Uli Führe singt in Kehl
Der blitzgescheite alemannische Poet und Musiker Uli Führe gastiert im Kehler Club Voltaire.
Er fackelt nicht lange und packt sein Bio-Handy aus. Nein! Nicht als Mahnung, selbiges auszuschalten. Das ist hier nicht nötig. Im kuscheligen Salon Voltaire in der Kehler Hafenstraße verkehren Menschen, die – teils am Rotweinglase nippend – intelligent genug sind, um zu wissen, was sich handymäßig bei derlei kulturellen Hochkarätern gehört.
Er hat ein ganz anderes Ansinnen, der Hebel-alemannisch-Schwätzer aus dem Wiesental, (wo man übrigens zu Wiesen wohl „Matte« sait), der knitze Führe-Uli, der an diesem lauschigen und wohl etwas zu warm geratenen Spät-Oktober-Zeitumstellungssamstag noch in seinen Sommerschuhen erscheint.
»Ich ver-Führe euch zum Mitdenken«, scheint sein Credo, und das Bio-Handy aus dem Sägewerk Dold im Dreisamtal ist nichts anderes als eine hölzerne Anmoderation des äußerst wortgewandten Alemannen mit spitzbübischem Augen-Blick auf die kleinen Fehlbarkeiten seiner Mitmenschen – in diesem Bio-Handy-Fall auf die »Sekte der gesenkten Köpfe«, die vor lauter Aufs-Handy-schauen der Welt entrückt zu sein scheinen.
Klar, dass so einer wie er gleich dreifach begrüßt wird: Farideh Nowrousi für den Club Voltaire, Jean-Marie Woehrling vom elsässischen Kulturzentrum und Hans-Ulrich Müller-Russell vom Historischen Verein Kehl sind sich mit Blick auf die gemeinsamen kulturellen Werte darin einig, die grenzüberschreitende Kooperation zu intensivieren.
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Da kommt doch einer wie der Führe gerade richtig. Er doziert – natürlich ohne erhobenen pädagogischen Zeigefinger – über gemeinsame Liedwurzeln im zehn Millionen Alemannen umfassenden Sprachraum.
Kleinlaut muss er zugeben, dass auch Schwaben Alemannen seien und zeigt landsmannschaftliche Unterschiede mit diversen Versionen von »In Mueders Stübele«. Er erzählt und singt vom geschickten Umgang elsässischer Volksliederschmiede beim Verpacken der Sexualität in dadaistisches alemannisches Liedgut – (dies natürlich aber nur, wenn keine Kinder im Saale sind), sinniert über die vom Friesenheimer Kirchenchor besungenen »dreckige Fiiß«, mag keine Buuremaidle – und der Saal säuselt mit. Dann huldigt er dem viel zu früh verstorbenen Schweizer Manni Matter, inzwischen seit 47 Jahren tot und doch noch immer gegenwärtig. Und so einer wie der, der bleibende Spuren hinterlassen hat, imponiert dem Führe – und er schickt ihn in die tunesische Wüste: »El Hammer«!
Saubere Fingerpickings
»‘s goht widder!« Endlich. Nach der Pause mutiert der Führe zu sich selbst. Hervorragende, filigrane Gitarristik, saubere Fingerpickings, fast schon schöne Gänsehaut erzeugende alemannisch-rhythmische Lateinamerikanismen, die Soli oft gepaart mit mitgesungenen Dubidubidaaas oder Bammbammdujos, wortspektakelige Poesie mit viel Hirn, Sinn fürs Hintergründige am Menschsein, eine scharfe Beobachtungsgabe für den Unbill des Mitmenschseins –und vor allem äußerst symbadisch.
Wie die Faust aufs Auge passt der 1957 in Lörrach geborene meist fröhliche, manchmal nachdenkliche, lockerlässige und dann auch wieder überfreche Führe in die heimeligen Räume des Salons Voltaire. Er ist das Fleisch gewordene Wort knitz, das es nur im Süden Deutschlands gibt.
Er ist halt einfach auf liebenswerte Weise raffiniert, schlau, gewitzt, glaubhaft bis ins Mark. Und er erklimmt mit seiner Stimme fast feldbergeske Höhen, rast beim alemannischen Blues auf dem Griffbrett hin und her – fast so schnell wie die mit Lichthupe den 130-Fahrer verscheuchenden Audifahrer auf der Autobahn. Egal, ob er sein Schränkle, die Charlotte ansingt oder Didis Corvette, ob er Gedichte vertont vom pastoralen Intensivqualmer und Führes Landsmann Johann Peter Hebel, über oder für seine Kinder singt – es blubbert mächtig im Whirlpool der alemannischen Wohlbefindlichkeiten.
Und so bleibt nichts weiter als zu betteln: Herr Führe, führe uns bitte in Versuchung, weiterhin so zu babble, wie uns de Schnawwel gwachse isch, denn »Wörter ghöre halt ins Mul«, gell?