Kehl

Braunfleckige Beißschrecke im Sundheimer Fort heimisch

Redaktion
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28. August 2016

Dass die Umsiedlung der braunfleckigen Beißschrecke in Kehl gelungen ist, ist für die Leiterin des Bereichs Umwelt bei der Stadt Kehl, Sabine Wörner, »eine kleine Sensation«. ©Stadt Kehl

20 Jahre lang galt die braunfleckige Beißschrecke als ausgestorben oder zumindest verschollen. Inzwischen leben am Sundheimer Fort wieder etwas mehr als 40 Exemplare der kleinen Heuschreckenart. Die braunfleckige Beißschrecke wurde aus dem Hafen dorthin umgesiedelt.

Die Umsiedlung der stark bedrohten braunfleckigen Beißschrecke ist offenbar gelungen. Für die Leiterin des Bereichs Umwelt bei der Stadt, Sabine Wörner, »eine kleine Sensation«. 

Erster Fund im Kehler Hafen
Nachdem das wärmeliebende Insekt 20 Jahre lang von keinem Experten mehr aufgespürt worden war, wurde die braunfleckige Beißschrecke 1992 unter anderem auf dem Truppenübungsplatz Mühlheim wieder gefunden. Bei einer Begehung im Rahmen eines Artenschutzprogramms im Jahr 2000 wurde sie dann im Kehler Hafen entdeckt: Ausgerechnet auf dem Platz, auf dem das durch Orkan »Lothar« zu Bruch gegangene Holz gelagert wurde, fand man ein Habitat der Heuschrecke. Wahrscheinlich, vermutet Wörner, war der größere Teil des Brutgebietes, in dem sich die Beißschrecke unbemerkt angesiedelt hatte, durch das Holzlager zerstört worden.

Ideale Bedingungen
Nachdem sich die Firma Herrenknecht für die Fläche im Hafen interessierte, musste die unter Artenschutz stehende Heuschrecke umgesiedelt werden. Gemeinsam mit der unteren Naturschutzbehörde beim Landratsamt und einem Fachbüro im Auftrag der Hafenverwaltung hat die Stadt Kehl die Fläche beim Sundheimer Fort als neuen Lebensraum ausgewählt: Die kleinste Art unter den Heuschrecken braucht offene Flächen, trockenes Ödland und hohes Gras mit stabilen Stängeln, so Wörner. Im Sundheimer Fort schienen die Bedingungen ideal.

Knappes Zeitfenster
Von Juli bis September legt die erwachsene Beißschrecke ihre Eier in die Grasstängel, dann stirbt sie im darauffolgenden Winter. Weil die Umsiedlung der Tiere aus dem Hafen vor der Eiablage erfolgen musste, stand nur ein knappes Zeitfenster zur Verfügung. 

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Für die Aktion kamen auch nur Tage infrage, an denen die Temperatur deutlich jenseits der 20 Grad lag. Hinzu kommt, dass das Insekt, weil klein und erdfarben, vor allem am Singen der Männchen aufzuspüren ist. Der Gesang ist jedoch so leise, dass er nur in einem Meter Entfernung mit bloßem Ohr wahrnehmbar ist, erläutert Sabine Wörner. Mit Hilfe eines sogenannten »Bat Detector« kann man ihn immerhin 20 Meter weit hören. Und wo die Männchen sind, sind meist auch die Weibchen nicht weit.

Auf diese Weise gelang es Experten 2008, mehrere hundert Exemplare der braunfleckigen Beißschrecke im Hafen zu fangen und umzusiedeln. Die meisten wurden in das Naturschutzgebiet Rheinwald Neuenburg gebracht; die übrigen ins Sundheimer Fort. 2009 wurden nochmals 79 der kleinen Heuschrecken im Hafen entdeckt, gefangen und umgesiedelt. Bezahlt hat die Aktion der Kehler Hafen – die Rechnung belief sich auf 60 000 Euro.

Fraßen Schafe das Gras und die Eier?
Im Sundheimer Fort wurden im selben Jahr fünf Männchen gezählt, die aus den Eiern geschlüpft waren. Dadurch galt die Umsiedlung zunächst als erfolgreich, erinnert sich Sabine Wörner. Um den langfristigen Erfolg zu überprüfen, wurden die männlichen Tiere jährlich gezählt. Nachdem das Verhältnis zwischen Weibchen und Männchen ausgeglichen ist, konnte durch Verdopplung der Zahl der Männchen die Stärke der Population hochgerechnet werden. 
Doch die Sorgen wuchsen. Wurden im Sundheimer Fort 2010 noch neun Männchen gefunden, waren es bei drei Kon­trollen 2011 nur noch zwei. An der Witterung konnte es nicht gelegen haben, dass die Population so stark zurückgegangen war – im Rheinwald Neuenburg waren viel mehr Tiere gefunden worden. Im Sundheimer Fort hatten Schafe geweidet, und so keimte bei Sabine Wörner der Verdacht, dass sie womöglich das Gras mitverspeist haben könnten, in denen die Beißschrecke ihre Eier abgelegt hatte. Daraufhin wurden die langgrasigen Bereiche eingezäunt, weitere Flächen wurden entsiegelt und vom Nabu entbuscht. 

Population »war nahe am Erlöschen«
Die Bemühungen zeitigten nur winzige Erfolge: 2012 waren drei Kontrollen nötig, um drei Männchen zu finden, 2013 wurden nur noch zwei braunfleckige Beißschrecken männlichen Geschlechts entdeckt, 2014 fünf. Die Population blieb bedroht, »sie war nahe am Erlöschen«, wie Sabine Wörner formuliert. Als die Kontrolleure 2015 gar keine Männchen mehr aufspüren konnten, glaubte die Leiterin des Bereichs Umwelt an das Aus der Heuschreckenart in Kehl.
Daher gleicht es für sie einer kleinen Sensation, dass 2016 gleich 21 Männchen und ein Weibchen entdeckt wurden. Erklären kann sich Wörner den Erfolg nur dadurch, dass sich das Habitat im Sundheimer Fort zu einem »schönen Mosaik aus langgrasigen Flächen und offenem Boden« entwickelt hat und damit vermutlich genau den »unheimlich speziellen Ansprüchen« der Beißschrecke entspricht.

Hintergrund

Wussten Sie, ...

☛ ... dass Kehl das nördlichste Vorkommen der braunfleckigen Beißschrecke überhaupt ist?
☛... dass das unscheinbare Insekt eine sogenannte Leitart ist? Grund ist, dass die von ihr bevorzugten Vegetationsstrukturen auch anderen Arten zugutekommen – etwa Wildbienen, Laufkäfern und mehreren bedrohten Schmetterlingsarten.

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