Kehl

Ausstellung "Zwischenzeit" im Hanauer Museum eröffnet

Florian Würth
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05. Mai 2016
Mehr als 10 000 Kehler mussten zum Kriegsende 1944 ihre Stadt verlassen. Dies thematisiert die jetzt eröffnete Ausstellung im Hanauer Museum.

Mehr als 10 000 Kehler mussten zum Kriegsende 1944 ihre Stadt verlassen. Dies thematisiert die jetzt eröffnete Ausstellung im Hanauer Museum. ©Erwin Lang

Die Ausstellung »Zwischenzeit«, ab dem kommenden Sonntag im Hanauer Museum zu sehen, thematisiert das schwierige Schicksal der Kehler Bevölkerung in den Jahren 1944 bis 1953. Am Dienstagabend wurde sie mit geladenen Gästen eröffnet.
 

Ein Teddybär, ein ausgestopftes Sundheimer Huhn, ein Heiß-Dauerwellengerät aus den 1930er-Jahren: An sich haben sie rein gar nichts miteinander zu tun, und trotzdem sind sie alle Ausstellungsstücke in der neuen Ausstellung des Hanauer Museums. »Zwischenzeit« beleuchtet die Jahre 1944 bis 1953, die für Kehls Bevölkerung eine turbulente Zeit waren. Der Teddy, das Huhn, das altmodische Friseurinstrument und viele andere Stücke erzählen dabei die Geschichten der Menschen – mal traurig, mal anrührend, manchmal sogar komisch.

Museumsleiterin und Stadtarchivarin Ute Scherb erzählte am Dienstagabend im Atelier der Wilhelmschule, worum es in der Ausstellung geht: Einen »Baustein im kollektiven Gedächtnis der Stadt Kehl«. Als die Aliierten am 23. November 1944 Straßburg befreiten, wurden Kehl und die grenznahen Gemeinden in chaotischer Weise geräumt. Hals über Kopf mussten die Menschen ihr Zuhause zu Fuß verlassen und sich in der Fremde eine Unterkunft suchen. Nicht überall erfuhren sie Solidarität, wurden mancherorts sogar als »Westwallzigeuner« diffamiert.

Eine französische Stadt

Keiner der mehr als 10 000 betroffenen Kehler ahnte damals, dass eine Rückkehr erst Jahre später möglich sein würde. Denn nach dem Krieg war Kehl eine französische Stadt. Anfang 1947 lebten hier mehr als 1000 französische Familien; auch ihre Geschichte wird erzählt.

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Erst mit dem Washingtoner Abkommen vom 8. April 1949 kam es zur etappenweisen Rückgabe der Stadt, was gleichzeitig die Umsiedlung der französischen Bevölkerung bedeutete. Dies erfolgte in 42 Einzelabschnitten. Bis zum 8. April 1953 sollte es letztlich dauern, ehe das letzte Teilstück wieder in deutsche Hände überging.
»Die beste Möglichkeit, mehr zu erfahren, war, die Betroffenen selbst zu fragen«, sagte Historikerin Ute Scherb. Denn das Archiv biete zwar Quellen wie Anmelde- und Fragebögen und trockene Statistiken, aber gebe keinerlei Auskunft darüber, was die Menschen tatsächlich durchgemacht haben. Scherb sprach von einer überwältigenden Resonanz: »Mehr als 130 Personen haben mir über ihre Erfahrungen berichtet, haben nach Fotos und Dokumenten gesucht und uns ihre persönlichen Erinnerungsstücke zur Verfügung gestellt.«

Die Ausstellung erinnert aber auch an die Menschen, die Kehl jahrelang als ihr Zuhause begriffen haben, aber keine Chance hatten, wieder in ihre Heimatstadt zurückzukehren: Die jüdischen Mitbürger, die in Kehl wie überall im Deutschen Reich entrechtet, verfolgt, deportiert und ermordet wurden. Hier wird exemplarisch das Schicksal des jungen Fritz Wertheimer geschildert, der 1939 nach Argentinien floh. Die Verwandten, die ihm das nun ausgestellte Jugendbuch schenkten, überlebten den Holocaust nicht. Sie wurden in Auschwitz ermordet.

Anrührend authentisch

»Die Ausstellungstücke strahlen eine Authentizität aus, die einen anrührt«, sagte OB Toni Vetrano am Dienstag. Er zog Vergleiche zur aktuellen Flüchtlingssituation und verwies auf das Titelfoto der Ausstellung, das Kinder an einem Stacheldrahtzaun zeigt. »Das ist auch heute Realität auf der Welt«, so Vetrano. Wolfgang Panzer, Rektor der Wilhelmschule, zeigte ebenso Parallelen auf und berichtete von der bunten Zusammensetzung seiner Schüler und von den Vorbereitungsklassen. Das Kehler Gitarrenduo »Amythis« umrahmte die Ausstellungseröffnung mit Werken, die sich mit dem Thema Krieg beschäftigen – unter anderem der sehr komplexen »Sonata Fan­ta­sia« des serbischen Komponisten Dusan Bog­danovic und der irischen Ballade »Danny Boy«.

Die zweisprachige Ausstellung kann im Hanauer Museum ab dem kommenden Sonntag und bis zum 27. November besucht werden. Geöffnet ist sie immer donnerstags, freitags und sonntags jeweils von 11 bis 17 Uhr. Der Eintritt kostet 4 beziehungsweise 2 Euro, für Schüler ist er kostenlos. Hinzu kommen Führungen und ein Begleitprogramm mit mehreren Veranstaltungen.

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