Achern / Oberkirch

Therapie als »Sieg über die bösen Dämonen«

wowi
Lesezeit 3 Minuten
Jetzt Artikel teilen:
04. Mai 2012
Daniela Busam - Medizinhistoriker Heinz Schott hat sich intensiv mit Christian Roller beschäftigt.

Daniela Busam - Medizinhistoriker Heinz Schott hat sich intensiv mit Christian Roller beschäftigt.

Der Medizinhistoriker Heinz Schott hielt bei der Preisverleihung der Illenau-Stiftungen den Festvortrag. Er beleuchtete das Wirken des Illenauer Anstaltsgründers Christian Roller im Licht der Psychiatriegeschichte.

Achern (wowi). Christian Rollers Lebensleistung wird in der Fachliteratur zwiespältig gewertet. Er gilt als Modernisierer, der, so urteilte der Historiker Dieter Jetter, »Baden eine der modernsten und brauchbarsten Irrenheilstätten der Welt« bescherte, andererseits habe sein Zwist mit der Heidelberger Medizinischen Fakultät »die Einführung der Irrenheilkunde als akademisches Lehrfach um weitere Jahrzehnte verzögert«.

Da sich die Universitätspsychiatrie erst in einem längeren Prozess aus der Anstaltspsy­chiatrie des 19. Jahrhunderts entwickelte, sei es jedoch rückblickend kaum möglich, hierfür bestimmte Daten anzugeben, erläuterte der renommierte Medizinhistoriker Heinz Schott in seinem Festvortrag unter der Überschrift »Christian Roller und seine Zeit – die Entwicklung der Psychiatrie«.

Historischer Kontext

In seinen vertiefenden Ausführungen versuchte der Festredner, »vor allem den historischen Kontext ins Auge zu fassen, in denen Roller tätig war«. Der Pariser Psychiater Dominique Esquirol (1772 bis 1840), von dem Roller »bekanntermaßen stark beeinflusst war«, beschrieb in seinem Lehrbuch die »moralische« (psychische) und »physische« (somatische) Behandlung der »Seelenstörungen«. Die Irren schienen den Medizinern der Zeit »grundsätzlich von demselben Unvermögen geschlagen wie die Wilden im fernen Afrika: nämlich in Freiheit vernünftig zu handeln«.

Damit seien die wesentlichen Elemente der moralischen Behandlung vorgegeben gewesen, zum einen die »Beschränkung des rohen Trieblebens durch Unterwerfung, Bändigung und Strafe«, sowie die »Entwicklung ihrer körperlichen und geistigen Anlagen durch Arbeit, Lebensordnung und religiöse Einkehr«. Die medizinisch-physischen Manipulationen sollten den Organismus unmittelbar angreifen: sei es durch Ableitung von Krankheitsstoffen, durch Umpolen der Lebenskraft oder durch Zuführen heilkräftiger Substanzen.

Isoliertes Leben

- Anzeige -

Roller kombinierte in seiner Therapeutik die herrschenden Lehrmeinungen, zog seine »eigene Quintessenz für die organisatorische und therapeutische Praxis« und erklärte das isolierte Anstaltsleben selbst als Heilmittel, berichtete Schott.

In einer solchen Anstalt »muss eine gewaltige, aber auf bestimmten Gesetzen ruhende Bewegung bestehen«, von der jeder ergriffen und von deren »Harmonie und Regelmäßigkeit« der »Maniakus« im Zaume gehalten werde, verkündete Roller in seinem Buch »Die Irrenanstalt in allen ihren Beziehungen«. Im Kapitel über die »Beschäftigung der Irren« hob er die Arbeit »in Garten und Feld« hervor, die wie keine andere Beschäftigung zum »Sieg über den bösen Dämon, der die Seelenruhe trübt«, beitrage.

Zusammenfassend stellte Schott fest, »dass die unterschiedlichen Behandlungsformen, wie wir sie bei Roller finden, durchweg dem wissenschaftlichen Selbstverständnis der Irrenheilkunde und ihrer Logik entsprachen«. Dem Anstaltsgründer sei es auf »die möglichen Korrekturen des Irreseins« angekommen, »auf das Wieder-vernünftig-machen der Unvernunft«. Insofern habe er sich im Einklang mit den anderen Psychiatern der Gründerzeit befunden.

