Inklusion im Kinzigtal (3)

Junge mit Down-Syndrom lernt an der Graf-Heinrich-Schule

Christiane Agüera Oliver
Lesezeit 4 Minuten
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07. März 2017

(Bild 1/2) Marlin beobachtet zuerst, was die anderen Kinder machen, dann streckt er und geht zur Klassenlehrerin Angelika Buhlinger zur Tafel. Der Bub mit Down-Syndrom soll sich so viel wie möglich am normalen Schulalltag beteiligen. ©Christiane Agüera

Wenn jeder Mensch mit und ohne Behinderung überall dabei sein kann, dann nennt man das eine gelungene Inklusion. In einer Serie beleuchten wir die Inklusion im Kinzigtal – wo sie gelingt und wo es noch hapert. Wir begleiten Marlin Ukat an einem »ganz normalen Schultag«. 

Die Kinder stürmen aus dem Klassenzimmer der 1c. Außer Marlin Ukat, er bleibt brav sitzen bis es gongt. So lauten die Regeln, daran hält er sich. Der Bub mit dem Down-Syndrom ist Schüler in der Graf-Heinrich-Schule und das einzige Kind mit einer Behinderung in seiner Klasse. 

An diesem Dienstagmorgen steht seine Begleiterin Tanja Mantel vor der Tür, er winkt ihr freudestrahlend zu. Tanja Mantel ist gekommen, um mit ihm die Hofpause zu verbringen. »Eigentlich laufen wir schon morgens zusammen in die Schule«, berichtet sie, außer wenn Sonderschullehrerin Monika Korak eine der sieben Sonderschulunterrichtsstunden für Marlin gibt. So wie an diesem Dienstagvormittag. Dann bringen ihn seine Eltern zur Schule. 

Im Pausenhof schwingt ihn Tanja Mantel erst einmal im Kreis herum. »Das Karussell muss sein«, lacht sie. Dann geht es ab zu den großen Steinen, über die er mit seinen Kameraden balanciert. Seine Mitschüler haben ein Auge auf ihn, jeder hält ihn mal an der Hand, sein Sitznachbar Janne Schmider saust mit ihm über den Schulhof. 

Auch im Unterricht gibt ihm Janne gerne Hilfestellung. Im Klassenzimmer wartet Monika Korak auf ihn, bevor es mit der Deutschstunde weitergeht. Klassenlehrerin Angelika Buhlinger schreibt einen langen Satz mit ganz vielen »H« an die Tafel. Jedes Kind darf diesen Buchstaben umkringeln. 

Erst will Marlin nicht und schüttelt den Kopf. Er beobachtet genau, was die anderen Kinder machen, schließlich streckt er und geht an die Tafel. »Den normalen Ablauf so gut wie möglich mitmachen und so viel wie möglich gemeinsam«, erklärt Monika Korak. Ein individuelles Angebot gibt es für Marlin im Nebenraum, dort sind er und die Sonderschullehrerin ungestört. Die von der Klassenlehrerin ausgeteilten Arbeitsblätter werden immer schwieriger. Heute will er es nicht bearbeiten, lieber daheim mit seiner Mama, gibt er zu verstehen. 

»Seit seiner Einschulung macht Marlin tolle Fortschritte, kann immer mehr Laute und Buchstaben«

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Marlin kommuniziert über Gebärden, langsam kommt die Lautsprache dazu. »Seit seiner Einschulung macht er tolle Fortschritte, er kann immer mehr Laute und Buchstaben«, berichtet Monika Korak. Eine wichtige Unterstützung ist dabei der »Talker«, eine elektronische Kommunikationshilfe. »Marlin braucht dies nur begleitend«, erklärt sie. Schon tippt er auf die Felder, das Gerät spricht die Gegenstände aus, und Marlin zeigt, was sie bedeuten oder was man mit ihnen machen kann.  

Der sonderpädagogische Unterricht ist vorbei, als Tanja Mantel ins Klassenzimmer kommt. Marlin freut sich. Was aber für ihn außergewöhnlich erscheint ist, dass seine andere Schulbegleiterin Tanja Sonntag heute auch dabei ist. Doch er hat sich schnell damit abgefunden, kuschelt abwechselnd an beide und will mit ihnen den großen Schaumstoff-Würfel werfen. Er kann die Zahlen darauf zählen und mit den Fingern zeigen. 

Die 20 Klassenkameraden von Marlin haben keine Berührungsängste: Jeder will neben ihm sitzen«

Marlin kennt die Regeln, in Religion und Sport würde er sogar richtig gut mitmachen. »Überhaupt ist Schneiden, Kleben und Malen sein Ding«, berichtet Tanja Sonntag. 
Im Unterricht gebe es keine Verzögerung, weil ein Down-Kind in der Klasse sitzt. »Er stört nicht, der Unterricht läuft«. Auch seine 20 Klassenkameraden haben keine Berührungsängste. »Jeder will neben ihm sitzen oder wählt ihn als Turnpartner«, sagt Tanja Mantel. So viel es geht bleibt Marlin im Klassenzimmer, wird eine Arbeit geschrieben, geht es in den Extralernraum gleich nach nebenan. 

Die beiden Schulbegleiterinnen haben schon im DRK-Kindergarten Sternschnuppe viel Zeit mit Marlin verbracht. Tanja Sonntag kennt Marlin seit drei Jahren. Die pädagogische Fachkraft war es auch, die sich Tanja Mantel als zweite Begleiterin mit ins Boot holte. Tanja Mantels Bruder Michael hat ebenfalls das Down-Syndrom, sie weiß wie Down-Kinder »ticken«. Beide Tanjas – für jede hat Marlin sein eigenes Zeichen – sind vom DRK angestellt.

»Früher daheim war es normaler Alltag, mit Marlin erlebe ich es anders«, erklärt Tanja Mantel. Für sie stellt sich klar heraus, »dies hier stärkt nicht nur das Kind, auch meine eigene Persönlichkeit«. Früher habe es solche Möglichkeiten für behinderte Kinder nicht gegeben, obwohl ihre Mutter auch um vieles kämpfen musste. »Es wird mir erst jetzt so richtig bewusst, was das für eine Aufgabe ist«. 
 

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