Amtseinführung von Donald Trump: »Die USA sind gespalten«
Heute, Freitag, wird Donald Trump in sein Amt als Präsident der USA eingeführt. Unsere Gutacher Mitarbeiterin Ella Diepen verbringt derzeit ein Parlamentarisches Austauschjahr in Detroit (Michigan). Die 16-Jährige hat sich in ihrem Umfeld umgehört und auch eine eigene Einschätzung zur Stimmung in den USA gegeben.
Die USA sind gespalten. Gespalten vor allem zwischen zwei sehr konträren Ideologien und Wertevorstellungen. Und es gibt nicht viel in der Mitte und meist auch nur wenig Verständnis und erzwungene Toleranz der anderen Seite gegenüber. Die einen denken heute zu Trumps Amtsantritt »Ich habe große Hoffnung und Zuversicht in Trump als Präsidenten und wünsche mir, dass er zu seinem Wort steht und Amerika great again macht« – wie meine 18-jährige Mitschülerin Rowan Thom. Die andere – uns Deutschen sehr viel vertrautere Seite – vertritt die 52-jährige Demokratin Julia Hoffmann: »Mir wird schlecht, wenn ich an die Amtseinführung denke. Ich kann immer noch nicht glauben, dass dieser rassistische, sexistische, narzisstische und hasserfüllte Mensch unser Präsident werden wird.«
»Ich bin sehr enttäuscht, dass unser Land, das sich selbst gern so fortschrittlich und modern gibt, einen Präsidenten gewählt hat, der Frauen und Minderheiten beleidigt und herabstuft. Ich bin auch enttäuscht von unserem politischen System, das einen Mann gewinnen lässt, der nach dem ›Popular Vote‹ weniger Stimmen als seine Kontrahentin hat«, sagt meine politisch sehr interessierte Mitschülerin Maren Roeske.
Die einen erwarten »Intransparenz, Lügen und eine den Big-Business unterstützende Politik« und fürchten sich vor »der Leugnung der Erderwärmung, der Missachtung der Rechte von Frauen und Minderheiten sowie der Abschaffung legaler Abtreibung«, wie Julia Hoffmann sagt, die anderen haben große Hoffnungen in den Politiker, der »Dinge anders macht«, die seine »Entschlossenheit und Hingabe für Amerika und seine Bürger« beeindruckt und die – wie Rowan – überzeugt sind, er wolle niemandem schaden.
Hoffnung auf konservativen Obersten Gerichtshof und Grenzkontrolle
Rowan fiebert der Amtseinführung des neuen Präsidenten entgegen und hofft auf »einen konservativen Obersten Gerichtshof, die Kontrolle der Grenzen, niedrige Steuern und einen Präsidenten für die Mittelklasse Amerikas«. Sie steht allerdings Trumps »dünner Haut« auch etwas kritisch gegenüber und findet, »er sollte etwas mehr denken, bevor er handelt«.
»Er unterstützt weder die Nato noch die Vereinten Nationen, dafür Putin und Russland. Das macht Angst«
»Dieser unstabile und unberechenbare Mensch hat das Sagen über das größte Militär der Welt, das mit all seinen Waffen großen Schaden anrichten kann. Er unterstützt weder die Nato noch die Vereinten Nationen, dafür aber Putin und Russland. Das macht mir Angst«, gesteht Maren. Sie fürchtet auch die Einschränkung ihrer persönlicher Freiheiten und Rechte. »Als eine junge Frau, die bald studieren wird und ausgebildet wird, habe ich Angst, was mir passiert. Wir haben einen sexistischen Präsidenten, der uns mit der Abschaffung des Abtreibungsrechts die Kontrolle und die Bestimmung über unseren Körper nehmen will.«
Julia Hoffmann setzt ihr bisschen Hoffnung auf die Wahl demokratischer und liberaler Kongressmitglieder in zwei Jahren, um Trump zu kontrollieren und seine angekündigte Politik zu verhindern und auf die fortgesetzte Arbeit der demokratischen Richter des obersten Gerichtshofes.
