Christian Bormann begeistert im »Haus der Musik«
Kongenial am Klavier begleitet von Florian Ludewig präsentierte Christian Bormann vor fast vollem Haus der Musik sein Programm »Deutschland privat«. Der Schauspieler, Sänger und Theatermacher aus Almke bei Wolfsburg, nahm sich Deutschland vor – aus sehr privater Sicht.
Sachte und mit verhaltener Tragik in der Stimme beginnt Christian Bormann mit einem Gedicht, das Erich Kästner 1931 geschrieben hat: »Sie stehen verstört am Potsdamer Platz . . .« Den ganzen Lauf einer Liebe vom ersten Date bis zum endlichen Scheitern enthält dieses ergreifend vorgetragene Gedicht. Dann stockt er, wühlt in seinen Papieren und fragt seinen Pianisten, wie’s weitergehe im Programm. Dabei wird man den Verdacht nicht los, die ganze Unsicherheit ist gespielt, gehört zum Programm.
Eigentlich habe er sein Programm anders, griffiger nennen wollen. »Sperma und Spargelbuden« etwa, weil er die Alliteration so liebe. Aber das habe er sich dann doch nicht getraut. Und so erzählt er munter drauflos, immer wieder von alten Schlagern unterbrochen: Vom guten Jackett seines Vaters, das die Mutter vor dem Krematorium gerettet und ihm vermacht hat, von urkomischen Gesprächsfetzen einer älteren Damengruppe, die er im Zug belauscht, von der Ausbildung des Hundes Silke zum Neuköllner Trüffelhund, vom abenteuerlichen Klopapiereinkauf beim Schlecker und von der unverdrossen das Horst-Wessel-Lied singenden Marlies in Almke.
Ausladende Gesten
Unvermittelt schmettert er in den höchsten Tönen und mit ausladenden Gesten »O sole mio« – und vermischt es, ziemlich unverfroren, aber homogen, mit Händels »Largo«. Ein zufällig gefundener alter Brief einer verstorbenen Mutter an ihren hinterbliebenen Sohn wird zum Kabinettstückchen unfreiwilliger gefühlsschwerer Komik: »Mach öfter mein Grab sauber, dass ich nicht im Kraut stecke.« Und dann zeigt er elegante, hochhackige Damenschuhe vor, die er in einer Berliner Flüchtlingsunterkunft gefunden hat: »Bei allem, was die durchgemacht haben, schmücken sie sich doch für den Augenblick.«
Verliebter Tauber
Der alte Schlager, »Ich weiß, was dir fehlt« geht übergangslos in eine Opernarie über – und wieder zurück und mit vor Rührung erstickender Stimme wird ein verliebter Tauber bemüht: Inbrünstiger hat wohl noch keiner schieren Gefühlskitsch zelebriert, das hat zweifellos kabarettistische Qualitäten.
Aber, nach der Pause, kommt’s noch dicker: Da wird die Liebe eines Mädchens und eines Matrosen beschworen, mit viel Schmelz in der Stimme am Lago Maggiore geträumt – und über die Ökos in der Uckermark mit ihrem Vollmondtanz zur Ukulele hergezogen. Auch mitten hinein in die Benediktinerabtei Neresheim mit ihrem Geldwäscheverdacht nimmt Bormann die Zuhörer mit, um dann, es ist inzwischen bereits elf Uhr, mit dem schmachtenden Lied »Seemann, deine Reise ist zu Ende« zum Schluss zu kommen. Aber das Publikum hat noch immer nicht genug – und erfährt die Rührung des Abends: Mit »Rosemarie, sieben Jahre mein Herz nach dir schrie« lassen die beiden ihr Publikum endgültig allein.
Am morgigen Mittwoch tritt Christian Bohrmann im evangelischen Gemeindehaus in Hausach auf und am Donnerstag, 13. Oktober, im Gasthaus »Zum Wilden Mann« in Welschensteinach. Beginn ist jeweils um 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.