ZUR PERSONProfessor Heinz Schott

Professor Dr. med. Dr. phil. Heinz Schott leitet seit 1987 das Medizinhistorische Institut der Universität Bonn. Seine umfassende, zusammen mit Rainer Tölle verfasste »Geschichte der Psychiatrie: Krankheitslehren – Irrwege – Behandlungsformen« füllt eine Forschungslücke.

Sie beleuchten die Geschichte der Krankenversorgung, die psychiatrisch bedeutsamen Krankheiten sowie deren Therapien. Auch von der Fachwelt bisher weniger beachtete Themen, etwa Dämonologie und Mesmerismus, sind berücksichtigt.

Die besondere Aufmerksamkeit der Autoren gilt schließlich der kritischen Auseinandersetzung mit dem Menschenbild in der Psychiatrie, wie sie sich in philosophisch orientierten Ansätzen, etwa der Daseinsanalyse oder der medizinischen Anthropologie, widerspiegeln.

Weitere Artikel aus der Kategorie: Achern / Oberkirch

Die Bushaltestelle "Schlatten" in Bottenau wurde vom Kreis priorisiert umgebaut.
vor 4 Stunden
Oberkirch
Die Kommunen wollen den barrierefreien Umbau von Bushaltestellen genau prüfen. Denn abseits der finanziellen Herausforderungen, ergibt ein Umbau nicht an jeder Haltestelle Sinn. So sehen es zumindest die Verantwortlichen.
Bereits barrierefrei umgestaltete Bushaltehaltestellen, wie hier in Lautenbach-Winterbach, sind optisch leicht an den Aufmerksamkeitsfeldern und Leitstreifen zu erkennen.
vor 4 Stunden
Situation im Renchtal
Der barrierefreie Umbau von Bushaltestellen schreitet voran. Allerdings deutlich langsamer, als der Gesetzgeber das ursprünglich vorgesehen hat. Das Renchtal bildet da keine Ausnahme.
Anja Bauer (62), Leiterin der Abteilung für Schule und Bildung im Regierungspräsidium Karlsruhe, wohnt in Achern und wurde nun auch zur Vorsitzenden des Hochschulrats der PH Karlsruhe gewählt.
vor 6 Stunden
Anja Bauer beschreibt Problematiken und Chancen
Anja Bauer aus Achern ist die neue Vorsitzende des Hochschulrats der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Die Schulexpertin leitet auch die Abteilung für Schule und Bildung im RP Karlsruhe.
Im Rathaus Stadelhofen wurde über die neue Hauptsatzung diskutiert.
vor 7 Stunden
Neue Hauptsatzung
Die Ortschaftsräte möchten der Oberkircher Verwaltungsspitze die Möglichkeit geben, Bürokratie abzubauen. Dennoch gibt es große Bedenken wegen der neuen Hauptsatzung.
Wie kaum ein anderer Journalist erlebte Kai Diekmann die Mächtigen der Welt hautnah, mit Putin fuhr er Jetski im Schwarzen Meer. Kai Diekmann wurde im Josefshaus von Julius Geier (rechts) interviewt. 
vor 8 Stunden
Achern
Der frühere "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann stellt im Josefshaus bei der Jungen Union seine Memoiren vor. Er gibt Einblicke in die Welt der Mächtigen.
Oberbürgermeister Gregor Bühler (rechts) und Fachbereichsleiter Mathias Benz (links) begrüßten die Heimattage-Organisatorin Gabriele Schindler.
vor 12 Stunden
Planungen für Großevent werden forciert
Die Heimattage Baden-Württemberg 2026 in Oberkirch nehmen an Fahrt auf: Mit der Besetzung der Geschäftsstelle der Heimattage durch Diplom-Kulturwirtin Gabriele Schindler fällt der Startschuss für die Planungsphase des Eventjahrs.
Die Franz Rapp Schule Oppenau trauert um ihren langjährigen Kollegen Axel Pfundstein. 
vor 16 Stunden
Franz-Rapp-Schule
In den Osterferien ist ein Lehrer der Franz-Rapp-Schule in Oppenau völlig überraschend verstorben. Er war seit 2002 an der Schule tätig.
Beim Wasserverkauf für 2022 gibt es ein Defizit.
vor 19 Stunden
Investitionen in die Wasserversorgung
Bad Peterstal-Griesbach steht vor einer Erhöhung der Wassergebühren. Im Gemeinderat ging es am Montag zunächst um das erhöhte Defizit im Jahresabschluss 2022, das ausgeglichen werden muss.
Im Vortrag „Sax, Wind & Funk“ entfalteten die Saxophone ihre volle Power. 
vor 21 Stunden
Seebach
Der Musikverein Seebach zeigt seine Vielfalt beim Jahreskonzert in der Mummelseehalle. Auch der Musikernachwuchs überzeugt.
Ausgezeichnetes Ehrenamt in Helmlingen (von links): Ortsvorsteherin Stefanie Zervas, Ortschaftsrat Thomas Walther, Friedrich Gärtner, Rosemarie und Walter Fien sowie Bürgermeister Oliver Rastetter.
vor 21 Stunden
Stadtteil bilanziert 2023
Eine mögliche Feuerwehrkooperation mit Lichtenau und das Hochwasserschutzprojekt Untere Rench sind zentrale Themen in der Einwohnerversammlung. In der Fragestunde kommt ein weiteres großes hinzu.
Dieser alternative Standort in Rheinbischofsheim vor dem ehemaligen Polizeigebäude an der L75 soll für eine mögliche Mobilitätsstation geprüft werden.
vor 21 Stunden
Vororttermin soll Fragen klären
Der Rheinbischofsheimer Rat befürwortet die Pläne für die Mobilitätsstation, nicht aber den vorgeschlagenen Platz. Jetzt soll ein Vororttermin zur weiteren Klärung beitragen.
Die Arbeiten am westlichen Bereich des Kirchplatzes stehen vor dem Abschluss. Unser Foto entstand Ende März.
vor 21 Stunden
Bauarbeiten gehen weiter
Am westlichen Oberkircher Kirchplatz ist ein Ende der Bauarbeiten in Sicht. Am Montag verlagern sich die Bauarbeiten Richtung Weierweg. Zu Fuß bleibt der Bereich ums Café Mayers erreichbar.

