Zähes Ringen um Aufstufung
Wird Rheinau Unterzentrum? Geht es nach dem Stuttgarter Ministeriums für Infrastruktur und Verkehr (MIV), darf sich die Stadt kaum noch Hoffnungen machen. Und dennoch könnte die Entscheidung für Rheinau positiv ausfallen – aus gutem Grund.
Eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle hat die Stadt Rheinau bei ihrem Streben nach einer Aufstufung zum Unterzentrum jüngst zurückgelegt. Im Juni 2012 hatte der Gemeinderat grünes Licht für einen Antrag gegeben, nachdem eine eigens in Auftrag gegebene Studie (siehe Hintergrund) das Rheinauer Potenzial, in einer höheren Liga zu spielen, aufgezeigt hatte. Ermutigt habe Rheinau nicht zuletzt Dieter Karlin, der Verbandsdirektor des Regionalverbands Südlicher Oberrhein, sagt Bürgermeister Michael Welsche. Und schließlich hatte sich im März 2013 der Planungsausschuss des Regionalverbands für die Rheinauer Aufstufung ausgesprochen.
Die große Ernüchterung kam, als sich das Ministerium für Infrastruktur und Verkehr (MIV) im Zuge der zweiten Offenlage der Gesamtfortschreibung des Regionalplans zu den Rheinauer Ambitionen der 11 200-Einwohner-Stadt geäußert hatte. Damit seien die Chancen Rheinaus, Unterzentrum zu werden, »gegen null gesunken«, hatte Karlin Anfang März gegenüber der Mittelbadischen Presse erklärt – und damit einen kollektiven Sturm der Entrüstung in Rheinau ausgelöst.
»Das kann’s nicht sein«, hatte sich der Rathauschef in der nächsten Sitzung des Gemeinderates über Einschätzungen aus Stuttgart, aber insbesondere auch Freiburg beklagt, und dabei breite Rückendeckung von den drei Fraktionsvorsitzenden erhalten. Für Klemens Zimmer, Fraktionsvorsitzender der SPD/FW im Gemeinderat, ist klar: »Der Minister hat sich nicht ausreichend mit unserer Studie auseinandergesetzt.«
Der in der Sitzung gefasste Beschluss, an den Unterzentrums-Plänen festzuhalten, zeigte nur wenige Tage später eine erste Wirkung: Der Planungsausschuss befürwortete »stark mehrheitlich« die Rheinauer Position – und stellte sich somit gegen die Verbandsspitze. »Das zeigt, dass die Regionalversammlung eine eigene Vorstellung von der Entwicklung in der Region hat und sich selbstbewusst auch gegen Stuttgart und die Verbandsversammlung durchsetzt«, kommentiert Christian Dusch, Vorsitzender der CDU/FWG-Fraktion, den Umschwung. Jetzt bleibt abzuwarten, ob das MIV, das eine rechtlich bindende Zu- oder Absage je nach Fortgang der Fortschreibungsverfahrens 2017 zu erteilen hat, seine Meinung letztlich überdenkt – bis dahin bleibt’s
spannend.
»Die Vorteile bleiben abstrakter Natur«
Dieter Karlin, Verbandsdirektor des Regionalverbands Südlicher Oberrhein, über die Rheinauer Pläne
Welche Vorteile ergeben sich für eine zum Unterzentrum hochgestufte Kommune über den Imagegewinn hinaus?
Karlin: Die Vorteile einer Aufstufung zum Unterzentrum bleiben immer ein Stück weit abstrakter Natur. Einen Automatismus, den die Einstufung als Unterzentrum nach sich ziehen würde, gibt es weder im Hinblick auf Fördermittel, Wohn- oder gewerbliche Bauflächen noch bei den Ansiedlungsmöglichkeiten für Einzelhandelsbetriebe. Ob sich im Rahmen der Abwägung eines konkreten Vorhabens ableitbare Vorteile aus der zentralörtlichen Einstufung ergeben könnten, darüber könnte ohne Kenntnis des Einzelfalls nur spekuliert werden. An Spekulationen beteiligen wir uns nicht.
Welche Chancen eröffnen sich bei einer Aufstufung vor allem mit Blick auf den Einzelhandelsbereich?
Karlin: Im Fall der Stadt Rheinau würden die Auswirkungen auf die Zulässigkeit von Einzelhandelsprojekten vermutlich gering bleiben, schließlich weist die Stadt – gleich ob als Klein- oder Unterzentrum – keinen anderen Verflechtungsbereich auf. »Einzugsbereich« bleibt allein die Stadt Rheinau mit ihren Ortsteilen. Das hierbei maßgebliche Regelwerk, die Regionalplan-Teilfortschreibung zum Einzelhandel, ist bereits 2010 in Kraft getreten.
Ist mit einer Aufstufung zum Unterzentrum mehr Geld für Rheinau verbunden – oder zumindest die Zusage für mehr Siedlungs- und Gewerbefläche?
NACHGEFRAGT
Karlin: Eine Einstufung als Klein- oder Unterzentrum führt nicht zu unterschiedlichen Finanzzuweisungen oder einer bevorzugten Bewilligung von Fördermitteln. Die landesplanerischen Vorgaben des Landesentwicklungsplans und des Landesplanungsgesetzes sehen ausdrücklich vor, dass die Entwicklung von Wohn- und gewerblichen Bauflächen in eigenen Planelementen festgelegt und nicht pauschal an die zentralen Orte gebunden werden. Die Stadt Rheinau ist als sogenannte Gemeinde mit verstärkter Siedlungstätigkeit für die Funktionen Wohnen und Gewerbe festgelegt. Die zentralörtlichen Funktionen der Stadt sind hierbei ein wichtiges Kriterium. Ob es am Ende ein Klein- oder Unterzentrum ist, wird – wie wir auch gegenüber der Stadt immer kommuniziert haben – auf diese Festlegung jedoch keinen Einfluss haben.
Studie befeuert Ambitionen
Die von der LBBW Immobilien Kommunalentwicklung verfasste Studie empfiehlt, Rheinau »wegen der guten Ausstattung« und »der zunehmenden transnationalen Verflechtungen« zum Unterzentrum auszuweisen. Dabei bescheinigt sie der Stadt insbesondere eine Brückenkopffunktion zwischen dem Mittelzentrum Achern und der französischen Grenze.
Mit Ausnahme eines Krankenhauses weise Rheinau alle Ausstattungsmerkmale für ein Unterzentrum aus. Die Verflechtungen Rheinaus beschränken sich laut Studie nicht nur auf den Einzelhandelsbereich, wie dies das MIV kritisiert hatte, sondern sind auch in anderen Bereichen nachvollziehbar. Etwa im schulischen Bereich, wo im Anne-Frank-Gymnasium der Anteil auswärtiger Schüler bei 34 Prozent liegt, oder bei den Pendlerströmen. Dabei habe Rheinau auch »weit überdurchschnittliche Entwicklungspotenziale« aufgrund der »hervorragenden Einbindung ins Fernverkehrsnetz und der Grenznähe«, heißt es in der Studie.