Serie 25 Jahre »Centrum am Markt«

Das Schicksal der stärksten Festung in Europa

Klaus Gras
Lesezeit 4 Minuten
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11. Januar 2017
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Die Baugrube von »Marktplatz Nord« mit den frei gelegten Steinen der Kehler Festung, die 1681 gebaut und 1815 geschleift worden war. ©Archiv Kehler Zeitung

Seit 25 Jahren gibt es das »Centrum am Markt« in Kehl. Das Geschäfts- und Wohnhaus mit Tiefgarage wurde am 7. Dezember 1991 eingeweiht. Allerdings war seit 1983 diskutiert worden, was auf dem Areal »Marktplatz Nord« mit dem alten Gymnasium passieren soll. In unserer Serie blicken wir auf die Ereignisse zurück. Heute: Die Kehler Festung und das Schicksal der Steine. 

Bei Arbeiten an der Baugrube für den Neubau »Centrum am Markt« auf dem Gelände »Marktplatz Nord« wurden Teile der Kehler  Festung gefunden. Zur Geschichte: Das Dorf Kehl wurde von den Truppen des französischen Königs Ludwig XIV eingenommen und 1679 im Frieden von Nimwegen dem Sonnenkönig Ludwig XIV rechtlich zugesprochen.

Unmittelbar danach, 1681, musste sich die freie Reichsstadt Straßburg dem französischen König ergeben. Die etwa 30 000 Soldaten hatten den Verantwortlichen von Straßburg keine Wahl gelassen. Noch im selben Jahr begannen die Arbeiten an einer Festung in Kehl, dem rechtsrheinischen Brückenkopf von Kehl. Sebastien le Prestre de Vauban, Marechal de France, war damals Stararchitekt für Festungen. Die Bauleitung für die Kehler Festung übernahm Jacques Tarade. 

Die Festung lag auf einem etwa 56 Hektar großen Gebiet und reichte vom heutigen Bahnhof bis zur Großherzog-Friedrich-Straße. Dem Grunde nach war die Festungsausdehnung ähnlich groß, wie im 18. Jahrhundert die Stadt Kehl. Die wichtigsten Baukörper der Kehler Festung waren das große Hauptwerk, das kleinere untere und das große obere Hornwerk. Sieben Jahre wurde an der Festung gebaut, ehe sie 1688 beendet wurde.

2010, zur 100-jährigen Vereinigung von Stadt und Dorf Kehl, veranlasste die Stadtarchivarin und Museumsleiterin Ute Scherb, dass die Grenze zwischen Stadt und Dorf mit einem roten Strich kenntlich gemacht wurde. Dieser ist teilweise heute noch sichtbar. 

»Klein Straßburg«

Die Festung Kehl wurde in Zeiten des französischen Königs Ludwig XIV als stärkste und uneinnehmbarste Festung Europas bezeichnet. Eine Superlative die nicht nur für die Truppen des Königs gebaut wurde. Sie trug den Beinamen »Klein Straßburg«. 1774 wurde die Festung durch den Badischen Regenten zur Stadt erhoben.

Zurück zur Bauzeit 1681: Auf der Festungsanlage wurde eine einzigartige Druckerei gebaut. Dort wurden die Werke von Voltaire und Rousseau gedruckt. Der Grund: Der Druck und die Veröffentlichung dieser Werke war in Zentralfrankreich verboten. Die Originalausgabe von Voltaire mit insgesamt 72 Bänden befindet sich heute noch im Stadtarchiv. Rousseaus Ausgabe mit insgesamt 34 Bänden steht in der Pariser Nationalbibliothek.

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Bis 1785 waren 157 Personen in der Druckerei beschäftigt, darunter 78 Drucker, 14 Gießer, 20 Setzer und zehn Buchbinder. In einem Vortrag im April 2000 erzählte Hartmut Stüwe, ehemaliger Leiter des Stadtarchivs Kehl, dass die Druckerei zwar Kehl in Europa bekannt gemacht hatte, die Bevölkerung jedoch überwiegend ausgeschlossen war. Privilegierte Arbeiter aus Straßburg und dem übrigen Frankreich wurden eingestellt. Le Tellier, der Geschäftsführer der Druckerei, war sehr unbeliebt.

Die Bevölkerung hatte beim Handel und Handwerk mehr Vergünstigungen erwartet, wurde jedoch enttäuscht. Wirte, Bäcker und Metzger klagten über die zu erwartende billige Konkurrenz, die Schreiner und Schlosser befürchteten, dass ihnen der Verdienst beim Aufbau der Druckerei entgehen sollte. Ein Hafnermeister (Ofensetzer) beschwerte sich beim Badischen Markgrafen, dass Öfen von Straßburger Handwerkern gebaut wurden. Die Kehler Glaser drangen gewaltsam in die Druckerei ein, um die Glaser aus Straßburg zu vertreiben.

Nach 1791 wurde der Vertrag zwischen der Gesellschaft der Festung und der Badischen Regierung aufgehoben. die Druckarbeiten wurden eingestellt, nicht zuletzt durch die Proteste, den Druck und die Widerstände der Kehler Bevölkerung. Nachdrucke der Kehler Gesamtausgaben hatten das Geschäft verdorben.Im Zuge des Wiener Kongress 1815 wurde die Festung Kehl geschleift, die Sandsteine wurden abgetragen. So konnte die Planung für den Wiederaufbau der Stadt beginnen. 

Zeitsprung: Klasse 9 C

Nach den Abrissarbeiten der Gebäude auf dem »Marktplatz-Nord«-Gelände wurden in der Baugrube Mauerreste der Festung Kehl freigelegt. Große Verdienste um die dokumentarische Sicherung der Funde haben sich damals die Schüler der 9 C der Tulla-Realschule gemacht. Die Realschule war zur Bauzeit des »Centrums am Markt« noch im benachbarten Gebäude »Tulla alt« in der Kinzigstraße untergebracht. Das Gebäude wird derzeit für 6,3 Millionen Euro zu einem Kultur- und Bildungszentrum umgebaut. 

Die Relaschüler haben 1989 mit ihrem Geschichtslehrer Reinhold Gehringer die Mauerreste und Steingrößen ausgemessen. Einzelne Steine wurden zeichnerisch und in Modellen festgehalten, bevor sie auf dem Bauhofgelände gelagert wurden. Einige Festungssteine sind heute noch im Betriebshof der Stadt. Das Modell und die Zeichnungen der Schüler befinden sich im Hanauer Museum.

Carl-Helmut Steckner, der viele Jahre im Vorstand  des Historischen Vereins in Kehl und im Präsidium in Offenburg aktiv war, dokumentierte das historische Erbe mit zahlreichen Fotos. 

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