einzigen Endkunden verbessert«, gab Diana Kohlmann von der Stabsstelle Breitband des Kreises zu. Die Verbindung von den mindestens zwei Übergabepunkten des Backbonenetzes zum Endverbraucher sollen die Gemeinden schaffen. Auf eigene Kosten, selbstverständlich aber unterstützt von Fördergeldern.
Oppenauer CDU-Chef poltert: »Werden abgehängt«
Hier sah Oppenaus Kämmerer die Tallagen benachteiligt und »ziemlich alleingelassen«. Das Backbonenetz reicht zum Beispiel nicht in die Ortsteile Lierbach oder Maisach.Oppenaus Fläche (4700 Einwohner) sei ähnlich groß wie die der 58 000-Einwohner-Stadt Offenburg. Jedes Haus in den nächsten zehn bis 15 Jahren ans Glasfasernetz anzuschließen, sei finanziell »schier unmöglich«. Der Oppenauer CDU-Fraktionsvorsitzende Roland Erdrich polterte: »Der ländliche Raum wird auf Jahrzehnte abgehängt werden. Die jungen Leute gehen weg.«
Kohlmann kontert: »Sie haben es selbst in der Hand«
Kohlmann stellte klar, dass man nicht jedes abgelegene Gehöft im Kreis ans Glasfasernetz anschließen könne. Wollte man dieses Ziel verwirklichen, wären dafür 430 Millionen Euro nötig. Sie ermutigte die Räte, die Zeiten hoher Fördergelder und niedriger Zinsen für den Internetausbau zu nutzen: »Sie haben es selbst in der Hand, dass sie nicht abgehängt sind.« Das sah auch OB Matthias Braun so. Sein Renchener Kollege Bernd Siefermann würdigte das Backbone-Netz »als großen Schritt nach vorne, auch wenn wir nicht alle dranhängen können.«
Glasfaser ist nicht überall die Lösung
Die Referentin brachte für abgelegene Gebiete alternative Technologien wie Funk- oder Satellitentechnik ins Gespräch. Oder das »Modell Telekom«: Dabei werden die Glasfaserkabel nur bis zu den Verteilerkästen im Ort geführt, von wo aus Kabelleitungen weiter gehen. Je länger das Kupferkabel ist, desto mehr lässt seine Leistung aber nach.
Sauer auf die Telekom
Auf die Telekom waren einige am Donnerstag nicht so gut zu sprechen. Der Kreis würde gerne bestehende Leitungen des Bonner Unternehmens anmieten, die dann mit dem gesamten Backbone-Netz an einen Netzbetreiber weiterverpachtet würden. »Die Telekom lässt uns aber nicht auf ihr Netz«, sagt Kohlmann. Deshalb ist es möglich, dass der Kreis neue Leitungen bauen muss, obwohl die Telekomkabel schon im Boden liegen.
»Das ist einem Normaldenkenden eigentlich nicht zu vermitteln«
Diese Doppelstrukturen seien »normal denkenden Menschen eigentlich nicht zu vermitteln«. Doch rechtlich habe man keine Chance. Dass es anders geht, zeigt das Unternehmen Gasline, dessen Leitungen durchs Renchtal laufen: Es sei bereit, Leitungen fürs Backbonenetz zu verpachten.
Auch wenn die Telekom nach Darstellung einige Gemeindevertreter jüngst zuvor nicht gekannte Gesprächsbereitschaft signalisierte: Im großen Stil wird sie im ländlichen Raum wohl nicht ausbauen. Kohlmann geht davon aus, dass sich die Investitionen Backbonenetz erst nach 34 Jahren amortisieren. Die Telekom wolle bei ihren Projekten in drei bis fünf Jahren die Gewinnzone erreichen.
Dass Kreis und Kommunen nur einspringen, wenn der freie Markt versagt, hatte Gastgeber Matthias Braun schon in seiner Begrüßung deutlich gemacht. Kohlmann warb umso eindringlicher dafür, dass die Kommunen der »Breitband Ortenau GmbH & Co. KG« beitreteten und das schnelle Internet ausbauen: »Wenn wir es nicht tun, tut es keiner.«
Das Backbone-Netz
◼ Kosten: 38 Millionen Euro fürs Kreisnetz. Das Landratsamt rechnet im Gegenzug in den kommenden drei Jahren mit 23 Millionen Euro Fördergeldern fürs Backbone- und 48 Millionen Euro für die Ortsnetze. Deren Bau (Kostenschätzung insgesamt: 264 Millionen Euro) muss jede Gemeinde selbst finanzieren.
◼ Länge: 700 Kilometer Glasfaser, davon 284 Kilometer Neubau und 417 Kilometer Synergietrasssen (Leitungen anmieten oder verlegte Leerrohre nutzen)
◼ Zielgeschwindigkeit: für Privatkunden 50 MBit/Sekunde im Download, für Gewerbegebiete 50 MBit/Sekunde im Up- und Download
◼ Zeitplan: Bis 31. März 2017 sollen die Kommunen entscheiden, ob sie beitreten wollen. Von Februar bis August 2017 sollen die Ortsnetze geplant werden, die das Backbonenetz ergänzen.Geplanter Baubeginn Backbone: Oktober 2017. Über die Reihenfolge, wo das Kreisnetz zuerst ausgebaut wird, entscheidet die Gesellschafterversammlung.
◼ Betreiber: Bereits 2017 soll ein Betreiber gesucht werden, der das gesamte Netz (Backbone und Ortsnetze) übernimmt. Er zahlt dafür Pacht an Kreis und Gemeinden.
◼ Hausanschluss: Privat- und Geschäftskunden, die die neue Datenautobahn nutzen wollen, sollen eine Anschlussgebühr zahlen: Im Gespräch: 300 bis 500 Euro pro Hausanschluss.
◼ Umlage: Kommunen und Kreis sollen die GmbH über eine Umlage finanzieren. Im Gespräch ist ein Jahresbetrag von rund 50 Cent pro Einwohner.