Taufe unter der Zirkuskuppel
Am Wochenende präsentiert der Zirkus Alberti in Wolfach im Zelt am »Staubfreien Weg« am Wolfacher Kinzigufer seine temporeiche Show, gestern aber wurde die Manege zur Kirche: die jüngsten Sprösslinge der traditionsreichen Zirkusfamilie wurden getauft.
Gestern war für den Zirkus Alberti, der die nächsten Tage in Wolfach am »Staubfreien Weg« gastiert, ein besonderer Festtag: Mit Jilian und Dean wurden die zwei jüngsten »Ableger« der traditionsreichen Zirkusfamilie Frank getauft. Stilecht in der Manege, versteht sich.
»Es ist Ihr Zelt, aber heute ist es unsere Kirche«, sagte Horst Heinrich zum Auftakt der Tauffeier. Der Pfarrer aus Balingen ist seit zwölf Jahren Leiter der Zirkus- und Schaustellerseelsorge der Evangelischen Kirche in Deutschland. »Meine Gemeinde hat eine Stärke von ungefähr 7000 Menschen.« Und sie ist ständig auf Achse – so wie ihr Pfarrer: 70 000 Kilometer legt Heinrich im Jahr im Auto zurück, feierte vergangenes Wochenende auf der Cranger Kirmes in Herne einen Gottesdienst mit 3000 Besuchern, nächstes Wochenende ist er in Frankfurt gefragt. »Ich fahre mehr als meine Schafe«, sagt der »Hirte« augenzwinkernd.
Längst nicht alle Mitglieder der großen Zirkusfamilie, die quer über die Republik verstreut ist, hatten es gestern zur Taufe geschafft – doch immerhin 60 Gäste versammelten sich in der Manege, in der von Freitag bis Sonntag täglich eine Vorstellung geboten werden wird. Die Begrüßung fällt herzlich aus. Küsschen hier, Schulterklopfen da, Umarmungen dort – auch für den Pfarrer. Denn der gehört als Konstante im schwierigen und wechselvollen Zirkusgeschäft quasi zur Familie. Mit Stefani Casselly-Frank und ihrem Mann leitet die achte Generation den Zirkus Alberti. Hochzeiten, Taufen,
Konfirmationen – Heinrich und die Familie verbindet viel.»Es ist schwieriger geworden«, weiß Casselly-Frank. Und doch: Sie und die 20-köpfige Truppe des Zirkus Alberti, die im Sommer auf Tour ist, lieben und leben den Zauber des Zirkus mit Livemusik, Tieren und Artistik. Sie weiß, von was sie spricht: 2012 gewann sie mit den »Casselly Sisters« beim renommierten Zirkusfestival in Monte Carlo einen »Goldenen Clown«. »Unser Leben, unser Beruf – das ist uns weitergegeben worden.«
Funke übergesprungen
Der Funke der bunten Tradition ist bereits auf die neunte Generation übergesprungen, das wird beim Strahlen der kleinen Jilian, als Pfarrer Heinrich ihr das Wasser über ihren Kopf träufelt, deutlich. In der Manege am Kinzigufer geht die Zeremonie reibungslos über die Bühne. Es ging auch schon anders zu: Auf einem Riesenrad, in einem Tigerkäfig samt Tiger oder bei den Trabers auf dem Hochseil hat Heinrich Kinder getauft. »Nicht wegen der Show. Das ist einfach das Leben der Zirkusleute. Man muss die Menschen mögen, und man muss einen Zugang zu ihnen finden.« In der Zirkuskirche sei alles etwas freier, aber doch feierlich.
Stehende Ovationen
Am Ende kam Wehmut auf. Denn der Seelsorger wird bald 65 und geht in den Ruhestand. »Wo ich auch war – bei euch waren die Erfahrungen am intensivsten«, versicherte er der versammelten Zirkusfamilie. Wohl gemerkt, Heinrich hat in seiner Laufbahn viel erlebt, war unter anderem während des Kosovokriegs als Militärseelsorger in Bosnien. Der besondere Menschenschlag unter der Zirkuskuppel aber, den mag er besonders – und sie mögen ihn: Stehenden Applaus spendet die versammelte Artistenfamilie dem Pfarrer am Ende der Taufe zum Abschied.
Vorstellungen
Vorstellungen sind am Freitag um 17 Uhr, am Samstag um 15 Uhr und am Sonntag um 11 Uhr. Der Kartenvorverkauf an der Zirkuskasse ist von 11 bis 12 Uhr geöffnet. Weitere Infos unter
01 74 / 7 45 01 13.