Das Buch: Kulturgut oder Auslaufmodell?
Hat das gedruckte Buch im digitalen Zeitalter noch eine Zukunft? Um dieser Frage nachzugehen, war nicht nur der französische Philosoph Voltaire am Montagabend in den nach ihm benannten Salon gekommen, sondern auch rund 50 interessierte Zuhörer.
Kehl. 70 000 Bücher soll Voltaire (1694-1778), der große Vordenker der Aufklärung, besessen haben. Zu seiner Zeit war das Buch das zentrale Medium, mit dem die Ideen der Aufklärung verbreitet wurden. Bücher wurden heimlich veröffentlicht, geschmuggelt, verehrt, verbrannt. Auch das Urheberrecht ist eine Errungenschaft der Aufklärung. Doch wie steht es heute um das gedruckte Wort? Um diese Frage zu erörtern, war die Künstlerin und Vorsitzende des Salon Voltaire, Ilse Teipelke, in die Rolle des großen französischen Autors geschlüpft. Ihr gegenüber saß die Offenburger Buchhändlerin Christa Peiseler, die dem Gast aus der Vergangenheit die aktuelle Entwicklung des Buchmarkts darzulegen versuchte.
Vor allem drei Trends sind derzeit zu erkennen: E-Books und das Lesen auf elektronischen Medien, der Konzentrationsprozess im Verlagswesen und die von immer mehr Autoren genutzte Möglichkeit, Texte und Bücher auf Self Publishing-Plattformen im Internet zu veröffentlichen. Das Buch als physischer Gegenstand verliert an Bedeutung, der Leser erwirbt per E-Book nur ein Nutzungsrecht am Inhalt. »Interessiert euch neue Menschen nicht mehr, dass etwas bleibt?«, fragte Voltaire alias Ilse Teipelke fassungslos.
In der Diskussion mit dem Publikum stand weniger die Zukunft des Buches als der kritische Umgang mit den elektronischen Medien im Mittelpunkt. Als »analog Erzogene« waren sich die Anwesenden überwiegend einig, dass das gedruckte Buch nicht sterben wird, ebenso wenig wie das Fernsehen seinerzeit das Kino ablöste. Aufwändige Bildbände, Reiseführer, Bilderbücher für Kinder wird es weiterhin geben. Anderes wird sterben – wie der Brockhaus, jene Enzyklopädie, die jahrzehntelang Deutschlands Schrankwände zierte und deren Produktion kürzlich eingestellt wurde. Gegen die Geschwindigkeit und Aktualität des World Wide Web kommt das gedruckte Nachschlagewerk nicht an.
Doch sind die Infos aus dem Netz wirklich gleichwertig? Wer entscheidet, was im Netz steht? Und: Wird das gedruckte Wort auch bei künftigen Generationen denselben Stellenwert haben? »Das Prestigedenken des Durchschnittsintellektuellen, das gilt für die Jugend nicht mehr«, merkte eine Zuhörerin an. »Irgendjemand muss das Bücherlesen weitergeben.«
Einer, der sich auf seine Art mit dem gedruckten Wort beschäftigt, ist der Künstler Klaus Wörner. Das Material seiner Collagen sind die Werbeprospekte, die uns ungefragt frei Haus geliefert werden. Aus dem gedruckten Werbesprech, den er immer neu kombiniert, kreiert er Konsumlandschaften aus dadaistisch anmutenden Botschaften. Zur Finissage seiner Ausstellung reihte der Freiburger Schauspieler Peter W. Herrmanns eben jene Wortfetzen aneinander: »Ich bin doch nicht ich, blöd lohnt sich, null nix für alle!« Zu einer abschließenden Bewertung kam es nicht, kann es gar nicht kommen. Oder wie es Voltaire alias Ilse Teipelke formulierte: »Wir wissen nicht, was kommt, aber wir wissen, was war.« Dauerhaft konserviert steht dies – in gedruckten Büchern.