Durch Unterschiede erfolgreich
Sie ist den Weg gegangen, der nach wie vor vielen Frauen verwehrt bleibt – den Weg in eine Führungsposition. Am Mittwoch sprach die Präsidentin des Regierungsbezirks Freiburg Bärbel Schäfer an der Kehler Hochschule über Hindernisse und Ansätze für Chancengleichheit bei den Geschlechtern.
Es war kein Lebensbild der Bärbel Schäfer das die Regierungspräsidentin am Mittwochabend in der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl lieferte. Dennoch konnte sie bei dem Vortrag im Rahmen des Forums Zukunftsfragen immer wieder Erfahrungen aus ihrer eigenen beruflichen Laufbahn anführen. Seit April 2012 steht die 56-Jährige der südbadischen Verwaltungsbehörde vor. Wenige Tage nach den landesweiten Frauenwirtschaftstagen sprach die studierte Juristin zum Thema »Die ›gläserne Decke‹ durchbrechen – Frauen auf dem Weg in Führungspositionen«.
Männer an der Front
Ein Blick in die Geschichte: Zu Beginn des Ersten Weltkrieges fanden sich plötzlich viele deutsche Frauen in der Pflicht, ihre Familien ernähren zu müssen, weil ihre Männer an der Front kämpften. In dieser Entwicklung zu mehr volkswirtschaftlicher Bedeutung weiblicher Arbeitskräfte wuchs die Angst vor schlechteren Erwerbsmöglichkeiten für Männer und einer Veränderung der Familie. Es regte sich Widerstand gegen die Frauenemanzipation. Heute, einhundert Jahre und viele Bemühungen später, sind die Zahlen ernüchternd: für 2012 errechnete das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) in Baden-Württemberg einen Frauenanteil von 25 Prozent in der obersten und 33 Prozent in der zweiten Führungsebene. 45 Prozent aller Erwerbstätigen waren damals Frauen. Doch auch in anderen Bereichen waren Frauen geringer vertreten: Wie das Statistische Landesamt feststellte, waren von den knapp 60 Prozent Frauen im öffentlichen Dienst gerade einmal 37 Prozent verbeamtet (bei den Männern 50 Prozent). Davon wiederum fast 61 Prozent im gehobenen Dienst. »Das sind Sie, meine Damen«, wandte sich die Regierungspräsidentin an das überwiegend weibliche Publikum in der Aula.
Erwiesenermaßen sind Unternehmen mit einem überdurchschnittlichen Frauenanteil in Führungspositionen erfolgreicher als ihre Konkurrenten. Dabei seien es die unterschiedlichen Eigenschaften von Frauen und Männern, die sich gegenseitig ergänzten und den Unternehmenserfolg ausmachten, so Schäfer. Trotzdem stiege der Anteil an weiblichen Führungskräften nur schleppend, und viele Frauen blieben im mittleren Verwaltungsmanagement stecken. Wie unter einer »gläsernen Decke«, durch die man den Weg nach oben zwar sehen, aber nicht bestreiten kann.
Gleich und gleich
Bei der Suche nach Gründen für die bestehende Ungleichheit trotz immer besserer und flexiblerer Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und Arbeitszeitmodelle orientierte sich die Regierungspräsidentin an Christiane Funken von der Technischen Universität Berlin. Diese behauptet, nicht die Angst vor geringerer Produktivität sei es, die daran hindere, die »gläserne Decke« zu durchbrechen, sondern »Stereotypisierungen und Homogenitätserwartungen bei der Einstellungs- und Beförderungspolitik«. Oder mit den Worten von Bärbel Schäfer: alte Rollenbilder und das Prinzip »gleich und gleich gesellt sich gern«.
Um diese Strukturen aufzubrechen, sei es auf der einen Seite notwendig, dass Chancengleichheit als strategisches Unternehmensziel formuliert und auch verstanden würde. Stereotypen seien nicht per se schlimm. Sie würden es aber dann, wenn durch sie der Blick für Qualität verstellt wird. Auf der anderen Seite müssten aber auch die Frauen an hinderlichen Verhaltensweisen arbeiten, wie beispielsweise der Tendenz, das eigene Licht unter den Scheffel zu stellen oder den Anspruch auf Perfektion. Viele Frauen bewürben sich gar nicht erst auf gewisse Positionen, wenn sie die Voraussetzungen nicht 100-prozentig erfüllten.
Auch zur Frauenquote, deren Einführung erst kürzlich wieder in Frage gestellt worden war, bezog Bärbel Schäfer Stellung: »Ich bin eine klare Verfechterin der Frauenquote«. Sie sehe in ihr aber nur ein Trittbrett, um Frauen sichtbar zu machen. Vor allem junge Frauen müssten sehen, was Frauen können und das Frauen in Führungspositionen ganz normale Frauen sind. Am Ende machte die Regierungspräsidentin ihren Zuhörerinnen Mut, für mehr Frauen in Führungspositionen zu kämpfen und rief zu Geduld und Durchhaltevermögen auf. »Wenn wir nicht anfangen, passiert gar nichts.«