Kehl
Schwitzen bevor es qualmt
Eugen Schmid
19. August 2004
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Die Tabakernte im Hanauerland läuft derzeit auf vollen Touren. Bisher hat es nach Auskunft der Tabakpflanzer witterungsbedingt keine Einbußen gegeben.
Kehl. Überall auf den Tabakfeldern sind Erntearbeiter und -helfer dabei, die Tabakernte einzubringen. Dabei hoffen die Pflanzer darauf, dass kein Unwetter mit Sturmböen und Hagelschlag die in diesem Jahr gut gewachsene Ernte im letzten Augenblick zerstört.
Die äußeren Bedingungen seien heuer besser als 2003, versichert Tabakbauer Axel Fien. Herrschten im vergangenen Jahr über Wochen hinweg hohe Temperaturen, so fällt derzeit immer wieder Regen, der die Tabakernte kaum behindert.
Ins Schwitzen kommen die Feldarbeiter dennoch. Daran sind nicht allein die hochsommerlichen Temperaturen und die am Oberrhein herrschende Schwüle schuld, nein, die Tabakpflanzer stehen in diesen Wochen erheblich unter saisonalem Druck. Schließlich soll die Tabakernte Mitte bis Ende September abgeschlossen sein.
Um das enorme Arbeitspensum bewältigen zu können, werden Saisonarbeiter beschäftigt. So auch im landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb von Axel Fien in Goldscheuer, der 18 polnische Saisonarbeiter beschäftigt. Es sind weitgehend immer die gleichen, die seit 1998 Jahr für Jahr nach Goldscheuer kommen, wo sie inzwischen längst die Gegend kennen, gern arbeiten und sich wohlfühlen. Das versichert im Gespräch Thomas Gontarek, ein gelernter Automechaniker, in einwandfrei gesprochenem Deutsch, das er sich in den vergangenen Jahren nach und nach aneignete. Dessen berufliche Kenntnisse sind im landwirtschaftlichen Maschinenpark von Axel Fien immer wieder gefragt.
Heimat 1200 km entfernt
Auch im Frühjahr helfen die Arbeiter in Goldscheuer, wenn die jungen Tabakpflanzen gesetzt werden müssen. Sie kommen aus dem Umland von Wloclawek, einer rund 130 000 Einwohner zählenden Stadt an der Wechsel. Zwischen der Ortschaft Goldscheuer und ihrer Heimat liegen immerhin rund 1200 Kilometer Luftlinie.
Die Arbeitsweise rund um den Tabak hat sich für die Pflanzer in den zurückliegenden Jahren deutlich verbessert und erleichtert. Ging die Ernte früher ausschließlich in manueller, schweißtreibender Handarbeit vonstatten, kommen im Großbetrieb Axel Fien inzwischen zwei Tabakerntemaschinen zum Einsatz. Langsam werden sie über die Tabakfelder gesteuert. Sie haben einen hohen Bodenabstand, so dass die Tabakpflanzen beim Darüber fahren nicht beschädigt werden.
Acht Personen sind auf einer Maschine gleichzeitig im Einsatz: sechs im »Untergeschoss« der Maschine in Höhe der Tabakpflanzen, wo sie in sitzender Haltung die Blätter je Klassement abblatten. Zwei weitere stehen auf der Plattform darüber. Dorthin gelangen die abgeernteten Tabakblätter über Aufzüge und werden dann später zum Abtransport auf einen Zugmaschinen-Anhänger deponiert.
Das Einfädeln der Blätter zum Aufhängen und Trocknen in den Tabakschöpfen, was früher meist in den Abendstunden erfolgte, ist entfallen. Der Tabak kommt stattdessen, maschinell in der Erntemaschine bereits gebündet, in luftdicht verschlossene Trockenöfen, wo er eine Woche verbleibt. In dieser Zeit erhält der Tabak die goldgelbe Farbe und seinen individuellen Duft.
Nach dem Trocknen werden die Blätter von Hand sortiert, je nach Klassement. Davon gibt es insgesamt vier.
Bisher wurden im Betrieb Fien zwei Sorten von Tabak angepflanzt: der »Geudertheimer« und die leichtere Sorte »Virgin«. Letztere ist von wesentlich kleinerem Wuchs und dient ausschließlich der Zigarettenherstellung. Der »Virgin« wird nach der Ablieferung fermentiert und erhält dann in Hamburg seinen letzten »Dreh«. Erstmals wurde in diesem Jahr auf das Anpflanzen der Sorte »Geudertheimer« verzichtet.