Das könnte Sie auch interessieren

- Anzeige -
  • Alles andere als ein Glücksspiel: die Geldanlage in Aktien. Den Beweis dafür tritt azemos in Offenburg seit mehr als 20 Jahren erfolgreich an.
    17.04.2024
    Mit den azemos-Anlagestrategien auf der sicheren Seite
    Die azemos Vermögensmanagement GmbH in Offenburg gewährt einen Einblick in die Arbeit der Analysten und die seit mehr als 20 Jahren erfolgreichen Anlagestrategien für Privat- sowie Geschäftskunden.
  • Auch das Handwerk zeigt bei der Berufsinfomesse (BIM), was es alles kann. Hier wird beispielsweise präsentiert, wie Pflaster fachmännisch verlegt wird. 
    13.04.2024
    432 Aussteller informieren bei der Berufsinfomesse Offenburg
    Die 23. Berufsinfomesse in der Messe Offenburg-Ortenau wird ein Event der Superlative. Am 19. und 20. April präsentieren 432 Aussteller Schulabsolventen und Fortbildungswilligen einen Querschnitt durch die Ortenauer Berufswelt. Rund 24.000 Besucher werden erwartet.
  • Der Frühling steht vor der Tür und die After-Work-Events starten auf dem Quartiersplatz des Offenburger Rée Carrés.
    12.04.2024
    Ab 8. Mai: Zum After Work ins Rée Carré Offenburg
    In gemütlicher Runde chillen, dazu etwas Leckeres essen und den Tag mit einem Drink ausklingen lassen? Das ist bei den After-Work-Events im Rée Carré in Offenburg möglich. Sie finden von Mai bis Oktober jeweils von 17 bis 21 Uhr auf dem Quartiersplatz statt.
  • Mit der Kraft der Sonne bringt das Unternehmen Richard Neumayer in Hausach den Stahl zum Glühen. Einige der Solarmodule befinden sich auf den Produktionshallen.
    09.04.2024
    Richard Neumayer GmbH als Klimaschutz-Pionier ausgezeichnet
    Das Hausacher Unternehmen Richard Neumayer GmbH wurde erneut für seine richtungsweisende Pionierarbeit für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Die familiengeführte Stahlschmiede ist "Top Innovator 2024".