Das schwierige Leben in einem Körper mit »Herrn Parkinson«
»Das ist wie Achterbahnfahren: Man weiß nicht, wo die Reise hingeht«: Seit drei Jahren lebt der heute 51-jährige Ralf Schuster mit Parkinson. Im Gespräch erzählt er von seinen Erfahrungen und macht anderen Patienten Mut: »Lebt euer Leben weiter, auch wenn’s schwerfällt!«
Diagnose: Parkinson. Und dann? »Viele isolieren sich«, weiß Ralf Schuster aus eigener Erfahrung. Er war 48, als er vor drei Jahren selbst die Diagnose erhielt. Inzwischen war er schon zum zweiten Mal in der Parkinson-Klinik Ortenau in Wolfach, von der er in den höchsten Tönen schwärmt. Im Gespräch mit dem Offenburger Tageblatt gibt er Einblick in sein Leben – um sich der eigenen Situation zu stellen und anderen Mut zu machen.
Vor der Krankheit: Ein Leben wie im Bilderbuch
Seit 30 Jahren glücklich verheiratet, Vater von zwei erwachsenen Kindern, sportlich aktiv und beruflich erfolgreich: »Es lief alles bilderbuchmäßig.« Der gelernte Maschinenbauer aus Oftersheim bei Mannheim leitet die Schlosserei eines größeren Betriebs. Im Juli 2013 spürte er: Irgendetwas stimmt nicht. Parkinson war in seiner Familie nie vorgekommen. Darum schloss sein Neurologe das kategorisch aus und behandelte stattdessen die Karpaltunnel – bis die Krankenkasse nicht mehr bezahlte. Schuster ging zu einer anderen Neurologin in Schwetzingen. Allein aufgrund seines Gangs habe die sofort erkannt: Tremor oder Parkinson.
Die Vermutung wich bald der Diagnose. »Das hat mir so richtig die Füße weggezogen.« Zukunftsängste machten sich breit. »Ich habe erstmal versucht, das zu verschweigen.« Niemand sollte es erfahren, nicht einmal die Familie. Stattdessen las Schuster viel über die Krankheit – doch das habe die Angst nur noch vergrößert. Darum vertraute er sich nach und nach doch den Familienangehörigen, den Freunden und schließlich den Arbeitskollegen an. Nicht immer mit positiver Resonanz: Viele Freunde und Bekannte von einst hätten den Kontakt abgebrochen. Auch beruflich macht sich die Krankheit bemerkbar: »Ich habe das Gefühl, man möchte mich loswerden.« Dabei will Schuster aktiv bleiben und auch arbeiten – so, wie es die Tagesform zulässt.
Kein Zittern, aber der Körper versteift
Das typische Zittern hat Ralf Schuster nicht: Parkinson löst bei ihm stattdessen eine Steifigkeit im Körper aus. Ausgehend vom Arm ist vor allem die rechte Körperhälfte betroffen. Manchmal fühle sich der Arm an wie Ballast, der nicht zu ihm gehöre. Im November 2014, als er zum ersten Mal nach Wolfach kam, hatte er zudem Probleme mit dem Sprechen. »Da war ich an einem Tiefpunkt.« Nicht nur die Krankheit selbst bedeutet für Parkinsonpatienten Einschränkungen: »Die Medikamente verändern das Wesen.« Vorübergehend sei er spielsüchtig geworden, habe im Internet Geld verzockt. Eine Gefahr, die gebannt ist: Gemeinsam mit seiner Frau Ina habe er »rechtzeitig die Notbremse gezogen«.
Familie ist im Umgang mit der Krankheit einen große Stütze
»Man muss sein Leben neu ordnen«, weiß Schuster heute. Das schaffe man aber nicht allein. Darum ist er dankbar für die Unterstützung seiner Frau, seiner »zwei super Kinder« Florian (28) und Katharina (21), seiner Tante Maria Kulig und auch der Freunde, die er seit der Diagnose Parkinson neu hinzugewonnen hat. Trotzdem habe er immer wieder depressive Phasen, gesteht Schuster. Dann blickt er auf seinen rechten Unterarm. Bewusst hat er sich dort einen Motivationssatz tätowieren lassen: »Fang jetzt an zu leben und zähle jeden Tag als ein Leben für sich.«
Trotz der schwierigen Phasen: Nicht aufgeben
»Der ›Herr Parkinson‹, der lebt in mir, der ist ein Teil von mir«, sagt Schuster. Die Oberhand aber, die soll »Herr Parkinson« nie gewinnen. »Ich will normal mein Leben weiterführen mit der Krankheit.« Negative Einflüsse müsse man abstellen, offen mit der Krankheit umgehen, will er Betroffenen mit auf den Weg geben: »Lasst euch nicht unterkriegen. Es geht immer weiter!«
INFO: Zweimal – im November 2014 und im Oktober 2016 – war Ralf Schuster inzwischen in der Parkinson-Klinik in Wolfach. Künftig will er jährlich wiederkommen: »Ich bin rundum glücklich hier.«
Ausgleich Kunst
»Tun, was man gern macht« ist einer der Tipps, die Ralf Schuster aus seinen Aufenthalten in Wolfach mitgenommen hat. Handfeste Ergebnisse: seine detailverliebten Metallfiguren.
Schrott, Schrauben, alte Kugellager – »da bastel’ ich was draus«. Hobby und Zeichen zugleich sind die Figuren: »Ich kann noch viel, wenn’s auch langsamer geht. Damit lässt sich zeigen, was ein Parkinsonkranker noch bewältigen kann.« Mal komplex wie der Holzfäller oder die Hexe, mal gewagte SM-Figuren, mal schlichte »Würmchen« – Hingucker sind die Teile allemal. Bis zu 30 Stunden arbeitet er an einem Stück. Keines davon wird es doppelt geben. Noch ist die Kunst Zeitvertreib, irgendwann will Schuster aber vielleicht auch Auftragsarbeiten erledigen.