»Erschreckend, wie viele Leute hinter Trumps Sieg stehen«
Mit Trumps Sieg am 8. November letzten Jahres haben Menschen gewonnen, die sich nicht als Teil des Großen und Ganzen verstehen, konservative Ansichten vertreten und meiner Meinung nach die Mentalität von »Erst ich, dann meine Familie und Freunde, dann meine Stadt, mein Land und dann – vielleicht – auch die anderen«.
Und ich finde es sehr erschreckend, wie viele Leute dahinterstehen. Aber auch sehr erstaunlich und irgendwie absurd, wie diese oft sehr netten Leute mit Trumpplakat im Garten oft so ein friedliches und schönes Leben führen. Meist bleiben politisch Gleichgesinnte zwar unter sich, sie sind aber meiner Erfahrung nach oft tolerant gegenüber konträr denkenden, liberalen und demokratischen Menschen, die ihre Ansichten auch äußern.
Ich habe ein bisschen Angst davor, wie es mit dieser Welt weitergeht. Nicht nur wegen Trump und der Entwicklung zu konservativen Schwarz-Weiß-Werten, sondern wegen des globalen Schwenks nach Rechts. Auch weil ich hier von vielen Leuten umgeben bin, die einfach nicht an die globale Erwärmung glauben und sich nicht im Geringsten um Nachhaltigkeit sorgen, Plastiktüten bis zum Umfallen benutzen, für gefühlte zehn Meter ins Auto steigen anstatt zu laufen und deren Obst und Gemüse aufgrund von Genmanipulation und Chemikalien wochenlang wie aus dem Katalog aussieht.
»Amerikaner schauen, lesen und hören nur das, was sie hören wollen«
Ein großes Problem in den USA sehe ich in der Verführung durch spezielle Medien, kombiniert mit den Algorithmen des Internets. Journalismus kann verschiedene Ereignisse einseitig wirken lassen und Menschen manipulieren. Amerikaner schauen, lesen und hören nur das, was sie hören wollen. Konservative Republikaner schauen Fox News, liberale Demokraten lesen die New York Times.
Natürlich scheint uns alles andere falsch und absurd, wenn wir so steif auf einer Meinung verharren und uns nur mit Menschen umgeben und Medien schauen und lesen, die unser Weltbild und unsere Werte teilen. Wir sollten wirklich alle offen für Veränderungen sein, uns andere Meinungen anhören und wahrnehmen und dann selbst entscheiden, was für uns persönlich das Richtige ist. Diese Erfahrung, hier in den USA Menschen kennenzulernen, die in einer so anderen, mir fremden Welt leben als ich, ist manchmal anstrengend, aber definitiv bereichernd.
»Der Großteil unserer Spezies scheint nicht zu realisieren, wie viel Wahnsinn dieser Welt schadet«
Der Großteil unserer Spezies scheint nicht wirklich zu realisieren, wie viel Wahnsinn dieser Welt schadet, solange ihr kleines, schönes Haus noch steht und sie friedlich im Garten mit Freunden Kaffee trinken können. Und das ist ein Stück weit bestimmt gut so, da es sicher sehr anstrengend und deprimierend wäre, ständig all das Leid der Welt auf seinen Schultern zu tragen. Trotzdem glaube ich, sollten wir uns bewusst sein, was los ist. Und natürlich muss nicht jeder Greenpeaceaktivist werden oder Menschen auf Youtube oder auf der Straße über Feminismus, Veganismus, Nachhaltigkeit oder Minimalismus aufklären, aber informiert zu sein und bewusst und nicht mit der Hauptmotivation eines gemütlichen Lebens für sich selbst wählen zu gehen, wäre bestimmt ein Anfang.
Ich hoffe, dass die Amerikaner und irgendwie auch die ganze Welt aus der auf sie zukommenden Erfahrung mit Donald Trump als Präsidenten lernen und einen friedlichen, bewussten, großherzigen und freien Lebensweg wählen. Wir sollten uns nicht von dieser Welt, die mit mehr als zwei Geschlechtern, Homosexualität, Veganismus und täglich neuen Technologien komplizierter geworden ist, abschrecken lassen. Ich hoffe, dass die nächsten vier Jahre hauptsächlich als Lehre gelten und nicht allzu viel Schlimmes passieren muss, um Menschen ihre Augen zu öffnen.