Hitzerekord auch im Bahn-Abteil
Auch die vielen Pendler in den Zügen auf der Schwarzwaldbahn leiden unter der Sommerhitze. Unsere Mitarbeiterin ist selbst mitgefahren und berichtet »live aus dem Sauna-Abteil«.
Im Zug ist es unerträglich schwül, die Luft zum Schneiden stickig und es riecht streng nach einem Gemenge von Essen, Parfüm und menschlichen Ausdünstungen. Die nassgeschwitzten Fahrgäste fächeln sich mit Zeitschriften und sonstigen festeren Papieren Luft zu, um das Ganze etwas erträglicher zu gestalten.
Wir befinden uns nicht in der dritten Klasse eines Waggons der indischen Eisenbahn, sondern im Interregio-Zug von Karlsruhe nach Konstanz. Hoch Annelie treibt die Temperaturen in fast noch nie dagewesene Bereiche, und Deutschland stöhnt unter der Hitzewelle. Bereits vor fünf Jahren gab es im Sommer 2010 extreme Schwierigkeiten, als reihenweise die Klimaanlagen in den Zügen der Deutschen Bahn ausfielen – und man fragt sich, was die Verantwortlichen daraus gelernt haben. Sollten Verbesserungen erfolgt sein, in diesem, und nach Aussage vieler Bahnreisender auch in zahlreichen anderen Zügen, ist leider nichts davon zu spüren.
Gefühlt sind es mindestens 45 Grad im zweitletzten Wagen, obere Etage. Mein Nachbar hat ein Handy mit Temperatursensoren und verkündet den schockierenden Wert: 37 Grad! Zwei junge Frauen haben sich bis an die Grenzen des moralisch Vertretbaren entblättert und berichten, dass sie den Schaffner auf die Klimaanlage angesprochen hätten.
Bahnprofi mit Fächer
Nach seiner Aussage sei technisch lediglich ein Runterkühlen von fünf Grad Unterschied zur Außentemperatur möglich. Es tue ihm leid, aber mehr sei nicht drin. Und da sich der Zug von Karlsruhe bis Hornberg fast nur in der prallen Sonne bewegt, erscheinen die 37 Grad durchaus realistisch.
Eine ältere Dame aus Köln ist bestens vorbereitet und wird um ihren effektiven, original spanischen Fächer von allen beneidet. Sie lächelt, als sie als »Bahnprofi« bezeichnet wird. Die gegenüber sitzende junge Mutter muss noch bis Donaueschingen im Zug bleiben, und ihre beiden kleinen Mädchen mit hochroten, verschwitzten Köpfen verlieren so langsam die Abenteuerlust am Reisen und beginnen zu nörgeln.
Die Mama ist heilfroh, genug zum Trinken dabei zu haben und versucht, ihre Sprösslinge mit Vorlesen bei Laune zu halten. Dann betritt der Schaffner den Wagen – allerdings nicht zum Kontrollieren der Fahrscheine, sondern zum Öffnen der Fenster. Das ist normalerweise nicht möglich, doch er hat einen Spezialschlüssel und nimmt das auf seine eigene Kappe.
Nach Meinung aller Fahrgäste des Abteils hat er sich die erst kürzlich ausgehandelte Lohnerhöhung damit allemal verdient. Dazu schwitzt er in seiner offiziellen Berufskleidung mit langer Hose, Hemd, Krawatte und Weste bestimmt noch mehr als wir und bleibt trotzdem weiterhin absolut freundlich und hilfsbereit. Und das, obwohl aufgrund der Temperaturen bestimmt einige Fahrgäste mehr oder weniger gereizt auf ihn als einzigen greifbaren Vertreter der Bahn unwirsch reagieren und ihn dementsprechend behandeln. Der Zug steht 20 Minuten in Achern – wegen einer »Störung im Betriebsablauf« – was immer das auch heißen mag, vermutlich ist es ihm auch einfach zu heiß. Und so gibt der Zugbegleiter freundlich über nachfolgende Anschlüsse Auskunft, während er Fenster für Fenster ein Stück öffnet und den Bahnkunden etwas Erleichterung verschafft.
Lippenbekenntnisse
In Hausach angekommen verlassen die Fahrgäste der ersten beiden Wägen relativ entspannt den Zug. Hier funktionierte die Kühlung und Frischluftzufuhr wohl deutlich besser als in den hinteren Waggons. Die Bahnkunden dort, darunter viele Berufspendler, fragen sich verärgert, wie es bei den weiterhin hoch angesagten Temperaturen weiter gehen soll. Nach zahlreichen Fahrpreiserhöhungen und dem Bahnstreik hat die Deutsche Bahn auch diesen Sommer wieder fleißig an ihren schlechten Image gearbeitet und die via Twitter erfolgten Entschuldigungen bei einzelnen Kunden können nach den Erfahrungen durch Klimaanlagenausfälle vor fünf Jahren leider nur noch als Lippenbekenntnisse gewertet werden.