Ein Hausbau mit Hindernissen
Derzeit wird donnerstags in der Aula der Sander Grundschule gekuschelt, gehofft, gekämpft und gestritten. Am Kunst- und Kulturwochenende führt die Theatergruppe Sand unter ihrer neuen Regisseurin Ursula Bengel das Stück »Richtfest« auf.
Willstätt-Sand. 2013 hatte die Theatergruppe Sand eine schöpferische Pause eingelegt, doch in diesem Jahr wird die Laienschauspieltruppe beim Sander Kunst- und Kulturwochenende wie gewohnt auf der Bühne stehen. »Richtfest« heißt das Stück, das die Gruppe mit der in Sasbachwalden lebenden Regisseurin Ursula Bengel einstudiert, eine bitterböse Gesellschaftssatire mit hochaktuellem Hintergrund: Gemeinschaftliche Wohnprojekte sind angesichts des demografischen Wandels und drohender Vereinsamung derzeit en vogue.
Der Autor Lutz Hübner ist der meistgespielte zeitgenössische Dramatiker auf deutschen Bühnen.
Der Plot ist schnell erzählt: Elf völlig unterschiedliche Menschen haben sich zu einer Bauherrengemeinschaft zusammengefunden, um gemeinsam ihre Vision vom Zusammenleben zu verwirklichen. Was als glückseliges Schwelgen in einer in leuchtenden Farben ausgemalten Zukunft beginnt, mündet bald in einem Hickhack von unterschiedlichen Wünschen, Vorstellungen und Befindlichkeiten.
Gutsituiert und mittellos
Da ist das gutsituierte Dozentenpaar, die Sozialarbeiterin und der Finanzbeamte mit ihrer pubertierenden Tochter, die ehemalige Kneipenwirtin und das lesbische Musikerinnenpärchen, ein junges mittelloses Paar mit Baby und der Architekt, der seinen ganz eigenen Traum verwirklichen will. Doch je konkreter das Vorhaben wird, desto mehr knallen die verschiedenen Vorstellungen aufeinander.
Grenzen werden überschritten, die Fassade des Anstandes bröckelt, antrainiertes Wohlverhalten wird über Bord geworfen. In der Wahrung der eigenen Interessen bricht das Archaische, Animalische aus jedem einzelnen hervor. »Da tun sich Abgründe auf«, sagt Ursula Bengel. »Durch dieses gemeinsame Projekt kommt alles auf den Tisch, die Leute lernen sich genauer kennen, als ihnen lieb ist.«
Das Kennenlernen und Zusammenarbeiten ging für die Sander Schauspieler und ihre neue Regisseurin wesentlich reibungsloser vonstatten. Beide waren auf der Suche nach einem Neuanfang, eine kurze E-mail brachte sie zusammen: »Das hat gepasst, wie der Deckel auf den Topf«, freut sich Ursula Bengel.
Ein Stück mit gesellschaftlicher Relevanz sollte es sein, da waren sich beide Parteien schnell einig. Mit Lutz Hübners »Richtfest« hat Ursula Bengel ein Stück ausgewählt, das sich bei sparsamem Bühnenbild stark auf die einzelnen Charaktere konzentriert.
Noch sitzt nicht alles bei den Proben. Die neue Spielchefin legt die Messlatte hoch auf. »Ich will auf der Bühne lebendige Charaktere sehen«, sagt sie. »Ich habe als Regisseurin versagt, wenn die Spieler unter ihrem Potenzial bleiben.«
Kein Mittelmaß
Ursula Bengel, die seit 25 Jahren als Schauspielerin und Regisseurin arbeitet, ist viel zu sehr Profi, um sich mit dem Mittelmaß zufriedenzugeben. »Es wird noch die Phase kommen, wo mich alle hassen«, sagt sie lachend.
Bis zur Uraufführung am Freitag, 7. November, sind noch ein paar Wochen Zeit. Bis dahin wird alles sitzen, dafür wird Ursula Bengel schon sorgen.