Arbeitsplätze mit ganz besonderen Vorzeichen
Die Lebenshilfe im Kinzig- und Elztal ist die größte Einrichtung für Menschen mit Behinderungen in der Region. Beim zweiten Ortstermin unserer Aktion »Offenes Werkstor« hatten acht Leser die Gelegenheit, hinter die Kulissen der Haslacher Werkstätte zu schauen.
Rund 180 Menschen mit Behinderung haben ihren Arbeitsplatz in der Haslacher Werkstätte der Lebenshilfe an der Mühlenbacher Straße. Vorstandsvorsitzender Fritz Dieterle, der die Besucher begrüßte, stellte vor allem die Besonderheiten dieser Einrichtung heraus, die juristisch korrekt als »Gemeinnützige GmbH (gGmbH)« firmiert, was einige Besonderheiten bedingt. Die Vorteile der gGmbH liegen insbesondere in der Befreiung von Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer sowie in der Berechtigung, Zuwendungsbestätigungen für Spenden auszustellen.
Die Arbeitsplätze sind auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen abgestimmt, die hier regelmäßige Beschäftigung haben und auch entsprechend entlohnt werden. Dass dieser Monatslohn mit rund 400 Euro deutlich über dem Durschnitt vergleichbarer Einrichtungen bundesweit liegt, sei der Lebenshilfe von Anfang an besonders am Herzen gelegen, betont Fritz Dieterle, der seit Gründung des Vereins 1968 im Vorstand mitarbeitet. »Das ist wichtig fürs Selbstwertgefühl und gibt den Beschäftigten einen kleinen Spielraum, ihr Leben selbst zu gestalten«, versichert er.
Wie der Alltag in der Lebenshilfe-Werkstätte aussieht, stellte deren Leiter Berthold Schätzle vor. In Haslach sind Sieb-, Tampon- und Digitaldruck, ein Lettershop für Massendrucksachen und Mailingaktionen, Näherei, Konfektionierung, Prägerei, Lederstanzerei, Kulimontage,- Versand und Lager zu finden, während in Elzach auch Hochfrequenz-Schweißen und im Steinacher Ableger dazu CNCBearbeitung und Metallbearbeitung gehören.
Inklusive Arbeitsplätze
Mehr und mehr kommen inzwischen auch Arbeitsplätze hinzu, die ebenfalls von der Lebenshilfe betreut, aber direkt in Firmen der Region eingerichtet sind. So gibt es inzwischen Mitarbeiter, die in der Gastronomie mithelfen oder an der Supermarktkasse sitzen. Sie bleiben aber weiterhin bei der Lebenshilfe beschäftigt und sozialversichert.
Gezielte Vorbereitung
Wichtig dabei ist, dass die Mitarbeiter eine intensive Vorbereitung auf ihren Arbeitsplatz genießen. Der Berufsbildungsbereich ist eine Art »Lehrwerkstatt«. Jeder Mitarbeiter, der neu in die Lebenshilfe-Werkstätten kommt, erhält dort eine zweijährige Ausbildung. Am Ende der Ausbildung erfolgt in der Regel eine Übernahme in den Arbeitsbereich der LebenshilfeWerkstätten, manchmal auch auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Bestandteil dieser Zeit sind auch praktische Übungen wie der Umgang mit Geld oder das Fahren mit Bus und Bahn.
Dass der Arbeitsplatz bei der Lebenshilfe sich von dem in »normalen« Betrieben unterscheidet, wird auch dadurch deutlich, dass in den Alltag auch Sportangebote oder Krankengymnastik und Logopädie einfließen, manche Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz wechseln, wenn die Konzentration nachlässt.
Hohe Qualität
Berthold Schätzle verweist darauf, dass die Produkte der Werkstätte allen Normen der Qualitätsansprüche der Auftraggeber erfüllen und hier modernste Maschinen genutzt werden, um diese Qualität sicherzustellen. Waren es anfangs nur wenige Artikel vor allem für die Werbung, werden heute Kugelschreiber beispielsweise mit hochwertigen Maschinen mehrfarbig bedruckt oder Feuerzeuge mit jedem beliebigen Firmenlogo ausgeliefert. In Hochzeiten vor Weihnachten verlassen allein Haslach um 150 Lieferungen pro Tag. Um 16000 Kugelschreiber täglich werden allein in Haslach montiert.
Die Werkstätten sind ein Teilbereich der Lebenshilfe. Viele andere kommen hinzu. So ist die Lebensbegleitung von Menschen mit Behinderung ebenfalls wichtiger Bestandteil, wird in der »Wohnschule« trainiert für die erste eigene Wohnung, erhalten Eltern und Angehörige vielfältige Unterstützung, ist im »Club 82« zudem ein breites Freizeitangebot organisiert.