Krankenhaus Kehl: Stärkung oder Schließung?
Hopp oder top? Das Strategiepapier zur Zukunft der Ortenau-Kliniken, das derzeit vom Krankenhausausschuss des Kreises beraten wird, zeigt zwei Entwicklungsmöglichkeiten für das Kehler Klinikum auf, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Kommt es zu einer Stärkung oder einer Schließung des Kehler Krankenhauses?
Die Existenz des Kehler Krankenhauses steht auf dem Spiel. In dem Strategiepapier der CMK-Krankenhausberatung, das der Kehler Zeitung vorliegt, wird die Frage gestellt: »Was würde ein privater Betreiber voraussichtlich umsetzen?« Antwort: »Aus ökonomischen Gesichtspunkten wären zwei große Standorte ausreichend.« Diese langfristige Lösung würde das Aus für das Kehler Klinikum bedeuten, aber auch die Schließung mehrerer anderer Standorte, einschließlich der beiden Offenburger Häuser. Nur Lahr bliebe erhalten, eventuell noch eine »Portalklinik« in Wolfach. Im Norden soll eine neue, sehr große Zentralklinik gebaut werden, in der Nähe zur A5, zum Beispiel im Raum Appenweier. Diese würde rund 1100 Betten umfassen (Lahr: rund 400, Wolfach etwa 70). Zum Vergleich: Das Kehler Haus hat 142 Planbetten. Diese große, langfristige Lösung würde in den Jahren 2026 bis 2030 umgesetzt werden. Fachleute beziffern die Baukosten hierfür auf mindestens 300 Millionen Euro.
Die Orthopädie für Kehl
Es gibt jedoch auch kurzfristige Lösungen, die diskutiert werden. Dabei würde die Orthopädie von Gengenbach nach Kehl verlagert und die Psychosomatik von Lahr und Offenburg nach Kehl. Die Stadt am Rhein würde allerdings die Allgemeinchirurgie, die Gynäkologie und die HNO-Abteilung verlieren. Die CMK-Krankenhausberatung sieht dadurch »eine Stärkung der medizinischen Qualität und Wirtschaftlichkeit am Standort Kehl«.
Von uns befragte Experten sehen dies etwas differenzierter: Die »Gyn« – ohne die Geburtshilfe sowieso geschwächt – und die HNO zu verlieren, sei kein großer Verlust, weil die Fallzahlen hier gering seien. Allerdings, heißt es, könnte der Wegfall einer chirurgischen Grundversorgung »schmerzen«. Alleine eine orthopädische Chirurgie halten Fachleute für nicht ausreichend, wenn an einem Haus auch eine funktionierende innere Abteilung betrieben werden soll. Vom Erhalt aller Standorte rät die Krankenhausberatungsgesellschaft auf jeden Fall ab.
"Kein Allheilmittel"
SPD-Kreisrat Heinz Faulhaber sagte gegenüber der Kehler Zeitung: »Die Zentralisierung als Allheilmittel ist für mich derzeit nicht vorstellbar.« Er möchte jedoch abwarten, welche Vorschläge Ortenau-Klinikum-Geschäftsführer Christian Keller unterbreitet. Der Krankenhausauschuss befasst sich in einer nichtöffentlichen Sitzung am Dienstag, 23. Mai, mit dem Strategiepapier.
CDU-Kreisrat Willy Kehret bekräftigte gegenüber der Kehler Zeitung, im Krankenhausausschuss für den Erhalt des Kehler Klinikums eintreten zu wollen: »Ich möchte, dass das Kehler Haus gestärkt wird und dass es in Kehl weitergeht.« Kehret fügte jedoch auch hinzu: »Wir Kehler haben im Kreistag nicht die Mehrheit.«
Kehls Oberbürgermeister Toni Vetrano wollte auf Anfrage keine Stellungnahme zum Strategiepapier abgeben.
Kehler Klinikum erhalten.
