Islamischer Frauenkreis: »Versuchen, für sie da zu sein«
Einmal wöchentlich trifft sich der islamische Frauenkreis in der unscheinbaren Al-Hidayah-Moschee in der Alten Zollstraße, die von vielen Flüchtlingen bevorzugt wird, zum Frühstück. Hier herrscht das Arabische vor, während die große Moschee am Bahnhof eher türkisch geprägt ist. Im Erdgeschoss befindet sich der Gebetsraum für die Männer, die Frauen haben ihre Räume im Dachgeschoss des kleinen Hauses. Für das Frühstück hat jede der sieben anwesenden Frauen etwas Leckeres mitgebracht.
Besonders stolz
»Früher haben wir oft Vorträge über den Islam und die islamische Kultur gehalten«, erklärt Samia Cherni, gebürtige Tunesierin, die vor 20 Jahren als Studentin nach Deutschland kam. »Seit so viele Flüchtlinge zu uns kommen, versuchen wir, für sie da zu sein.« So haben die Frauen bereits einen Flohmarkt, Spielenachmittage und einen Kuchenverkauf auf dem Weihnachtsmarkt veranstaltet, über ihre Whatsapp-Gruppe suchen sie Wohnraum, Möbel und Dolmetscherinnen, Kleidung, Fahrradanhänger und Begleiterinnen für Arztbesuche. Besonders stolz sind sie, schon einige Wohnungen für Flüchtlinge gefunden zu haben. Gerade für Familien sind die Verhältnisse in der Flüchtlingsunterkunft – bis zu fünf Familien in einem Raum – schwer zu ertragen, weiß Kadija Latafi, die bei einigen Vermittlungen gedolmetscht hat.
So unterschiedlich die Herkunft und die Geschichte der Frauen ist – was sie eint, ist ihr Glaube. Kadija Latafi ist Marokkanerin, Igballe Uka kam vor acht Jahren aus dem Kosovo nach Deutschland. Elena Grahn ist gebürtige Kehlerin mit deutsch-griechisch-algerischen Wurzeln.
Vor sechs Jahren konvertierte sie zum Islam, ebenso wie Anne-Claire Rouxel, eine in Kehl lebende Französin, die 2005 den Islam angenommen hat. Seit vier Jahren trägt sie das Kopftuch, Elena Grahn noch nicht. »Im Koran steht, dass die Frauen Kopftuch tragen sollen, aber sie werden nicht gezwungen«, erklärt Samia Cherni. »Eine Muslima muss selbst davon überzeugt sein.« Für Anne-Claire Rouxel kam dies mit der Geburt ihrer Tochter: »Ich wollte ihr ein Vorbild sein«, sagt die junge Lehrerin, die in Straßburg Deutsch unterrichtet.
Ibtissem Sbiai und Muna Al Hamsa (Name geändert) stammen aus Syrien. Beide haben Schlimmes erlebt: Ibtissems Mann, ein regimekritischer Anwalt, wurde erschossen, sie floh mit ihren neun Kindern erst nach Ägypten, dann nach Deutschland. Muna war Grundschullehrerin und wurde entführt. Nach ihrer Befreiung verließ sie mit ihrem Mann, der zur Armee eingezogen werden sollte, das Land. Ihre beiden Kinder mussten sie bei der Oma zurücklassen. Seitdem bemühen sie sich um einen Familiennachzug. Aus Angst, dass den Kindern etwas passieren könnte, möchte sie ihren Namen nicht in der Zeitung sehen.
Auch wenn sie Kehl als offene Stadt sehen, in der Muslime akzeptiert werden und Flüchtlinge viel Hilfe erfahren, erleben die Frauen oft, dass ihnen aufgrund ihres Kopftuchs Ressentiments entgegenschlagen. Samia Cherni gibt zwar selbst – mit Kopftuch – Kurse bei einem Sportverein, Kopftuch tragende Mädchen dürfen dort aber nicht Karate trainieren. »In arabischen Ländern gibt es sogar Karate-Meisterschaften für Frauen, da ist die Kopfbedeckung kein Thema«, sagt sie. Kürzlich haben sie sogar einen Brief an den OB geschrieben: Muslimischen Frauen, die mit ihren Kindern ins Hallenbad gegangen sind wie alle anderen Mütter auch, wurde untersagt, einen Burkini zu tragen. »Warum?«, fragt Elena Grahn. »In Offenburg oder Oberkirch ist das kein Problem.«
Hilfsbereitschaft
Für die Welle der Hilfsbereitschaft, die den Flüchtlingen aus der Bevölkerung entgegenschlägt, sind die Frauen sehr dankbar. Samia Cherni, die Vorbereitungsklassen an der Berufsschule unterrichtet, hat beobachtet, dass fast jeder Schüler mit einem deutschen Paten zur Anmeldung kommt. Auch die Flüchtlinge seien froh über die Hilfe und wollten gerne etwas zurückgeben: »Als ich einmal krank war, kamen Schüler zu mir und boten ihre Hilfe an«, berichtet sie.