Stefan Siller plaudert in der Mediathek über "Leute"-Gespräche
Mindestens so neugierig wie Stefan Siller waren die Zuhörer am Dienstagabend in der Mediathek. Der ehemalige SWR-»Leute«-Moderator las aus seinem Buch »Neugierig . . . auf Leute und die ganze Welt«.
Der Radiomoderator Stefan Siller plauderte am Dienstagabend in der Mediathek aus dem Nähkästchen. Jedoch nicht ganz, denn nur das, was in den Leute-Sendungen des Südwestrundfunks (SWR) auch an den Hörer herankam, erzählte er ohne Skrupel, »mancher Gast gibt aber auch freiwillig überraschende Meinungen und Ansichten preis« und er werde »den Teufel tun, und das jetzt erzählen, alles andere wäre unfair«. Denn neben dem Smalltalk mit den Leute-Gästen, während im Radio die Musik läuft, »werden einem Sachen gesteckt, die im Radio nicht gesagt werden«, berichtet Siller.
Stefan Siller nennt es Gesprächssendungen
Die Art und Weise des »wunderbaren Formats SWR1-Leute«, von Montag bis Freitag, vormittags zwischen 10 und 12 Uhr, habe dem ehemaligen Moderator am meisten Spaß gemacht. Und: »Wenn es gesagt ist, ist es raus.« Und er sagte auch am Dienstagabend mehr, als dass er Passagen aus seinem Buch las, berichtete von Begebenheiten und Anekdoten aus seinen Interviews – er selbst nennt es eher intensive Gesprächssendungen.
»Es durfte aber nie ein Fachgespräch zwischen zwei Experten werden«, betont Siller, das hätte er in der kurzen Zeit auch nicht hinbekommen, denn in der Zwei-Mann-Redaktion musste gemeinsam mit Kollege Wolfgang Heim das komplette Programm geschultert werden. »Mehr als ein Tag Vorbereitung geht da nicht«, so Siller.
Es gab Lieblingsgäste und furchtbare Gäste, »wenn man einen heraushebt, tut man dem anderen Unrecht«. Unbekannte könnten beeindruckende Gäste sein, erinnerte er unter anderem an die gehörlose Tänzerin Sarah Neef, die fünf Sprachen spricht, und an die traurige Sendung, als ein Vater berichtete, wie ein Sohn bei einem Unfall ums Leben kam, verursacht durch den alkoholisierten Bruder. Dieser Vater ging an die Öffentlichkeit, damit andere Verantwortung übernehmen und es nicht so machen. »Eine solche Sendung zu überstehen gehört zu den nachdrücklichsten Erfahrungen«, erklärt Siller.
Kritische Zuhörer
Viel Kritik hagelte es für Sendungen mit Leuten, die Fehler machten und diese bereuten, – »überhaupt war die Einsicht, dass es falsch war, Voraussetzung« – seien es ehemalige Terroristen, Mörder, Bankräuber oder ein Mädchen, das sich im Alter von 14 bis 18 Jahren prostituierte. Nach den Leute-Sendungen mit Bahnchef Grube und zwei Tage später mit Gangolf Stocker, dem Sprecher des Aktionsbündnisses gegen das Projekt Stuttgart 21, deren beider Ansichten Siller kritisch hinterfragt hatte, kam eine Rekordzahl von Zuschriften. Da hieß es gar »Der Moderator ist fehl am Platz«, je nachdem, wer an welchem Tag Befürworter oder eben Gegner war. »Sie stehen dann als Moderator ziemlich dämlich da«, beschreibt er.
Auch Politiker waren zu Gast. »Wir hatten alle Kanzler, aber nicht zum Höhepunkt ihres Wirkens«, unter anderem die Hausbesetzerin Angela Merkel oder den witzigen Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel. Der hätte Siller als Raucher beglückwünscht. »Ich freue mich über jeden Raucher, weil er die Rentenlast der Bundesrepublik vermindert und weil er zum Tabaksteueraufkommen beiträgt«, hätte Rommel gesagt, was für Lacher in der Mediathek sorgte.
Die »wichtigsten Nasen« waren alle da
»Wieder andere Gesprächsthemen gehen an die Nieren«, beschreibt Siller. Oder Manche, wie der Nahost-Konflikt, seien »so festgefahren, da nimmt keiner etwas an«. »Ganz bekannte Nasen, die wichtigsten hatten wir«, waren bei »SWR1-Leute« zu Gast. Egal ob über Götz George, Mario Adorf oder Senta Berger, Roger Willemsen und Harald Schmid –Stefan Sillers Anekdoten sorgten für Kurzweil.
Er berichtete lebhaft aus den Anfängen der SWR1-Hitparade im Jahr 1989, für die er als leidenschaftlicher Musikliebhaber verantwortlich war, machte einen Abstecher in seine Zeiten als Fußballer mit internationaler Erfahrung. Immerhin spielte der Hobby-Kicker mit dem Team des Senders gegen die Nationalmannschaft der Mongolei.
Mehr als 30 Jahre
Im 32. Jahr befindet sich inzwischen die Leute-Sendung, allein Stefan Siller interviewte mehr als 3000 Menschen. Nicole Köster wurde seine Nachfolgerin. Und Stefan Siller ist sich sicher: »Mir ist nicht bange, dass diese Leute-Sendung noch viele Jahre existieren wird.«
Mediathek-Leiterin Mathilde Sum zeigte sich wie die Zuhörer begeistert von dem Abend mit Stefan Siller. »Ich wollte einfach mal wieder Ihre Stimme hören«, erklärte sie, warum sie ihn eingeladen hätte. Sie schätze seine gradlinigen und kritischen Gespräche in einer positiven Art. Dies wurde in den anderthalb Stunden mit Stefan Siller nur allzu deutlich.
Stefan Siller »Neugierig ... auf Leute und die ganze Welt«, Verlag Klöpfer & Meyer, 22 Euro.