Der Kostendruck in den Krankenhäusern ist hoch. Bis auf eine Ausnahme schreiben alle Ortenau-Kliniken im Kreis rote Zahlen, auch Kehl. Die Kapitalrücklagen sind in wenigen Jahren aufgebraucht. Würde man die Klinik-Struktur so belassen, wie sie ist, würde das Defizit im Klinik-Verbund im Jahr 2023 mehr als 17 Millionen Euro betragen. Deshalb ist eine Reform wichtig und richtig, um die Qualität der Krankenversorgung zu erhalten. Auch größere Einheiten sind dann wohl unumgänglich.
Von der vorgeschlagenen kurzfristigen Lösung könnte das Kehler Krankenhaus sogar profitieren. Dann würden Abteilungen von Kliniken, die schließen müssen, nach Kehl verlegt. Das ist die gute Nachricht des Strategiepapiers: Die Berater ziehen eine mögliche Stärkung des Standorts Kehl in Betracht, aber natürlich auf Kosten anderer Standorte.
Es könnte jedoch auch genau das Gegenteil eintreten: Die Kehler Klinik wird geschlossen, wie auch die beiden Krankenhäuser in Offenburg und an etlichen weiteren Standorten. Der Widerstand wäre ebenso groß wie der Kahlschlag. Allerdings lassen die Gutachter durchaus durchblicken, dass sie solch eine große Lösung favorisieren – allein aus »ökonomischen Gesichtspunkten«. Dabei ist der Kreis eben gerade kein privater Betreiber. Er sollte auch eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung als seine Aufgabe ansehen. Es sollte nicht nur um Zahlen und Bilanzen gehen, sondern auch um das, was die Patienten wollen. Deshalb: Eine Konzentration ist richtig, aber dann bitte nur so viel zusammenlegen, wie gerade nötig. Zumindest die größten Städte der Ortenau sollten weiter Klink-Standorte bleiben. Klaus Körnich
Interview
Zu den Vorschlägen der Krankenhausberatungsgesellschaft CMK haben wir mit Wolfram Britz, Vorsitzender des Fördervereins des Kehler Klinikums, gesprochen. (Von Klaus Körnich)
Bei den kurzfristigen Szenarien könnte es zu einer Stärkung des Standortes Kehl kommen, weil Kehl dann zum Beispiel die Orthopädie aus Gengenbach bekommt. Was halten Sie davon?
Wolfram Britz: Wenn die Orthopädie nach Kehl kommt, wäre dies ein schneidendes Fach, was den Standort stärken könnte. Genau das fordern
wir vom Förderverein: Eine Stärkung des Standorts mit einer weiteren Abteilung und Gespräche mit der Kassenärztlichen Vereinigung zur Einrichtung einer Notfallpraxis am Standort Kehl, um die ortsnahe Versorgung zu gewährleisten.
Die große langfristige Lösung sieht den Neubau einer großen Zentralklinik im Norden vor und eine Schließung von fast allen Standorten – bis auf Lahr und eventuell noch Wolfach.
Britz: Das war meiner Meinung nach von Anfang an das Ziel des Ganzen. Für die Politik hat es den Charme, dass dann nahezu alle etwas aufgeben müssen. So könnte der Landrat taktisch vorgehen, um alle mit ins Boot zu holen. Zentralisierung ist auch die momentane Landes- und Bundespolitik. Die Aussage des Landrates, alle Standorte erhalten zu wollen, liegt ja auch schon einige Zeit zurück.
Was würde das Aus des Klinikums für Kehl bedeuten?
Britz: Eine schlechtere Versorgung der Raumschaft, eine geringere Bindung zu den Patienten – alles wird noch unpersönlicher –, die Schwächung der Kreisstadt als Wirtschaftsstandort und es wäre auch eine Fehlentwicklung durch eine politische Entscheidung am Bürger vorbei.
Wäre eine Großklinik bei Appenweier nicht weniger schlimm für Kehl, weil die noch in der Nähe ist?
Britz: Großkliniken haben nur den Vorteil einer Wirtschaftlichkeit, sonst sehe wir da vom Förderverein keinen Vorteil. Es wird nicht nur für Kehl ein Nachteil sein, sondern für die gesamte Ortenau. Ich bin für eine Grundversorgung an jedem Standort.