Belgische Pfadfinder leben in Pfahlbauten
Obwohl sie ihr Lager hoch auf dem Berg aufgeschlagen haben, fielen sie immer wieder auch bei ihren Exkursionen im ganzen Kinzigtal auf: die belgischen Pfadfinder mit ihren blauen Hemden, die den Schwarzwald während zwei Wochen intensiv erleben.
Luchs und Wolf im Kinzigtäler Wald? Noch viel mehr als das: Bären, Gemsen, sogar ein Elch und ein Schneeleopard tummeln sich derzeit auf einer Waldlichtung hoch über dem Neuenbach. Letzterer heißt Joscha Godts. Er wurde mit zwölf Jahren zum Schneeleoparden und wird das ein Leben lang bleiben. Der Medizinstudent aus Braine-l’Alleud (20 Kilometer südlich von Brüssel) ist Stammesführer der belgischen Pfadfinder, die ihre Zelte auf einer Wiese des Philippenhofs hoch über dem Neuenbach aufgeschlagen haben.
Und was für Zelte. Die genialen Pfahlbauten schützen die Zelte vor Nässe von unten und bieten gleichzeitig eine trockene Aufenthaltsfläche. Die neun Leiter kamen schon am 20. Juli, um sich ihre Pfahlbauvilla zu bauen. Die 52 Jungs im Alter von zwölf bis 14 Jahren reisten nach – und auch ihre erste Aufgabe war, sich ihre Behausungen selbst zu bauen. Am vergangenen Samstag war Abnahme – gekrönt von einem Spanferkelessen, zu dem auch die ehemaligen Hausacher Pfadfinder eingeladen waren.
Über sie kam auch der Kontakt zustande. Joscha Godts und sein älterer Bruder Adrian, der das Lager als Koch verstärkt, waren oft bei ihrer Oma in Fischerbach in den Ferien. Joscha hatte mitbekommen, dass die Hausacher Pfadis sich gerade wieder neu generieren. »Tobias Kamm hat uns gleich diese Lagerwiese besorgt«, freute sich Joscha Godts.
Ein echter Glücksfall für die jungen Belgier. Roswitha und Konrad Schmid stellten nicht nur den Lagerplatz kostenlos zur Verfügung (»bei uns in Belgien ein Ding der Unmöglichkeit), sie durften auch die 150 Stangen für die Zelte im Wald schlagen, der Philippenhof ist Postannahmestelle und Handyaufladestation, Standplatz für die Kühlschränke und Bäckerei. Das Bauernbrot, von dem die Jungs Unmengen vertilgen, können sie direkt im Hof beziehen. »Wenn man hier um etwas bittet, bekommt man immer das Doppelte«, beschreibt Joscha die »unglaubliche Freundlichkeit der Kinzigtäler«.
Handys dürfen übrigens nur die Leiter dabei haben, für die Lagerteilnehmer sind sie tabu. »Wir wollen nicht, dass sie zu Hause anrufen können, das macht nur Heimweh«, sagt der erfahrene Leiter. Heimweh kann es schon einmal geben, wenn Stadtbuben in der freien Natur leben und plötzlich Dinge tun müssen, die sie noch nie in ihrem Leben getan haben. Zum Beispiel das Wasser in Kanistern vom Brunnen den Berg hinauf schleppen.
65 Jungs und zwei Mädels
Die einzigen weiblichen Wesen sind übrigens zwei Köchinnen in der sechsköpfigen Küchenmannschaft. »Die brauchen wir nicht nur zum Kochen. Wenn etwas weh tut, gehen die Buben viel lieber zu einer Frau«, schmunzelt Joscha. Und das, obwohl er angehender Arzt ist.
Ihre Tiernamen müssen sich die Pfadfinder übrigens verdienen. Die Leiter suchen für jeden Jungen ein passendes Tier und eine passende Prüfung aus: »Etwas, das sie fordert, das sie aber gut schaffen können.« Jungen, die aus dem Alter als Teilnehmer herausgewachsen sind, dürfen ein Jahr lang als Pionier die Leitungsrolle lernen und werden dann in die Leitungsgruppe integriert.
Und gefällt den jungen Belgiern im Schwarzwald am allerbesten? Die Leiter um Joscha sind sich einig: die super Aussicht und die Tochter des Bauern!