Kehl - Bodersweier

Und plötzlich ist der Pfarrer weg

Michael Müller
Lesezeit 3 Minuten
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19. Dezember 2015

Stefan Ritter ist nicht mehr Pfarrer in Bodersweier. ©Archiv

Nach nur knapp anderthalb Jahren stehen die evangelischen Christen in Bodersweier und Zierolshofen wieder ohne Hirten da: Pfarrer Stefan Ritter hat noch vor Weihnachten kurzfristig seinen Dienst quittiert. Seitdem ist er abgetaucht – und lässt eine ratlose Gemeinde zurück.

Ratlosigkeit und Bestürzung kennzeichnen die Reaktionen auf den kurzfristigen Abschied von Pfarrer Stefan Ritter von der evangelischen Kirchengemeinde Bodersweier und Zierolshofen. Mitte Dezember hatte Ritter im Gottesdienst seinen sofortigen Abschied bekanntgegeben. Erst im Juli 2014 hatte er seinen Dienst angetreten, nachdem die Pfarrstelle zuvor gut 20 Monate vakant gewesen war.
Am 20. November hatte Kirchengemeinderats-Vorsitzender Hans-Theo Faller eine Mail mit dem angehängten Kündigungsschreiben erhalten. »Wir waren völlig vor den Kopf gestoßen«, sagt er. Den Mitgliedern des Kirchengemeinderats blieb nicht viel mehr als eine Anzeige ins Amtsblatt zu setzen, in der sie sich bei Pfarrer Ritter und seiner Frau für ihr Tun und Wirken in der Gemeinde und für die sehr gute Zusammenarbeit bedankten und
ihm Gottes Segen wünschten.

Keine Differenzen

Allerdings fehlte bei den Unterzeichnern der Name Fallers. Und auch beim Abschiedsgottesdienst vermisste die Gemeinde ein klärendes Wort des Kirchenältesten. Er sei beruflich unterwegs gewesen und konnte daher nicht befragt werden, ob er die Anzeige mit unterzeichnet, so Faller zur Begründung. Man hätte aber auch genauso gut seinen Namen einfach ungefragt mit druntersetzen können. Und eine formale Verabschiedung habe Ritter nicht gewünscht, so Faller weiter. »Daran haben wir uns gehalten.« Es habe jedenfalls keinerlei Zwist oder Differenzen zwischen ihm und Pfarrer Ritter gegeben, betont Faller. Im Übrigen habe auch er, Faller, im August dafür gestimmt, Stefan Ritter nach Ablauf seines einjährigen Dienstauftrags endgültig zum Gemeindepfarrer zu wählen. Zudem genoss Ritter bei den Gemeindemitgliedern hohes Ansehen wegen seiner gehaltvollen Predigten und seiner Arbeit in der Seelsorge. Und er zeigte Präsenz im Dorf, »was man auch nicht von allen Pfarrern behaupten kann«, so Faller.

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Die Hintergründe

Die Gründe, merkte Ritter im Gottesdienst denn auch an, lägen außerhalb der Gemeinde. Gemeint ist damit offenbar die im Konkordat zwischen der Evangelischen Landeskirche Baden und dem Land niedergelegte Pflicht der Pfarrer, in der jeweiligen Pfarrgemeinde den Religionsunterricht an den Schulen zu übernehmen – eine Regelung, die es übrigens nicht in allen Landeskirchen gibt, auch nicht in der, aus der Pfarrer Ritter kommt. Demnach gab es »Differenzen in Bezug auf die religionspädagogische Qualifizierung« zwischen Oberkirchenrat (OKR) und Pfarrer, wie es Dekan Günter Ihle ausdrückt. Ritter hätte noch einen Nachweis über eine entsprechende Weiterqualifizierung vorlegen müssen. Und dies interpretierte Ritter so, als spräche ihm der OKR die Qualifikation für den Beruf des Pfarrers insgesamt ab.
Das sei jedoch »ein Trugschluss«, findet Reinhard Sutter, Pfarrer in Neumühl. Da Ritter zuvor lange Jahre in Äthiopien gearbeitet hatte, hatte ihm die Landeskirche Sutter als eine Art »Mentor« an die Seite gestellt, um ihm zu helfen, sich zu »akklimatisieren«, in der Landeskirche anzukommen und sich mit den hiesigen Besonderheiten vertraut zu machen. Sutter jedenfalls kann die Gründe für Ritters vorzeitigen Abschied nicht nachvollziehen. »Demnächst muss ich auch den Religionsunterricht am Gymnasium übernehmen«, berichtet er. »Da muss ich auch eine zusätzliche Schulung machen.«

