Kehl/Willstätt

"Mein Kampf" als Unterrichtsstoff: Das Echo ist geteilt

Antonia Höft, Florian Würth und Michael Müller
Lesezeit 4 Minuten
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15. Januar 2016

Die kritisch kommentierte Neuausgabe von Hitlers »Mein Kampf« durch das Institut für Zeitgeschichte hat für viel Wirbel gesorgt. ©dpa

Einst lieferte es die Blaupause für die Barbarei der Nazis: Adolf Hitlers Buch »Mein Kampf«. Und nach wie vor sind die Geschehnisse im »Dritten Reich« Pflichtthema an allen weiterführenden Schulen in Deutschland. Kürzlich wurde nun eine neue, kommentierte Edition von Hitlers Kampfschrift veröffentlicht. Ein Thema für die hiesigen Schulen? Das Echo ist geteilt.

Kaum eine andere Buchvorstellung ist in den letzten Jahren von derart viel medialem Ballyhoo begleitet worden wie die kritisch kommentierte Neuausgabe von Adolf Hitlers »Mein Kampf«. 70 Jahre sind vergangen nach dem Ende des von den Nazis vom Zaun gebrochenen Zweiten Weltkriegs. Und angesichts eines Zustroms von Flüchtlingen haben Parteien und Gruppierungen, die offen fremdenfeindliche Parolen verbreiten, zunehmend Konjunktur. Ein heikles Umfeld also für die Neuausgabe eines Buches, das offen Fremdenfeindlichkeit und Rassenhass predigt. 

Großes Interesse
Entsprechend groß ist das Interesse. »Die erste und zweite Auflage sind bereits vergriffen. Die dritte Auflage kommt im März«, erzählt Valeska Reiß, Buchhändlerin der Buchhandlung Baumgärtner. Die zweibändige Edition kostet 60 Euro und hat 1948 Seiten – doppelt so viele wie das Original. »Die Nachfrage nach der Ausgabe ist hoch. Aber viele der Interessenten wissen manchmal gar nicht, dass es sich um die kommentierte Version handelt, und nicht um das Original«, so Reiß. Wenn die dritte Auflage im März erscheint, soll es auch nicht groß im Schaufenster ausgestellt werden. »Wir werden es in der Buchhandlung stehen haben und wenn Kunden nachfragen, bestellen.«
Auch an den Schulen in Kehl und Willstätt ist die Veröffentlichung der neuen kritisch kommentierten Ausgabe von Hitlers Kampfschrift mit großem Interesse verfolgt worden. Schließlich gehören die Geschehnisse im »Dritten Reich« und die Gräueltaten der Nazis zum Pflicht-Kanon im Geschichtsunterricht der weiterführenden Schulen. Hitlers »Mein Kampf« – als Lehrstoff für den Geschichtsunterricht über den Nationalsozialismus?

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»Didaktisch gut vorbereiten«
»Bislang hat die Neuauflage in unserer Planung noch keine Rolle gespielt«, berichtet Bertram Walter, Rektor der Moscherosch-Gemeinschaftsschule in Willstätt. Grundsätzlich kann er sich jedoch vorstellen, dass das Buch als historische Quelle im Unterricht einmal behandelt wird – wenn, dann aber in einer höheren Klassenstufe. Prinzipiell findet Walter an der kommentierten Ausgabe nichts Falsches, schränkt aber ein: »Man muss mit dem Thema behutsam umgehen und sich didaktisch gut vorbereiten.«

