Kehl

Stadtarchiv erhält Dokument der jüdischen Geschichte

Redaktion
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08. Februar 2016

Ute Scherb, Stadtarchivarin und Museumsleiterin, freut sich über das Geschenk von Friedrich Peter. ©Stadt Kehl

Die Kehler Stadtarchivarin und Museumsleiterin Ute Scherb freut sich über ein Geschenk von Friedrich Peter. Das Stadtarchiv ist jetzt im Besitz eines weiteren Dokuments der jüdischen Geschichte

Er ist einer der bekanntesten jüdischen Bürger Kehls – obwohl er 70 seiner 81 Lebensjahre gar nicht hier, sondern in Argentinien verbracht hat. Dass sein Name vielen Kehlerinnen und Kehlern doch ein Begriff ist, liegt daran, dass Fritz Wertheimer seiner Heimatstadt seit den 80er-Jahren fast alle zwei Jahre einen Besuch abgestattet und mitgeholfen hat, die jüdische Geschichte Kehls aufzuarbeiten. Jetzt hat sein Freund Friedrich Peter aus Kehl Stadtarchivarin und Museumsleiterin Ute Scherb ein Jugendbuch vermacht, das Fritz Wertheimer zu seiner Bar Mizwa-Feier geschenkt bekommen hat.

Jugendbuch

In dem Jugendbuch, das eines der wenigen erhaltenen Dokumente zur jüdischen Geschichte Kehls ist, finden sich noch drei weitere wichtige Einzelstücke, nämlich Fotos von Lazarus und Regina Mannheimer, Onkel und Tante von Fritz Wertheimer. Es sind die einzigen Fotos, die von den beiden existieren. Lazarus Mannheimer war 20 Jahre lang Oberlehrer an der Falkenhausenschule, Vorsteher des jüdischen zentralen Vereins und Kantor der jüdischen Gemeinde. Er war eines der Opfer des Nazi-Regimes.1933 suspendierten die nationalsozialistischen Herrscher ihn vom Schuldienst, 1940 deportierten sie ihn und seine Frau Regina ins südfranzösische Konzentrationslager Gurs. Von dort kam er nach Auschwitz, wo er 1942 getötet wurde. Zwei Stolpersteine, einer vor der Falkenhausenschule und einer vor seinem ehemaligen Wohnhaus in der Kinzigstraße, erinnern heute noch an ihn. Eine Straße, die nach ihm benannt wurde, zeugt davon, wie wichtig seine Persönlichkeit für die Kehler Stadtgeschichte ist.

Schicksal

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Lazarus Mannheimers Schicksal steht stellvertretend für das vieler jüdischer Bürgerinnen und Bürger: 38 sind der Gewaltherrschaft zum Opfer gefallen, rund 20 sind ins Konzentrationslager nach Gurs deportiert worden. 1905 lebten rund 150 Juden und Jüdinnen in Kehl, 1941 kein einziger jüdischer Mann und keine einzige jüdische Frau mehr.

Diejenigen, die überlebt haben, konnten wie Fritz Wertheimer fliehen. Der gebürtige Bodersweierer ist im Alter von elf Jahren mit seiner Mutter und seinem Bruder zunächst von Kehl nach Hamburg geflohen und von dort aus mit dem Schiff nach Argentinien gereist. Buenos Aires wurde zur neuen Heimat der Familie Wertheimer. In den 80er-Jahren reiste Fritz Wertheimer das erste Mal wieder nach Kehl. Ab dann kam er regelmäßig, fast alle zwei Jahre, um alte Schulfreunde zu treffen, in Schulen über sein Lebensschicksal zu berichten und Kontakte zu ehemaligen jüdischen Kehlerinnen und Kehlern herzustellen.

Bei einem dieser Besuche kam es zur Begegnung mit Friedrich Peter, damals Geschichtslehrer an der Tulla-Realschule, der über die jüdische Bevölkerung Kehls forschte. Friedrich Peter wusste, dass Fritz Wertheimer kommen würde, fand heraus, in welchem Hotel er unterkommen wollte und suchte ihn schließlich dort auf. Es war der Beginn einer langjährigen engen Freundschaft zwischen den beiden. „Anfangs hatte ich ja quasi nur zu Forschungszwecken Kontakt aufgenommen, aber schnell wurde unsere Beziehung persönlicher“, erzählt der pensionierte Schulrektor. Die beiden Männer schrieben sich regelmäßig Briefe – auch einige davon hat Friedrich Peter dem Stadtarchiv vermacht – und 1999 schickte Fritz Wertheimer seinem Freund per Post sein Jugendbuch mit dem Titel „Die Jungen vom Gusch“, mit einer persönlichen Widmung seines Onkels Lazarus Mannheimer. Er hatte es zusammen mit wenigen Erinnerungsstücken 1939 mit in die Emigration genommen – nur deshalb ist es erhalten geblieben.

Persönliche Erinnerung

Friedrich Peter ist es nicht schwer gefallen, sich von seinem Geschenk zu trennen, das auch gleichzeitig eine persönliche Erinnerung an seinen 2009 verstorbenen Freund Fritz Wertheimer ist: „Ich weiß ja, dass es im Stadtarchiv sehr gut aufgehoben ist“, sagt er. Dort liegen als Erinnerungsstücke an jüdische Bürger bisher nur die Orden, die Julius Wertheimer, Fritz Wertheimers Vater, für seinen Einsatz im Ersten Weltkrieg erhalten hatte. 2001 hat Fritz Wertheimer sie dem Stadtarchiv bei einem Besuch übergeben. Dass die Orden des Vaters nun um das Jugendbuch von Fritz Wertheimer ergänzt wurden, freut Stadtarchivarin Ute Scherb ganz besonders: „Das ist ein einzigartiges Stück der Kehler Geschichte“, betont sie.

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