Pfarrer Sutter übernimmt

Und nun? Einstweilen wird Pfarrer Sutter die Vakanzvertretung übernehmen – wie auch schon in der Zeit vor Ritters Dienstantritt. Die Gottesdienste finden wie geplant statt, ebenso die Konfirmation. Der Konfirmandenunterricht wird jedoch bis Mitte Januar ausfallen.
Pfarrer Stefan Ritter selbst ist »abgetaucht«. Das Pfarrhaus ist geräumt, und angeblich ist Ritter nach Frankfurt verreist, wo er ein Haus besitzt. Für eine Stellungnahme war er bis gestern nicht zu erreichen.

Hintergrund

Erklärung von Dekan Ihle

Erklärung von Dekan Günter Ihle zum Weggang von Pfarrer Stefan Ritter (Quelle: Amtliches Mitteilungsblatt der Ortsverwaltungen Bodersweier und Zierolshofen vom 17. Dez./Auszüge):

»Liebe Gemeindeglieder, auch ich habe mit großer Betroffenheit zur Kenntnis nehmen müssen, dass Pfarrer Ritter plötzlich um Auflösung seines Vertrages mit der Badischen Landeskirche gebeten hat. Diese Nachricht hat mich völlig überraschend und auch unvorbereitet getroffen. Pfarrer Ritter hat gute und treue Dienste in Bodersweier und Zierolshofen verrichtet. Daher wurden viele Menschen von diesem Entschluss überrascht. (...)Inzwischen musste ich feststellen, dass es aus Sicht des Ehepaares Ritter zu einer Störung des Vertrauensverhältnisses gegenüber Verantwortlichen unserer Landeskirche gekommen ist. Leider wurde ich erst im Nachhinein von den Betroffenen darüber informiert, sodass ich an den geschaffenen Tatsachen nichts mehr ändern konnte. (...)
Wir werden die Gründe dieses Scheiterns genau reflektieren, um solche Entwicklungen in Zukunft zu vermeiden. Zwar war dem Kirchengemeinderat schon im Frühsommer 2015 die Absicht von Familie Ritter bekannt, so bald wie möglich wieder nach Äthiopien zurückzukehren, was der KGR auf Wunsch der Familie Ritter für sich behielt; deshalb kam es auch (noch) nicht zur geplanten Wahl von Herrn Ritter zum Gemeindepfarrer.
Nachdem sich diese Absicht jedoch nicht realisieren ließ und Herr Ritter dem Evangelischen Oberkirchenrat und mir gegenüber signalisierte, dass er sich ein längeres Bleiben in Bodersweier vorstellen könnte, wurde er vom KGR im August 2015 zum Gemeindepfarrer gewählt. Umso überraschender kam sein jetziger Entschluss, die Gemeinde
zu verlassen. (...)
Im Dekanat haben wir daraufhin rasch gehandelt, um die weiteren Gottesdienste zu versorgen und die pastorale Begleitung der Gemeinde sicher zu stellen. (...) Leider kommt jetzt wieder eine Vakanzzeit auf die Gemeinde zu, über die niemand begeistert ist und über deren Länge keine Aussagen getroffen werden können.
Ich bin mir mit den Verantwortlichen im Evangelischen Oberkirchenrat allerdings einig und habe das in den bisherigen Gesprächen auch schon klar betont, dass wir bald eine dauerhafte Lösung für die Besetzung der Pfarrstelle brauchen. Daran arbeiten wir.«

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