Hausacher Stadtschreiber gekürt
Am vergangenen Wochenende tagte die Hausacher Leselenz-Jury, am Mittwoch wurden die drei neuen Hausacher Stadtschreiber bekannt: Silke Scheuermann aus Offenbach, Thorsten Nesch aus Leverkusen und Marie T. Martin aus Köln werden für drei Monate zu »Wahl-Hausachern«.
»Für mich schließt sich ein Kreis«, strahlte Silke Scheuermann gestern förmlich durchs Telefon. Zum ersten Mal überhaupt hatte sie sich um ein Stipendium beworben und niemals damit gerechnet, das das gleich klappen würde. Warum gerade in Hausach? »Ich hatte genug von den Reisen und den vielen Städten, da habe ich mich erinnert, wie herrlich ruhig es in Hausach ist«, sagt sie – und ihren jungen Hund kann sich auch mitnehmen. Der Kreis schließt sich, weil sie vor zwölf Jahren als ganz junge Lyrikerin bei der Eröffnungsveranstaltung zum Hausacher LeseLenz mit Elisabeth Borchers lesen durfte. Sie erinnert sich an »unglaublich freundliche Leute und ein riesiges Interesse an der Literatur«.
»Wenn es eine zärtliche Wortgenauigkeit gibt, dann bei Silke Scheuermann. Sie schöpft dabei fantasievoll Bilder, die scheinbar flüchtig daherkommen und es doch verstehen, den Leser innehalten zu machen und gängige Alltagsklischees aus ihren Angeln heben«, heißt es in der Begründung der Jury. Die Autorin hat sowohl Lyrik als auch Prosa veröffentlicht, wurde vielfach ausgezeichnet und will im Sommer Schwarzwald an ihrem neuen Roman arbeiten.
Ebenso groß war die Freude gestern bei Thorsten Nesch: »Ich habe heute ein Dauerlächeln«, freut sich der Vater dreier Kinder auf die drei Monate, in der er die Ruhe und die finanzielle Sicherheit hat, um an seinem neuen Jugendbuch zu arbeiten. Die Idee, für die er gerade recherchiert, »verträgt sich nicht mit einem großstädtischen Umfeld«. Dass damit erstmals auch noch eine Poetik-Dozentur für Kinder- und Jugendliteratur an der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe verbunden ist, sei für eine »tolle Sache«.
»Ein fulminanter Jugendroman, ein Roadmovie bester Sprachcouleur. Kein gewollt imitierender Jugend-Slang, vielmehr das Lebensgefühl einer »To-cool-for-school-Generation«, begründete die Jury die Wahl des Romans » Joyride Ost«, mit dem sich Nesch beworben hatte.
Gisela-Scherer-Stipendium
Marie T. Martin haben wir gestern nicht erreicht. Sie wird nach Odile Kennel und Thomas Rosenlöcher die dritte Gisela-Scherer-Stipendiatin (siehe Stichwort). »Sie weiß um die Hilfs-Konstruktion Zeit, um deren vermeintliches Zeugnis und wundet Vers um Vers die Entblößungen ihres Uhr-Diktates aus«, schreibt José F. A. Oliver, der Lyrik-Experte in der Jury.
Sie schreibe »Gedichte, die nicht so tun als ob, sondern zeigen, was sie wissen: Dass der Kalender nur einen Tag kennt – das, was sich bündelt im Augenblick der Wahrnehmung«. Da Marie T. Martin aus Köln in Freiburg geboren ist, wird sie in etwa wissen, was sie im Schwarzwald erwartet.
Die drei Autoren werden am Donnerstag 10. Juli, am Vorabend des Hausacher LeseLenzes (9.–18. Juli) mit einer kleinen Feier in Hausach begrüßt.
Frage und Antwort
Die Antworten auf den »Literarischen Fragebogen«, den die Bewerber um die Hausacher Literaturstipendien mit einreichen müssen, trägt für die Jury »nicht unwesentlich zur Entscheidung bei«. Hier eine kleine Auswahl der Antworten:
Empfinden Sie Zufriedenheit als etwas Verstörendes?
- Silke Scheuermann: »Nein! Als Vorstufe zum Glück«
- Thorsten Nesch: »Nein, als Ruhe zwischen Extremen«
Was haben Sie noch nie verstanden?
- Marie T. Martin: »Warum hier so wenig Platz für die Antwort ist«
- Silke Scheuermann: »So richtig: das Internet und wer das macht«
Wo haben Sie das Gefühl, völlig fehl am Platz zu sein?
- Thorsten Nesch: »Im Baumarkt«
- Marie T. Martin: »In der Warteschlange für den neuesten Mercedes«
Drei Stipendien
Zur 750-Jahr-Feier hatte die Stadt Hausach in Kooperation mit der Neumayer-Stiftung 2009 erstmals zwei Arbeits- und Aufenthaltsstipendien im Molerhiisle ausgeschrieben – einen in der Sparte »Lyrik oder Prosa« – einen, um den Bereich »Literatur für Kinder und Jugendliche« zu fördern. Das »Gisela-Scherer-Stipendium« soll die Erinnerung an die LeseLenz-Mitbegründerin Gisela Scherer, die 2010 verstorben ist, lebendig halten. Dieses Stipendium finanziert der Förderverein Hausacher LeseLenz. Die Jury besteht aus Leselenz-Kurator José F. A. Oliver, Ulrike Wörner (Friedrich-Bödecker-Kreis) und Robert Renk (8tung Kultur, Innsbruck/Österreich)