»Zu umfangreich«
Ein »klares Nein« kommt von Barbara Künzer, Leiterin der Tulla-Realschule. »Die Neuauflage ist viel zu umfangreich, als dass man sie den Schülern unserer Schulart zumuten könnte«, glaubt sie. Natürlich ist auch an der »Tulla« die NS-Zeit Thema im Geschichtsunterricht, und dabei spreche er mit seinen Schülern auch über Propaganda und wie es den Nazis gelang, das Volk zu beeinflussen, so ihr Kollege und Geschichtslehrer Volker Hering. Aber dafür brauche man Hitlers Pamphlet nicht unbedingt. »Das ›Dritte Reich‹ ist mehr als nur ›Mein Kampf‹.«
Schulleiter Manfred Büchele von der Hebelschule gibt zudem zu bedenken, dass Ausschnitte aus »Mein Kampf« bereits heute in einschlägigen Lehrbüchern nachzulesen sind. Er sieht die Neuausgabe eher als Forschungsprojekt für Geschichtswissenschaftler. Ein abschließendes Urteil hat man sich an der Werkrealschule aber noch nicht gebildet.

»Nicht mit der Pinzette anfassen«
Georg Pelzer, Geschichtslehrer am Einstein-Gymnasium, kann sich eine Beschäftigung mit dem Buch dagegen sehr gut vorstellen: »Das muss man nicht mit der Pinzette anfassen.« Er hat auch schon Ideen – etwa anhand von Zeitungsartikeln die Diskussion aufzurollen, warum die Neuausgabe so umstritten war. Man müsse die Schüler befähigen, selber zu erkennen, dass die Ideologie, die Hitler in »Mein Kampf« darlegt, menschenverachtend und kriegstreibend ist, und Position zu beziehen, damit sie gegen solche Ideologien immun werden. »Pegida etwa bezieht sich ja auch aufs Arsenal von ›Mein Kampf‹.« Pelzer hält die Neuausgabe denn auch generell für sinnvoll. »Man kann es nur begrüßen, dass sich die Wissenschaftler so ins Zeug gelegt haben.«

Hintergrund

Mediathekleiter zu »Mein Kampf«

»Bis jetzt gab es noch keine Anfragen zu dem Exemplar«, erzählt Andreas Leister, Leiter der Mediathek Kehl und wundert sich darüber auch nicht sonderlich. Das Buch sei für die Mediathek kein Werk, das bestellt werden müsste. »Es ist durchaus ein Zeitdokument, aber für unser Publikum nicht so interessant wie in einem wissenschaftlichen Kontext.«
Außerdem: »Wer das Original haben will, der bekommt es auch.« Ob nun im Internet oder auf Flohmärkten, der Leiter der Mediathek hatte selbst schon einmal eine Ausgabe, signiert von Goebbels, in den Händen. »Das kann schon um die tausend Euro kosten«, so Leister. Eine dünne Feldausgabe sei schon für 200 Euro zu haben. 
Das Original wurde als Hochzeitsausgabe von den Standesämtern herausgegeben. Die Ausgaben vor 1933 sind für Sammler besonders wertvoll, denn dabei handelte es sich um zwei Einzelbände. Doch längst nicht jeder, der das Buch besaß, habe es auch gelesen, glaubt Pelzer: Vielfach sei »Mein Kampf« auch einfach in den Bücherregalen liegen geblieben.

Stichwort

Adolf Hitlers »Mein Kampf«

Adolf Hitler schrieb seine Hetzschrift »Mein Kampf« zwischen 1924 und 1926. Die Schrift besteht aus zwei Bänden. Im ersten Band beschreibt Hitler sein Leben bis 1918 und den Aufbau der NSDAP. Im zweiten Band stehen programmatische Aussagen im Mittelpunkt – etwa die Forderung nach »neuem Lebensraum« für das deutsche Volk und die Darstellung seiner antisemitischen Überzeugungen. 
Am 1. Januar 2016, 70 Jahre nach dem Todesjahr Hitlers, erloschen die Urheberrechte an seiner Schrift »Mein Kampf«, die zuvor vom Land Bayern gehalten wurden. Die Hetzschrift war allerdings noch nie in Deutschland verboten. Lediglich eine neue Auflage war verboten. 
Die neue, kritische Edition wurde von Historikern kommentiert und ist doppelt so lang wie das Original. Jedes Kapitel ist zudem mit einer Einleitung versehen.

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