Kritik: zuviel Detailarbeit im Gemeinderat
Eine interfraktionelle Arbeitsgruppe wird sich mit der Reform der Hauptsatzung des Gemeinderats befassen. Damit soll die Gremienarbeit effektiver und transparenter werden.
Kehl. Braucht die Stadt Kehl noch ihre Ausschüsse oder nicht? Diese Frage hatte die SPD in der konstituierenden Sitzung des neuen Gemeinderats im Juli aufgeworfen und mit einem entsprechenden Antrag gleich beantwortet: Nein, denn mehr Effizienz und Transparenz in der Gremienarbeit sei ohne die Ausschüsse viel besser zu erreichen als mit ihnen, so die Begründung der SPD-Fraktion zur Abschaffung der Ausschüsse. Im September legte die Verwaltung dann die Neufassung einer Hauptsatzung vor, in der sie sich für die Beibehaltung der Ausschüsse aussprach. In einer Hauptsatzung werden die Zuständigkeiten des Gemeinderats, seiner Ausschüsse, des OB und der Ortschaften geregelt.
Am Montagabend ging es im Kehler Verwaltungsausschuss abermals um die Reform der Hauptsatzung. Die Verwaltung möchte mit der Reform unter anderem eine Erweiterung der Zuständigkeiten des OB und der Ausschüsse erreichen. Dadurch werde die Arbeit der Ausschüsse aufgewertet und der Gemeinderat entlastet, begründet die Verwaltung in einer Vorlage. Vor allem sollen öffentliche Mehrfachberatungen künftig vermieden werden. Nach einem Jahr, schlägt die Verwaltung vor, soll überprüft werden, ob die mit der Reform verfolgten Ziele – effektivere Arbeit und Transparenz für die Bürger – erreicht wurden.
SPD-Fraktionssprecher Werner Müll schlug im Ausschuss die Einsetzung einer interfraktionellen Arbeitsgruppe vor. Diese soll sich vor allem mit dem Thema »Wertgrenzen« auseinandersetzen. Bei diesen »Wertgrenzen« geht es um die Frage, bis zu welchen Geldbeträgen der OB selbstständig entscheiden darf – und ab welchen Summen die Angelegenheit im Ausschuss behandelt werden muss. Mülls Fraktionskollege Hans-Jürgen Sperling, ehemaliger Chef der Verwaltungshochschule, hat hierzu einige Ideen erarbeitet. Sie sollen jetzt in der Arbeitsgruppe diskutiert werden.
Müll meinte weiter, dass es jetzt zunächst darum gehe, die Punkte der Hauptsatzung, die den OB und die Ausschüsse betreffen, zu überarbeiten. Den Antrag auf Abschaffung der Ausschüsse stelle seine Fraktion zunächst einmal zurück, um die weitere Entwicklung nach der Reform abzuwarten. »Wir sind allerdings immer noch der Meinung, dass wir die Ausschüsse für die Gemeinderatsarbeit nicht brauchen«, betonte Werner Müll.
Der SPD-Vorschlag einer Arbeitsgruppe, die die Ideen Sperlings diskutiert, fand in allen Fraktionen Zustimmung. Richard Schüler (CDU) befürwortete das Vorgehen, zunächst einmal die »Probephase« abzuwarten. Wolfgang
Maelger (Grüne) betonte, dass er sich – vor dem Hintergrund der »Eckpunkte zur Änderung der Kommunalverfassung« durch die Landesregierung – mehr Transparenz in der Gremienarbeit wünschen würde. Denn in dem Eckpunkte-Papier stehe unter anderem: »Vorberatungen von Ausschüssen finden in der Regel öffentlich statt.« Freie-Wähler-Sprecher Claus-Dieter Seufert kommentierte, dass seine Fraktion der »generellen Linie« der Reform, wie sie die Verwaltung vertritt, zustimme: »Wir sind nicht der Auffassung, dass man Überlegungen anstellen sollte, wie man die Ausschüsse überflüssig macht«, widersprach Seufert der SPD. Die Ausschüsse sollten vielmehr den Gemeinderat entlasten. Dieser solle sich mehr auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren anstatt zuviel »Detail-Arbeit« zu betreiben, so Seufert. Und weiter: »Der Gemeinderat sollte sich stärker auf Fragen konzentrieren wie zum Beispiel: Wie soll unsere Stadt in Zukunft aussehen?« Bei der Beantwortung solch grundlegender Fragen habe der Gemeinderat »nicht viel zustande gebracht«.
SPD-Stadtrat Hans-Jürgen Sperling, früherer Leiter der Kehler Verwaltungshochschule, hat mehrere Vorschläge zur Überarbeitung der Kehler Hauptsatzung zusammengetragen, die er mit den Worten umschreibt: »Wir wollen die Steuerungsfunktion des Gemeinderats beibehalten, aber den Vollzug von Maßnahmen weitgehend dem OB übertragen.«
Ein Beispiel: Bisher obliegt dem OB die Entscheidung über Bauvorhaben bei voraussichtlichen Baukosten von bis zu 25000 Euro. Der Vorschlag der Verwaltung lautet, auf 50000 Euro zu erhöhen. »Hier könnten wir noch einiges höher gehen«, schlägt Sperling vor. Arbeiten und Lieferungen im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung soll der OB nach der Vorstellung der Verwaltung künftig »in unbegrenzter Höhe« vergeben können, heißt es in der Neufassung. »Hier sollte man eine Obergrenze bei 500000 Euro ziehen«, so Sperling. Bei Leistungen zur Vereinsförderung schlägt die Verwaltung eine Bewilligung durch den OB bei bis zu 2500 Euro im Einzelfall vor. Da möchte Sperling höher gehen, »wenn die Förderung im Rahmen der Vereinsförderrichtlinien liegt«, damit im Ausschuss nur die »Ausnahmefälle« behandelt werden, wie er es begründet. Ebenso erhöhen möchte er die Summe, bis zu der der OB selbstständig über den Verkauf von Grundstücken und Grundeigentum der Stadt entscheiden kann. Die Summe beträgt aktuell im Einzelfall 20000 Euro, die Verwaltung will den Betrag auf 40 000 Euro erhöhen. Sperling schlägt sogar eine Erhöhung auf 100000 Euro vor, »falls der Verkauf gemäß den Vergaberichtlinien des Gemeinderats erfolgt«, erklärt Sperling.