Kostümverleih in der Oststraße schließt
Eine Institution in Kehl ist zum Monatsende Geschichte: Sabine Sauer schließt ihren Kostümverleih in der Oststraße im Kehler Hafen.
Kehl. Wenn Kleider Geschichten erzählen könnten, hätten viele der 4000 Kostüme im Laden von Sabine Sauer einiges zu berichten – von den Menschen, die sie getragen haben, zu welchen Anlässen und was dabei alles geschehen ist.
Zu ihrem Lieblingskostüm erzählt Sabine Sauer selbst eine Geschichte: Sie hat es für eine französische Schauspielerin genäht, die in Kehl in der Oper »Die Zauberflöte« von Wolfgang Amadeus Mozart die »Königin der Nacht« gespielt hatte. »Die Sängerin war sehr klein. Damit sie größer wirkt, habe ich eine Krone gebaut. Sie hat mir über das Kostüm gesagt, dass es das tollste und bequemste ist, was sie bislang getragen hatte.« Als Dankeschön hat die kleine Sängerin die Blumensträuße, die sie nach den Aufführungen erhielt, an Sabine Sauer übergeben.
15 Jahre reingehängt
Als sie es zeigt, wird Sabine Sauer traurig. »Es tut weh«, sagt sie leise, »ich habe mich 15 Jahre voll reingehängt. Es war meine Firma, mein Hobby – mein Leben.« Doch sie hat beschlossen, zum Monatsende ihren Kostümverleih zu schließen.
Die Fasnacht brachte bislang den meisten Umsatz. Doch der sei »wegen des Internets weggebrochen«. Vor allem junge Menschen bestellen sich online billige Kostüme, und die Älteren gingen nicht mehr so oft zu den Veranstaltungen. Zudem hätten früher viele Menschen gern ein Kostüm getragen, was nicht jeder hat – heute würden Gruppen lieber in gleicher Kleidung losziehen. Sabine Sauer hat jedoch meist nur Kostüme für Paare zur Verfügung. Und schließlich ist ihr die Miete im Hinterhof der Oststraße 13 zu teuer geworden.
Dort ist der Kostümverleih in einem großen Lagerraum untergebracht: Am Eingang eine Voliere mit Wellensittichen, danach lange Kleiderstangen, an denen Biedermeier- und Rokoko-Kleidung hängt. Besucher können sich dort auch in Prinzessinnen und Piraten verwandeln, in Freiheitskämpfer oder Fürsten – Schmuck und Säbel inklusive.
Hase mit Latzhose
Viele Kostüme sind ungewöhnlich: So das eines Hasen mit Latzhose. Das hat ihr Mann Franz Michael, oft getragen, wenn er bei einer Oster-Aktion des Offenburger Einzelhandels auf den Straßen unterwegs war.
Durch ihn kam die gebürtige Kehlerin zum Kostümverleih. Er hat in einer Trachtenkapelle gespielt, und Mitte der 90er-Jahre kam die Zeit der Musicals wie »König der Löwen« und »Dschungelbuch«. Die Friseurmeisterin war schon vorher bei Aufführungen für prachtvolle Haare zuständig und schminkte die Akteure – nun war auch Bedarf für Kostüme da. »Meine Oma war Schneiderin, das Nähen habe ich als Kind gelernt«, erzählt Sabine Sauer. Langsam wuchs ihr Fundus. Dann kaufte sie noch Bestände eines Kostümverleihs auf, nähte selbst weitere Stücke, und manche Kunden schenkten ihr Teile aus den 60er- und 70er-Jahren.
Und nun? »Ich bin 52 und muss noch ein bisserl arbeiten. Historische Kleidung werde ich weiter nähen und etwa auf Mittelalter-Märkten verkaufen, das mache ich bereits seit einigen Jahren.« Was ihr ganz wichtig ist: »Meine Sachen nähe ich aus passenden Stoffen wie Leinen und nach historischen Schnittvorlagen.« Sie sollen möglichst originalgetreu sein.
Doch noch steht Sabine Sauer in ihrem Laden und verkauft bis Monatsende ihren gesamten Fundus. Sogar das Kleid der »Königin der Nacht« – obwohl es schmerzt.