Inklusion im Kinzigtal (4)

Inklusion muss trotz Gesetz noch hart erarbeitet werden

Christiane Agüera Oliver
Lesezeit 4 Minuten
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11. März 2017

Mütter von Kindern mit Behinderung, die für ihr Kind eine inklusive Beschulung in einer Regelschule erreicht haben oder diese anstreben, treffen sich regelmäßig zum Frühstück mit Katja Wangler (Mitte). ©Cristiane Agüera Oliver

Wenn jeder Mensch mit und ohne Behinderung überall dabei sein kann, dann nennt man das eine gelungene Inklusion. In einer Serie beleuchten wir die Inklusion im Kinzigtal – wo sie gelingt und wo es noch hapert. Heute: Wir treffen uns mit Eltern von »Inklusionskindern«. 

Die Stimmung am gedeckten Frühstückstisch der Elterngruppe »Jule« ist ausgelassen. Regelmäßig treffen sich hier – auf Initiative von Club 82 und Lebenshilfe – einige Eltern, um Erfahrungen auszutauschen oder einfach nur um über dies und jenes zu plaudern. Über ihre Kinder haben sie zusammengefunden, denn die haben alle eins gemeinsam: Sie sind behindert. Während der regelmäßigen Treffen oder der vierteljährlichen Familiensonntage gibt es vielfältige Möglichkeiten, sich auszutauschen, egal, ob für das eigene Kind der inklusive Weg oder der Besuch einer Sonderschule gewählt wurde. Hier erfahren sie gegenseitige Unterstützung.
Heute kommen die Eltern zu Wort, die eine inklusive Beschulung ihres Kindes wollten oder zukünftig anstreben. Auch wenn es das Gesetz (siehe Stichwort) ermöglicht, ist es keine Selbstverständlichkeit, dass Kinder mit einer Behinderung eine Regelschule besuchen können. »Da müssen viele Hürden durchlaufen werden, vieles wird infrage gestellt«, sagt Katja Wangler aus Hausach. Ihr elfjähriger Sohn Lorenzo hat das Down-Syndrom und besucht die fünfte Klasse der Gemeinschaftsschule in Hausach. 
Auch Angela Kopp-Dorer hat einen Sohn, der trotz Behinderung die Regelschule durchlief. Der körperlich behinderte junge Erwachsene besuchte wegen seinem Ehlers-Danlos-Syndrom, einer Bindegewebsschwäche, den Carl-Sandhaas-Kindergarten, ging in die Fischerbacher Grund- und in die Mühlenbacher Hauptschule. Seinen Abschluss machte er an der Werkrealschule in Hausach. Alles Regelschulen. 

»Ohne Beratung kommt man bei diesem Dschungel nicht durch«

Beide, Wangler und Kopp-Dorer, mussten für die inklusive Beschulung ihrer Kinder noch selbst kämpfen. Damals gab es das Schulgesetz zur Inklusion noch nicht. Seit dem vergangenen Schuljahr ist das Gesetz verabschiedet, trotzdem ist für die Eltern noch immer einiges zu bewältigen.

»Ohne Ahnung oder Beratung kommt man durch diesen Dschungel nicht durch«, berichtet Katrin Ukat, Mutter von Erstklässler und »Down-Kind« Marlin (über ihn berichteten wir am Mittwoch). Die Hausacher Familie hat sich Unterstützung geholt, »um bei dem ganzen formellen Papierkram überhaupt durchzublicken«. 
Das System sei undurchsichtig und für den Laien schwierig, kritisiert eine der Mütter. Und klar sei leider auch, »wenn eine Schule das nicht will, hat man kaum eine Chance«. Diesbezüglich hatten die Familien in der Runde allesamt Glück, von Seiten der Schulen gab es keine Probleme: »Unsere Schulen stehen dahinter«, betonten sie.   

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Trotz Gesetz müssen Eltern anderthalb Jahre planen, wenn ihr behindertes Kind in eine Regelschule soll

Etwa anderthalb Jahre vorher sollte – trotz Gesetz – geplant werden, bis ein behindertes Kind eingeschult werden könne, rät Katja Wangler. Und trotzdem kämen die Bescheide, ob es mit der Einschulung überhaupt klappt, sehr kurzfristig, oft erst in den Sommerferien. »Wir können die Kinder nicht richtig darauf vorbereiten, wo und mit wem sie zukünftig in die Schule gehen werden«, bedauern die Eltern. 
Es sind viele Absprachen im Vorfeld nötig, um eine inklusive Beschulung möglich zu machen, da viele Parteien mit im Boot seien. Das mache es oft für alle Beteiligten nicht einfach. Aktuell ist das gesamte Schulsystem einem Wandel unterworfen. Die hierfür benötigten Personal-Ressourcen stehen jedoch häufig nicht im erforderlichen Maß zur Verfügung. »Inklusion gibt es oft nur noch im Sparpaket«, heißt es aus der Runde. Aber eines sei klar: »Inklusion light geht nicht.« 

Die Überlegung, Schwerpunktschulen einzurichten, finden die Mütter nicht ideal. Da die meisten der Kinder die Regelkindergärten vor Ort besucht haben, möchten sie auch gern mit ihren Kindergartenfreunden in die Schule gehen. Die Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder im Heimatort ihren Alltag erleben. »Unser Sohn Bennet besucht die Grundschule vor Ort, dadurch ist er im Dorf bekannt und hat hier Freunde.« Für Anja Lehmann aus Oberharmersbach bedeutet das auch Lebensqualität für die ganze Familie. 

»Wie steinig der Weg auch ist, er lohnt sich auf jeden Fall!«

»Oftmals steht der Einwand im Raum, die Eltern würden die Behinderung ihres Kindes nicht akzeptieren«, meint Christa Seck vom Club 82. Aber den Eltern geht es darum, dass ihre Kinder in der allgemeinen Schule teilhaben können und individuell mit ihren Fähigkeiten unterrichtet werden. 
Wie steinig der Weg auch ist, er lohne sich auf jeden Fall, bestätigen die Mütter durchweg. Auch wenn zwischendurch jede Familie ihren Tiefpunkt erreicht habe und aufgeben wollte, haben sie ihre Hartnäckigkeit nicht bereut. Alle Beteiligten würden davon profitieren. Es gibt viele positive Rückmeldungen vonseiten der Schule aber auch von den Eltern der Mitschüler. »Wenn sie am Laufen ist, ist Inklusion eine richtig tolle Sache«, sind sich alle Mütter einig. 
 

Stichwort

Schulgesetz zur Inklusion

Der Landtag von Baden-Württemberg hat am 15. Juli 2015 die Änderung des Schulgesetzes zur Inklusion verabschiedet. Zentrales Element der Gesetzesänderung ist die Abschaffung der Pflicht zum Besuch einer Sonderschule beziehungsweise die Einführung des Elternwahlrechts. »Eltern von Kindern mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot können seit dem Schuljahr 2015/2016 wählen, ob ihr Kind an einer allgemeinen Schule oder einem Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) lernen soll«, informiert das Kultusministerium Baden-Württemberg.
 

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