Eine der ältesten Fahrschulen Deutschlands
In Willstätt und Kehl ist eine der ältesten Fahrschulen Deutschlands ansässig. Die über 100-jährige Geschichte der Fahrschule Künster ist eine Zeitreise von den Anfängen der Fahrschulausbildung bis heute und ein verkehrstechnischer Blick in die Nachkriegsjahre der Stadt Kehl.
Die Fahrschule Künster kann auf drei Generationen zurückblicken, und zwei davon haben ab 1950 im Hanauerland ihren Beitrag zur Verkehrssicherheit geleistet. Sie ist eine der ältesten Fahrschulen Deutschlands, die jetzt noch in Familienbesitz sind.
Die Anfänge liegen in Köln. Dort gründete Heinrich Künster Senior 1912 ein Fuhr- und Taxiunternehmen sowie eine Fahrschule. Drei Jahre zuvor, am 3. Mai 1909, war Sohn Willy zur Welt gekommen. An diesem Tag trat ein Vorläufer des heutigen Straßenverkehrsgesetzes in Kraft, unterzeichnet von Kaiser Wilhelm II. Im 1. Weltkrieg war Heinrich sen. Fahrer des deutschen Generals Erich von Falkenhayn bei der Heeresgruppe F, einer Heeresgruppe der osmanischen Armee, und kam bis nach Jerusalem. Mitte der 1930er-Jahre traten seine Söhne Heinrich jun. (1934) und Willy (1937) in seine Fußstapfen. Willy, begeisterter Flugzeugführer und passionierter Grafiker, wurde zu Beginn des 2. Weltkriegs gemeinsam mit Bruder Heinrich als Fahrlehrer zur Wehrmacht eingezogen. Anschließend war er in Melun/Frankreich stationiert und nahm Fahrprüfungen ab. Auf dem Rückzug vor den Alliierten wurde Willy im Herbst 1944 in Willstätt einquartiert und lernte seine spätere Frau Mariele kennen. Der Kontakt riss auch nach dem Krieg nicht ab. Mariele wurde von Walter Day, einem befreundeten Journalisten, als angebliche Ehefrau durch die französische und amerikanische in die britische Zone ins zerstörte Köln geschmuggelt. Willy wiederum erhielt als Gefallen für die Reparatur eines erzbischöflichen Fahrzeuges einen Ausweis als Gesandter des Papstes, mit dem er statt nach Rom zu fahren in Willstätt stoppte.
Nach dem Umzug nach Willstätt eröffnete er 1950 eine Fahrschule und ein Jahr später im damals noch teilweise besetzten Kehl eine Filiale. Nach dem Fall der Stacheldrähte und der endgültigen Freigabe der Stadt verlegte er diese Filiale in den neuen »Müller-Bau« Ecke Haupt-/Marktstraße in den ersten Stock über der heutigen Geschäftsstelle der Kehler Zeitung. Diese Filiale bestand bis 1999. Sohn Heinz stieg 1974 in den Betrieb ein und leitete ab 1985, als Vater Willy mit 76 Jahren in Ruhestand ging, die Fahrschule. Damit trat die dritte Generation in die Fußstapfen von Opa Heinrich und Heinz führte das Erbe fort.
Schon Willy hatte den Theorieunterricht frühzeitig auf moderne Hilfsmittel eingestellt. Selbst fotografierte Dias gehörten ebenfalls zum Standard wie erste 16-Millimeter-Lehrfilme. Heinz setzte als leidenschaftlicher Motorradfahrer eine moderne Honda 250 als Schulfahrzeug ein. »Die ersten VW Golf von 1975 hatten weder Servolenkung noch eine Klimaanlage«, erzählt Heinz Künster von seinen Anfängen und der rasanten Entwicklung in der Fahrzeugtechnik, die heute das Führen eines Kraftfahrzeuges deutlich erleichtern. Was auch die Motorradausbildung mit Funk betrifft, während früher der Fahrlehrer noch auf einem Roller hinten sitzend mitfuhr. Bei praktischen Prüfungen wurde aus Zeitgründen oft der Rollerprüfling zusätzlich hinterher gezogen. So mussten sich die Prüfer auf zwei zukünftige Verkehrsteilnehmer konzentrieren und sich auf den zum Beispiel im VW Käfer mit Brezelfenster nicht geräumigen Rücksitzbänken immer wieder umdrehen. In der heute nicht mehr durchgängig befahrbaren Hermann-Dietrich-Straße war genügend Platz vorhanden, die gängigen Übungen wie Achterfahren zu prüfen.
Kehl hatte trotz weniger Kraftfahrzeuge seine kniffligen Stellen, an denen mancher Prüfling scheiterte. An der Bahnhofskreuzung stand ein Polizist auf einem Podest und regelte den Verkehr. Die neue B28 war zwar ab der heutigen Stadteinfahrt Richtung französische Grenze vierspurig, aber noch ohne Verkehrsampeln. Zudem kreuzten kurz vor der Geigerkreuzung die Gleise der MEG in Richtung heutige Fachhochschule und Oberländerstraße. An der Ecke Oberländer-/Hauptstraße bogen diese Richtung Stadtmitte ab.
Fahrprüfungen dauern heute deutlich länger als noch vor 40 Jahren. »Auch die Theorieprüfung war in den 1950er-Jahren noch in den Anfängen«, weiß Heinz Künster zu berichten. Zuerst wurde mündlich abgefragt. Wer zum Beispiel den §1 der Straßenverkehrsordnung nicht wusste, durfte nochmals kommen. Dann wurden Fragen mit Kreide an eine Tafel geschrieben, und mit DIN-A-5-Karten sollte die Antwort gegeben werden. Dies hatte keine Zukunft und es wurden die lange verwendeten Fragebögen eingeführt. Das Multiple-Choice-System gibt es heute noch, nur wird es per Computer angewandt, und es können Verkehrssituationen als Filme eingespielt werden.