Totes Lamm ein »Luchsopfer«?
In der Nacht zum Mittwoch wurde eine kleine Heidschnucke in einer Herde beim Gutacher Müllerchristenhof gerissen. Experten, die nachmittags im Steinenbach eintrafen, vermuten einen Luchs als Täter. Ob dies zutrifft, wird eine Untersuchung in der Forstlichen Versuchsanstalt ergeben.
Im April wurde der erste im Schwarzwald gesichtete Luchs mit einem Senderhalsband ausgestattet. Anfang Juni lief ein zweiter vor eine Wärmebildkamera in Hausach. In der Nacht zum Mittwoch wurde nun im Gutacher Steinenbachtal ein Lamm gerissen – Anzeichen deuten auf einen Luchs hin. Nun steht auch vor der Schafweide beim Müllerchristenhof eine Wärmebildkamera.
Die Hoffnung, dass er zurückkommt, kann Michael Lauble allerdings nicht teilen. Der Mühlenbacher Hobbyschäfer stand am Mittwochmorgen entsetzt vor dem gerissenen Lamm. Er hat die Weide vom Müllerchristenhof gepachtet, gut 30 Schafe und Lämmer weiden dort die Wiese ab. Die Mitglieder des Schafzuchtverbands treibt schon länger die Sorge um ihre Tiere um, ihn hat es nun »erwischt«.
Der Verdacht, dass das Lamm ein Opfer eines Luchses war, kam morgens bereits im Gespräch mit Müllerchristenbauer Daniel Wälde und dem benachbarten Jagdpächter Erwin Wöhrle vom Müllerjörgenhof auf. Am späten Nachmittag erhärteten der Wildtierbeauftragte des Ortenaukreises Matthias Saecker und Forstrevierleiter Frank Werstein die Vermutung. Anzeichen sind für sie die Schleifspur, die darauf hindeutet, dass ein größeres Tier das Lamm unter dem Stall hervorgezogen hat sowie die Tatsache, dass die Keule abgenagt war: »Der Luchs nimmt gern das hochwertige Fleisch, der Fuchs geht eher an die Eingeweide«, erklärt Matthias Saecker.
Untersuchung läuft
Ein Mitarbeiter der Forstlichen Versuchsanstalt Freiburg holte das tote Tier ab, es wird nun eingehend untersucht. »Erst dann wird sich herausstellen, ob es wirklich ein Luchs war – es gibt durchaus auch Anzeichen, die dagegen sprechen«, sagt Micha Herdtfelder, Wildtierökologe bei der Forstlichen Versuchsanstalt in Freiburg. Dass etwa ein Luchs ein Tier in Stallnähe reißt, sei »extrem untypisch«.
Noch könne man aber nichts ausschließen. Das Tier wird nun im Chemischen Veterinär- und Untersuchungsamt in Freiburg pathologisch untersucht. Können die zweifelsfrei feststellen, welches Tier das Lamm gerissen hat? Oft sei dies bereits bei der Sektion der Fall. Falls da doch etwas unklar bleibt, hat Herdtfelder bereits eine Speichelprobe von der Bisswunde entnommen, damit im Labor die DNA des Tiers festgestellt werden kann.
Für das getötete Tier selbst ist es übrigens relativ egal, ob es von einem Luchs oder einem Metzger getötet wird. »Es musste sicher nicht lange leiden, jedes Raubtier tötet seine Beute instinktiv zuerst mit einem gezielten Biss«, beantwortet Matthias Saecker die Frage, ob das Tier lange leiden musste.
Wurde das Tier gefilmt?
Heute wird die Kamera ausgewertet, und vielleicht bringt auch die Sektion heute schon eine Ergebnis. »Oft kommen die Beutegreifer zurück – weil sie hier ja schließlich noch etwas liegen haben«, so Herdtfelder. Er ist selbst sehr gespannt, ob sich dort etwas sehen lässt. Der erste »Schwarzwald-Luchs«, der bereits mit einem Sender ausgestattet ist, hat jedenfalls ein Alibi, »er war in dieser Nacht garantiert nicht in Gutach«.
Daniel Wälde vom Müllerchristenhof ist es nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass ein Luchs so nah beim Hof sein soll. Er half gern beim Anbringen der Kamera, weil er den »Fall natürlich auch gern gelöst sieht«. Direkt neben dem Schafstall befinden sich die Puten des Hofs.
Micha Herdtfelder beruhigte den Schafzüchter. Es sei wirklich sehr selten, dass ein Luchs regelmäßig Nutztiere reißt. »Meine zweite Schafherde in Mühlenbach wird von einem Esel bewacht, dort ist noch nie etwas vorgekommen«, sagt Michael Lauble. Falls die Untersuchungen ergeben, dass sein Lamm von einem Luchs getötet wurde, erhält er eine Entschädigung aus dem Luchsfonds Baden-Württemberg (siehe Information).
Entschädigung
Grundsätzlich hat ein Tierhalter keinen Anspruch auf Entschädigung, wenn sein Tier von einem Wildtier gerissen wurde. Wird ein Nutztier allerdings von einem Luchs gerissen, gibt es eine Entschädigung in Höhe des Wiederbeschaffungswerts aus einem »Luchsfonds«. Dieser wurde von Verbänden gegründet, die ein Interesse an der Akzeptanz der Wiederansiedlung haben.
Sorge verständlich
Forstrevierleiter Frank Werstein versteht die Sorge der Tierhalter: »Da geht nicht nur um das einzelne Tier, sondern auch um die Angst, dass die Tiere in Panik ausbrechen könnten und ausbrechen«. Er gesteht ein, dass es »Nachteile für bestimmte Berufsgruppen gibt, sollte sich der Luchs stark ausbreiten«. Aber man könne nicht von allen in der Welt verlangen, dass sie ihre wilden Tiere erhalten und selbst keine dulden. »Wenn die Entschädigung passt, wird auch die Toleranz größer«, sagt er.