Konflikt zwischen Naturschützern und Landwirten
Noch gibt es sie, die grünen Flächen, die Wiesen und Äcker. Aber sie schrumpfen stetig. Und das macht sie umso wertvoller: Zwischen Kehler Naturschützern und Landwirten entspannt sich ein bizarrer Kampf um die noch verbleibenden unversiegelten Flächen.
Es ist erst wenige Tag her, als OB Toni Vetrano einem strahlenden Marco Lasch die offizielle Stiftungsurkunde überreichte. Applaus und Glückwünsche für den Vorsitzenden der Bodersweierer Naturlandstiftung Lasch, dessen Familie sich schon seit Generationen dafür einsetzt, bedrohten Tier- und Pflanzenarten ihre Lebensräume zurückzugeben. 21 Hektar hat die Stiftung bereits in Bewirtschaftung, 14 davon sind ihr Eigentum. Die Flächen werden renaturiert und ökologisch aufgewertet, die Maßnahmen gepaart mit Umweltbildung und pädagogischer Früherziehung. Ein Glück für die Natur.
Aber ein Pech für die Landwirtschaft: Da es kaum noch unbewirtschaftete Flächen gibt, müssen immer öfter die Bauern mit ihren Äckern für diese Zwecke herhalten. Die Naturlandstiftung kauft unter anderem verpachtete Landwirtschaftsfläche auf und entzieht sie der konventionellen Bewirtschaftung. Jüngstes Beispiel: Ein 22 Ar schmaler Streifen Ackerland auf Auenheimer Gemarkung. »Verschwindend gering« nennt Marco Lasch den Anteil des Stücks an der gesamten Fläche, die Heinrich Stiefel, Landwirt und Ortschaftsrat aus Auenheim, bewirtschaftet.
»Und trotzdem tut es weh«, sagt Stiefel. Der 61-Jährige versteht nicht, warum die Stiftung ausgerechnet landwirtschaftlich genutzte Flächen für ihre Zwecke aufkauft. »Es gibt doch genug Ecken, wo sich
Naturschutzverbände verwirk-lichen können.« Er verweist auf das sogenannte »Drecksloch«, ein etwa anderthalb Hektar großes, verwildertes Gelände zwischen Gewerbegebiet und Lärmschutzwall. »Dort könnte man mal was machen, die Bäume schneiden, Äsungsfläche für Rehe freilegen und so weiter. Das wäre ein Projekt für die Stiftung.« Genauso die vielen Bäume auf Auenheimer Gemarkung, die in seinen Augen völlig verwahrlost sind: »Die Stadt hat hier etwa 800 Obstbäume und 130 Kirschen, da kümmert sich niemand drum.«
Die Kritik, sich nicht genug um bereits vorhandene Grünflächen zu bemühen, lässt Lasch nicht auf sich sitzen: »Wir machen ja nichts anderes«, sagt er. Und trotzdem: Die Renaturierung von landwirtschaftlich genutzter Fläche hat einen Haken. »Je weniger Fläche ich habe«, sagt Stiefel, »umso intensiver muss ich die restliche Fläche bewirtschaften«. Soll heißen: Umso mehr Dünger und Pflanzenschutzmittel muss er aufs Feld kippen, um auf den gleichen Gewinn zu kommen.
»Diese Logik ist völlig richtig«, sagt Lasch, »aber eben nur eine Sicht auf die Dinge.« Wie solle man denn der Natur auf die Sprünge helfen, wenn man ihr nicht den nötigen Raum verschaffe? Lasch spinnt den Faden noch etwas weiter: »Wer zwingt denn die Landwirte, intensiv zu wirtschaften? Wenn der Konsument sein Schweinefleisch für ein paar Cent kaufen will, dann schlägt das natürlich nach hinten durch.«
Fakt ist, dass die Kehler Landwirtschaft immer mehr an Fläche einbüßt: »Wir haben in den vergangenen 25 Jahren über 270 Hektar verloren«, rechnet Hansjörg Körkel, Vorsitzender des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes Kehl, vor. Je kleiner und zerteilter ihre Äcker zudem sind, umso schwieriger ist es für die Bauern, sich am Markt zu behaupten. Auch deshalb stoßen Landwirt Heinrich Stiefel die Bemühungen der Naturlandstiftung Lasch, die gerne mehr Bäume, Hecken und Wiesen anlegen möchte, auf. »Wir haben in Auenheim doch schon so viel für den Naturschutz getan. Hier fährt man keine 500 Meter weit, wo nicht schon wieder Bäume oder Wiesen kommen. Wenn wir noch kleinstrukturierter werden«, sagt er, »können wir mit Sicherheit nicht überleben.«
Kein Problem, oder doch?
Dass die heimische Landwirtschaft immer mehr Fläche verliert, steht außer Frage. Durch Straßen, Gewerbe- und Wohngebiete, ökologische Ausgleichsflächen und jetzt eben auch durch die kleine Naturlandstiftung Lasch, die sich die Renaturierung unserer Umwelt auf die Fahnen geschrieben hat. Klar, könnte man sagen, dem Landwirt Stiefel geht es eigentlich nur um seine eigene Existenz, um seinen Betrieb. Und doch steckt noch ein anderer Aspekt hinter der Debatte: Solange die Lebensmittel billig sein sollen und wir unseren Bauern immer mehr die Existenzgrundlage entziehen, wo kommt dann in Zukunft unser Essen her? Aus Russland? Vielleicht aus China? In einer globalisierten Welt eigentlich kein Problem. Oder doch?
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Von Antje Ritzert