Blick in die verletzten Seelen
Bilder mit Porträts geflohener Menschen samt den erschütternden Geschichten ihrer Flucht zeigt die Fotografin Ingrid Vielsack in der evangelischen Stadtkirche. Am Sonntag wurde die Ausstellung mit einem Gottesdienst eröffnet.
Mit einem Gottesdienst in der voll besetzten evangelischen Stadtkirche wurde am Sonntag die Fotoausstellung »Schau mich an« mit Bildern aus der Flüchtlingsarbeit der Kehler Fotografin Ingrid Vielsack eröffnet. 23 Porträts von Flüchtlingen samt ihren Schicksalen hat die Fotografin an den Wänden der Kirche versammelt – alle in schwarz-weiß, »um nicht mit Farbe von der Dramatik der Bilder abzulenken«, wie sie sagt. Martin Hartmann mit seiner Flüchtlings-Gitarrengruppe begleitete den Gottesdienst musikalisch.
Bereicherung für die Gesellschaft
»Wir haben geflohenen Menschen viel zu verdanken«, stellte Pfarrer Christian Meyer in seiner Predigt fest. Gleich nach dem Zweiten Weltkrieg hätten Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten die Haslacher evangelische Gemeinde maßgeblich gestärkt; in den 80-er Jahren seien die vielen Russlanddeutschen hinzugekommen. »Meine Generation, die nur den Frieden kennt, kann sich gar nicht vorstellen, was Flüchtlinge durchmachen mussten und müssen«, betonte er. Immer, wenn irgendwo Gewalt und Unrecht geschehe, seien Menschen in Bewegung. »Fremdlinge sollt ihr nicht unterdrücken«, zitierte er aus dem Alten Testament. Unsere Gesellschaft werde auch heute wieder bereichert durch Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten.
Tägliche Bilderflut
»Fast jeden Tag werden wir mit erschütternden Bildern überschüttet«, erklärte Ingrid Vielsack. Ihre Ausstellung zeige mit Bedacht keine grausamen, vordergründig erschütternden Bilder. Seit drei Jahren suche sie den Kontakt mit geflüchteten Menschen aller Generationen, denen sie mit ihren Bildern ein Gesicht geben will. In Interviews hat sie deren unglaublichen Geschichten aufgeschrieben – ohne Vorurteile oder Wertungen.
Erschütternde Schicksale
»Die Menschen haben mir ihre verletzte Seele gezeigt«, stellte sie fest. Aber sie verschwieg auch nicht, dass feindselige Stimmung bei uns immer mehr Platz greife. »Keiner gibt freiwillig seine Heimat auf«, versichert sie und erzählt erschütternde Geschichten von vor Grausamkeit fliehenden Menschen und auseinandergerissenen Familien, aber auch von Hilfsbereitschaft, die diese Menschen bei uns erfahren.
Weitere Helfer gesucht
Stefanie Brüske berichtete vom Haslacher Arbeitskreis Flüchtlinge und appellierte an die Gemeinde, bei der Flüchtlingsarbeit mitzuhelfen. Mit Manuel de Fallas »Spanischem Tanz Nr. 1« leiteten Johanna Bergsträsser (Violine) und Noah Roloff (Klavier) virtuos zum gemeinsamen Rundgang durch die Ausstellung über, der von vielen Besuchern genutzt wurde.
Die Fotoausstellung »Schau mich an« in der evangelischen Stadtkirche ist bis zum 5. Juni zu sehen. Öffnungszeiten: Montags bis freitags von 9 bis 12 Uhr. Der Eintritt ist frei.