Ausbildung für den Notfall
In Kehl werden Ärzte auf Notfälle vorbereitet. Bei einem 80-stündigen Kurs lernen sie, Menschenleben zu retten.
Als Notarzt wird man tagtäglich mit unterschiedlichen Krankheitsbildern und Verletzungen konfrontiert – und muss sehr schnell entscheiden, was zu tun ist. Was einen alles erwarten kann und wie man damit umgeht, lernten Mediziner vergangene Woche bei einem Notarztkurs am Krankenhaus.
Zwei Jahre Berufserfahrung, davon ein halbes Jahr auf der Intensivstation – das sind die Voraussetzungen, um an dem 80-stündigen Notarztkurs teilzunehmen. Die meisten der 24 Teilnehmer arbeiten an den verschiedenen Standorten des Ortenauklinikums, aber auch aus Bayern und Norddeutschland reisten Mediziner nach Kehl, um sich zum Notarzt ausbilden zu lassen. »Die kommen gezielt zu uns, weil wir unsere Kurse klein halten«, erläutert Rolf Ermerling, Leitender Notarzt am Kehler Klinikum. Auf dem Stundenplan steht alles, was dem Mensch an Widrigkeiten widerfahren kann: Herzinfarkt und Schlaganfall, Verbrennungen und Ertrinkungsunfälle, Stromschläge, Vergiftungen und Unfälle aller Art. Auch rechtliche Fragen, die Zusammenarbeit mit Polizei und Feuerwehr oder der Umgang mit Gaffern und traumatisierten Menschen stehen auf dem Programm.
Lernen in Kleingruppen
Der praktische Teil findet in den Räumen der ehemaligen Geburtsstation des Klinikums statt. Die angehenden Notfallmediziner trainieren an lebensgroßen Dummys, die sich beatmen, wiederbeleben und Spritzen geben lassen. »Wir machen das so praxisnah wie möglich«, so Ermerling. »Und da wir in Kleingruppen arbeiten, kommt auch wirklich jeder an jeder Station dran.«
Notärzte werden dringend gebraucht – an manchen Orten gibt es bereits Schwierigkeiten, Notdienste zu besetzen. In Kehl wird tagsüber ein Klinikarzt dafür freigestellt, nachts und am Wochenende übernimmt das ein Mediziner aus der Notfallgruppe, der auch niedergelassene Ärzte angehören. Am Ortenauklinikum ist man bestrebt, jeden Mediziner, der die erforderliche Praxiserfahrung erlangt hat, zum Notarzt auszubilden.
Eigenverantwortlichkeit
»Das ist nicht jedermanns Sache«, gibt der erfahrene Arzt zu bedenken. »Sie müssen eigenverantwortlich handeln, möglichst schnell und ganz allein entscheiden, was zu tun ist, egal, welcher Notfall vorliegt. Im Klinikalltag gibt es immer Kollegen, die man fragen kann.« Doch am Ende der 80-stündigen Intensivkurse gab es bisher immer ein tolles Feedback – auch von denen, die vorher unsicher waren, berichtet Ermerling.
Zum Praxisteil gehört auch die Besichtigung der französischen Rettungsleitstelle und des Notfallhilfsdienstes Samu in Straßburg, um die Organisation des Notdienstes auf der anderen Rheinseite kennenzulernen. Am letzten Tag schließlich kommt es zu Unfallsimulationen im Hof der Feuerwache: Zunächst gilt es, ein Unfallopfer mit Wirbelsäulenverletzung aus einem Auto zu bergen, dann folgt der Einsatz bei einem sogenannten »Massenanfall von Verletzten«.
»Der Massenanfall ist der Höhepunkt«, so Ermerling. »Bisher haben sie nur an einzelnen Personen geübt, jetzt müssen sie viele Verletzte sichten und einteilen. Damit sind sie zunächst überfordert.« Drei Minuten Zeit haben die angehenden Notärzte, die 14 Verletzten des gestellten Unfallszenarios zu untersuchen und zu klassifizieren. Zu der gestürzten Fahrradfahrerin, die etwas abseits liegt, dringt fast keiner vor. »Ich würde es in drei Minuten auch nicht schaffen«, tröstet der langjährige Notarzt.
Nach der Kursteilnahme dürfen die Mediziner unter Anleitung eines erfahrenen Kollegen Praxiserfahrung sammeln. Sie müssen mindestens 50 Notfalleinsätze auf dem Buckel haben, bevor sie sich der abschließenden Prüfung stellen dürfen, die sie zum verantwortlichen Notarzt macht.