Stadt baut zwei neue Flüchtlingsheime
Platz für 70 Flüchtlinge in 24 Zimmern: Im September will die Städtische Baugesellschaft Oberkirch mit dem Bau einer Gemeinschaftsunterkunft beginnen. Im Sommer nächsten Jahres sollen dann die ersten Flüchtlinge in die neuen Gebäude im Waldweg einziehen können.
Michael Loritz muss tagtäglich einen Wettlauf gegen die Zeit führen, um die im Ortenaukreis ankommenden rund 140 Flüchtlinge pro Monat unterbringen zu können. »Wir haben große Schwierigkeiten«, sagte der Dezernent für Sicherheit und Ordnung im Landratsamt und zuständig für die Flüchtlingsunterbringung gestern in Oberkirch. Mit dem Bau einer Gemeinschaftsunterkunft für bis zu 70 Flüchtlinge im Waldweg will die Stadt ab Sommer 2016 die angespannte Situation im Ortenaukreis beruhigen helfen. »Dass wir den Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf geben, ist unsere humanitäre Verpflichtung«, betonte Oberbürgermeister Matthias Braun bei der Vorstellung der Pläne für den Bau zweier Gebäude mit einer Nutzfläche von 885 Quadratmetern.
Die zwei- und dreigeschossigen Häuser lässt die Städtische Baugesellschaft Oberkirch ab September dieses Jahres in Nachbarschaft zur bereits bestehenden Flüchtlingsunterkunft im Waldweg für rund zwei Millionen Euro errichten. In 24 Zimmern sollen nach der geplanten Fertigstellung im Sommer 2016 je bis zu vier Flüchtlinge untergebracht werden können. Als kleine Besonderheit bezeichnete Peter Bercher, Geschäftsführer der Städtischen Baugesellschaft, die Möglichkeit, die Zimmer bei Bedarf in Mietswohnungen umzubauen. Das sei dann der Fall, wenn das aktuell hohe Flüchtlingsaufkommen wieder zurückgehe. Bis dahin jedoch mietet das Landratsamt die Gebäude für die Flüchtlingsunterbringung von der Stadt an.
Umfangreiche Vorarbeiten
Mit den Plänen für die neue Gemeinschaftsunterkunft war die Stadt bereits vor einem Jahr an die Öffentlichkeit gegangen. Dass sie nicht schon früher realisiert wurden, führte Bercher auf die umfangreichen Vorarbeiten und die angespannte Situation in der Baubranche zurück. So sei eine zweite Ausschreibung notwendig geworden, nachdem die erste nicht das gewünschte Ergebnis gebracht hatte. »Es geht nirgendwo schneller«, erklärte Loritz mit Blick auf eine ähnliche Unterkunft, die in Friesenheim gebaut werden soll. Ab 2016 steht jedem Flüchtling eine Fläche von sieben Quadratmetern zu, bisher sind 4,5 Quadratmeter die Mindestanforderung. Die Gemeinschaftsunterkunft sei bereits nach den neuen Richtlinien konzipiert, dennoch räumte Loritz ein: »Das ist keine Luxusunterkunft.«
Bürgermeister Christoph Lipps lobte die »aufgelockerte Atmosphäre« des Gebäudeensembles mit Spielgeräten und einem Innenhof. »So etwas zu konzipieren braucht Zeit.« Mit den derzeit 84 in Oberkirch lebenden Flüchtlingen habe die Stadt »sehr gute Erfahrungen gemacht«, betonte Lipps. Dazu trage vor allem auch die offene Willkommenskultur und das Engagement vieler Ehrenamtlicher in der Betreuung der Flüchtlinge bei.
Ungeachtet des Baus der neuen Gemeinschaftsunterkunft suche das Landratsamt nach wie vor Wohnungen für Flüchtlinge. »Die Flüchtlingszahlen explodieren«, berichtete Loritz (siehe Hintergrund). Es gebe zwar einen »Plan B«, der die vorläufige Unterbringung von Flüchtlingen auch in Sporthallen vorsieht, »wir hoffen jedoch, dass wir davon verschont bleiben«.
»Kamikaze-Einrichtungen können wir uns nicht erlauben«
Mit 300 000 aufzunehmenden Flüchtlingen rechnet die Bundesregierung im laufenden Jahr. Michael Loritz (Foto), beim Landratsamt Ortenaukreis zuständig für die Flüchtlingsunterbringung, indes schätzt, dass die Zahl auf 350 000 nach oben korrigiert werden muss. Auf den Ortenaukreis entfielen somit 1933 Flüchtlinge. Zum Vergleich: 2010 hatte der Kreis 249 Flüchtlinge unterzubringen. Laut Loritz war der damals stetige Rückgang der Flüchtlingszahlen der Grund für den Rückbau vorhandener Unterkünfte. Mittlerweile setze der Kreis verstärkt auf die Anmietung privater Wohnungen für die Flüchtlingsunterbringung. »Wir haben aber dazugelernt«, sagt Loritz. So sollen künftig unabhängig von der tatsächlichen Belegung 1200 Plätze für Flüchtlinge im Kreis bereitgehalten werden. Mit aktuell 1370 Flüchtlingen seien die Unterkünfte in der Ortenau bereits zu über 80 Prozent ausgelastet.
Trotz der angespannten Lage will Loritz bei der Auswahl geeigneter Unterkünfte weiterhin sensibel vorgehen. »Wir hatten auch schon Angebote an der Schwarzwaldhochstraße, solche Kamikaze-Einrichtungen können wir uns nicht erlauben.« Die städtische Randlage, wie es der Waldweg in Oberkirch ist, sei für größere Gemeinschaftsunterkünfte am besten geeignet. In der Vergangenheit seien bei der Auswahl der Lage von Flüchtlingsunterkünften oftmals Fehler gemacht worden.
Mit aktuell 84 Flüchtlingen und ab 2016 bis zu 70 weiteren in der Gemeinschaftsunterkunft leiste Oberkirch einen guten Beitrag im Ortenaukreis. »Wir können die Problematik nicht an einem Punkt lösen und eine Stadt auch nicht überfordern«, meinte Loritz. all