Literarisch-kulinarischer Luther-Abend in Sand
Futter für Körper und Geist: Rund 60 Gäste erlebten am Samstag bei einem literarisch-kulinarischen Abend in der Aula der Grundschule Sand einmal einen ganz anderen Zugang zu Luther und seinen Lehren.
So ähnlich wie am Samstagabend in der Aula der Grundschule Sand könnte es auch im Hause Martin Luther einst zugegangen sein. Katharina von Bora, die patente Gattin des großen Reformators, hatte, wie man heute weiß, regelmäßig bis zu 50 Gäste beim Abendessen zu beköstigen. Und neben einem üppigen Mahl gab es auch Tischreden, in denen sich Luther zu allem zu Wort meldete, wonach er gefragt oder auch nicht gefragt wurde.
Passende Besetzung
An diese Tradition knüpfte die evangelische Kirchengemeinde Sand an diesem Abend an. Es gab ein deftiges mehrgängiges Menü, wie es so ähnlich auch bei Luthers auf den Tisch gekommen sein könnte: Schmalzbrot, Salate, Kürbiscremesuppe, Kurzgebratenes vom Rind in Rotweinsauce mit Kartoffelgratin und Blumenkohl und zum Abschluss Caramelköpfli. Und dazwischen immer wieder Luther-Zitate, die an Deftigkeit den aufgetischten Speisen in nichts nachstanden. Werner Schneider, langjähriges Mitglied der Theatergruppe Sand, gab den »Doktor Martinus« – eine durchaus passende Besetzung, auch weil er von der Körperstatur her dem Reformator durchaus nahe kam. Werner Türkl, Vorsitzender des Hanauer Musik- und Trachtenvereins und wie Schneider früher lange Jahre Mitglied im Sander Kirchengemeinderat, sprach die verbindenden Moderationen.
Ehe, Glaube, Rom und Genüsse
Da ging es um Frauen, Ehe und Familie (»Wie gut steht es, wenn Eheleute zu Tisch und Bett gehen, wenn sie auch manchmal brummen und murren – das schad’t nichts«), um Pfarrleute, Glaube und Unglaube (»Wenn es keine Vergebung der Sünden gäbe, so wollt ich Gott gern zum Fenster hinauswerfen«), um Rom und die heiligen – und oft auch nicht so heiligen – Umtriebe dort und natürlich um Essen und andere Genüsse. Da war viel Saftiges dabei – aber auch vieles, was zum Nachdenken anregt und was auch die Menschen von heute sich ruhig mal zu Gemüte führen sollten.
Prophetisch-kritische Rede
Letztlich steht Luther mit seinen Tischreden in der Tradition der prophetisch-kritischen Rede Jesu Christi. Prophetisches Reden ist so etwas wie die Weitergabe von Eindrücken, Bildern, Impulsen, die Gott seinen Kindern schenkt. Glaube ist somit also nichts, was nur in der Kirche – als einer Art abgeschotteter Sphäre – stattfindet. Und das macht Luther auf ganz unnachahmliche Weise klar. »Er hat den Leuten aufs Maul geschaut und antwortet in der selben Sprache und im selben Sprachduktus wie sie«, sagt Pfarrerin Britta Gerstenlauer. »Das ist das A und O von uns Christen: Wir stehen mitten im Leben.«
Botschaft kam an
Der literarisch-kulinarische Abend sollte ein Angebot sein, einen anderen Zugang zum Gedankengut der Reformation zu finden, sagt Britta Gerstenlauer. Bei den meisten der rund 60 Gäste kam die Botschaft jedenfalls an. »Wir hatten Spaß, und wir haben Gelegenheit gehabt, miteinander zu reden – auch darum geht’s«, meinte etwa Ingo Bamberg aus Sand. »Und man hat gesehen, dass Religion nicht immer so bierernst daherkommen muss.« Und für Katharina Schneider hat der Abend gezeigt, »dass Religion auch was mit dem wirklichen Leben zu tun hat«.