Eine in Worte gefasste Tragödie
An die Tragödie vor der italienischen Insel Lampedusa, als am 3. Oktober 2013 eine überfülltes Flüchtlingsschiff kenterte und knapp 400 Menschen ertranken, erinnerte am Mittwoch eine szenische Lesung in der Stadtbücherei.
Haslach. »Es ist eine in Worte gefasste Tragödie«, kündigte Dorothea Brust-Etzel vom Caritasverband die ungewöhnliche Veranstaltung am Mittwoch an. Margarete Kopf, Martin Oechsle, Gerhard Lück, Gerhard Schrempp, Mechthilde Neumaier und Techniker Sven Feuser gaben in der Stadtbücherei eine mit Musik und erschütternden Bildern unterlegte szenische Lesung von der Flüchtlingstragödie vom 3. Oktober 2013. Damals ließen 370 Menschen vor Lampedusa ihr Leben. »Wir möchten damit zur Sensibilisierung für das Flüchtlingselend beitragen«, schilderte Brust-Etzel die Motivation für den Abend.
Der mit erschütternden Bildern vom Flüchtlingselend an der italienischen Insel Lampedusa und mit eindringlicher Musik von Francesco Impastato unterlegte Text von Umberto Riccò begann mit den schlichten Worten: »Es geschah am 3. Oktober in der Dämmerung auf einem 50 Meter langen Boot.« Das mit über 500 Flüchtlingen aus Nordafrika überladene Boot war unmittelbar vor der rettenden Insel gesunken. Fischerboote, die in der Nähe waren, halfen den Ertrinkenden – oder auch nicht, denn die Hilfe für illegale Einwanderer steht in Italien nach wie vor unter Strafe. »Es waren hunderte von Menschen, die sich im Wasser an alles klammerten«, berichtete ein Fischer. Einen nach dem anderen, so viele sie konnten, zogen sie in ihre Fischerboote. Aber es waren zu viele.
Alle kamen zu Wort bei dieser Lesung: Überlebende Flüchtlinge, Touristen, Fischer, Anwohner und die Bürgermeisterin vom Lampedusa. Diese beklagte, dass helfende Fischer sogar wegen Menschenhandels angeklagt worden seien: »Das Gesetz fordert von den Fischern, sich unmenschlich zu verhalten.« Vom »Anblick, der einen das Blut in den Adern gefrieren ließ« berichtete ein Taucher der Zollpolizei über das mit Leichen übersäte, gesunkene Boot in 47 Metern Tiefe. »Hätte man nicht mehr von ihnen retten können?«, fragt er sich seitdem. Sicher, aber die Küstenwache blieb untätig und versteckte sich hinter Vorschriften und die Fischer mit ihren kleinen Booten waren überfordert.
»Wo war das Europa der Menschenrechte?«, fragte auch die Bürgermeisterin. »Es ist ein Horror, eine Schande, so etwas können wir nicht mehr ertragen!« Und der Präsident der Region Sizilien stellte fest: »Wir haben das Wort Solidarität vergessen«. Bis heute stehen etliche Fischer unter Schock, wagen es kaum mehr, aufs Meer hinauszufahren.
Was hat sich seit dem 3. Oktober geändert? Die Italiener haben mit der Aktion »Mare Nostrum« 120 000 Menschen aus dem Meer gefischt. Diese wurde von Europa nicht unterstützt und eingestellt. Jetzt übernimmt Triton die Seeüberwachung – allerdings ohne ausreichende Rettungsmöglichkeiten.
»Nationale Aufgabe«
Im Anschluss an die Lesung berichtete die Wolfacher Bundestagsabgeordnete Kordula Kovac von ihrem Besuch mit dem Petitionsausschuss in Süditalien und den dort völlig überlasteten Lagern. Sie nennt die Aufnahme von Flüchtlingen »nationale Aufgabe«. Ein Betroffener, der über Lampedusa nach Deutschland gekommen ist, gab einen kurzen Bericht über seinen Leidensweg. Er lebt derzeit in Wolfach und bedankte sich für die Hilfe und die Aufnahme.