Christian Firus: »Glück kann jeder lernen«
So viele Bücher wurden in der Hausacher Mediathek noch nie weggeräumt, um Platz zu schaffen für die Gäste einer Lesung. Rund 120 Besucher – etwa 95 Prozent Frauen – wollten sich am Donnerstagabend mit dem Glück und mit Christian Firus verabreden.
Brandaktuell klingen die ersten Seiten von Christian Firus’ Buch »Verabredung mit dem Glück«. Sein Vater beschreibt die Flucht aus Ostpreußen, die er als Fünfjähriger miterlebt hat. Wie dessen Mutter mit vier Kindern Hals über Kopf ihr Gut verlassen musste, während der Vater im Krieg war, wie die Flüchtlinge in ein Schiff gepfercht wurden, wie die kranke Schwester mangels Medikamente starb.
Und der Sohn, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, erläutert viele Jahre später auf wissenschaftlicher Basis, wie es möglich ist, solche tragischen Erlebnisse zu überwinden, ohne daran zugrunde zu gehen.
Eine wichtige Kraftquelle für die seelische Gesundheit sei das »Vertrauen ins gefährdete Leben«, das seine Großmutter dem Jungen immer wieder mit ihrem »Wir schaffen das gemeinsam« genährt hat.
Kraft der Imagination
Für die Beschreibung der nächsten Kraftquelle erinnert Christian Firus an das Erlebnis eines 70-Jährigen, der auf einem kleinen Eisvorsprung in einer Gletscherspalte überlebt hat, bis er nach sechs Tagen gerettet wurde. Er hat sich im Dämmerzustand Leckereien eingebildet und sich mit jedem kleinen Stück Schokolade vorgestellt, eine Tasse heiße Schokolade zu trinken. »Die Kraft der Imagination ist eine Quelle, die wir alle haben, aber oft nicht kennen«, sagt Firus, dass das Gehirn nicht unterscheide zwischen dem, was wir erleben und dem, was wir uns vorstellen: »Im Leistungssport heißt das mentales Training!«
Die Palme, die mit einem Stein in ihrer Krone über sich hinaus wächst oder die Welpen, die zu Alphatieren werden, weil sie fürs Sattwerden mehr leisten mussten als ihre Artgenossen dienen Firus als anschauliche Bilder, wie man an den eigenen Stärken wächst. Eltern, die ihren Kindern alles aus dem wegräumen, machen sie nicht glücklich. Dieses Ziel wird erreicht durch Herausforderungen annehmen und bewältigen.
Firus hatte noch viele weitere Rezepte, »wie ein Blumenstrauß, aus dem sich jeder die Blumen herausnehmen soll, die zu ihm passen«. Eine Blume stellt die Verbundenheit untereinander dar, weil der Mensch als soziales Wesen Kontakte braucht, die es zu suchen gilt. Eine weitere Blume steht für den Verzicht: »Häufig sind wir randvoll, es passen selbst die schönsten Dinge nicht mehr rein. Dann braucht es den Verzicht, um zu erfahren, was wirklich wertvoll ist!«
Glück als Schulfach?
Auch auf die Fragen aus dem Publikum ging Christian Firus gern ein: Selbstverständlich könne aus einem Pessimist ein Optimist werden. Das Gehirn könne sich als flexibelstes Organ bis ins hohe Alter noch verändern. Auf die einfache Frage einer Lehrerin, warum es Glück – oder das Erreichen von Lebenskompetenz –noch nicht als Schulfach gibt, antwortete er mit der einfachen Antwort: »Das frage ich mich auch!«
Und wer nun den Tipp beherzigt, ein Glücktagebuch zu führen, der hat möglicherweise gleich das Erlebnis dieses Abends eingetragen.
Wo sind die Männer?
Wo waren eigentlich die Männer an diesem Abend, an dem das Publikum zu rund 95 Prozent aus Frauen bestand? Sind sie bereits glücklich oder glauben sie nicht daran, es noch zu werden? »Männer haben Angst, sie sind eigentlich das schwache Geschlecht«, antwortet Christian Firus auf die Frage unserer Zeitung: »Männer begeben sich eher in die Sucht als in die Therapie«, sagt er aus eigener Erfahrung.