Zwei »Adler« auf einen Blick
Schiltach. Die Vorlage hat über 400 Jahre auf dem Buckel, die Kopie ist dagegen recht jung – und doch ist sie schon im Museum angekommen. Gemeint sind das Schiltacher Gasthaus »Adler«, 1604 erbaut, und sein detailreiches Modell, für das 1986 die Schüler der Hauptschule Steißlingen (bei Singen) mit ihrem Lehrer Eckehard Wernert ihre ganze Kunstfertigkeit an den Tag legten.
Die Schüler wählten für ihr Projekt ein ganz besonderes Haus aus. Die »Herrenherberge zum hohen Haus«, so verkündet es eine Inschrift noch heute, stand an einer verkehrsreichen Weggabelung, die ihr zahlreiche Gäste bescherte. Sie sicherten über mehrere Jahrhunderte das Gastgewerbe in dem Gebäude. Dabei war das nicht immer leicht. Heute kaum vorstellbar, mussten sich über mindestens 130 Jahre zwei Besitzer das Gebäude teilen – und das auch noch mit einer Trennung zwischen Ober- und Untergeschoss. Mancher Konflikt dürfte so den Betrieb erschwert haben. 1837 erwarb schließlich der bisherige (Teil-)Besitzer Johannes Engelmann das gesamte Gebäude. Die Teilungen sind seither Geschichte.
Verheerender Stadtbrand
Auffällig ist auch der bemerkenswerte rechtliche Status des Hauses. Erst das Lagerbuch von 1716 erwähnt das wenige Jahre nach dem verheerenden Stadtbrand von 1590 erbaute Gebäude. Zu dieser Zeit blieb den Wirten auch noch die von ihren Konkurrenten eingezogene »Umlage« zur Instandhaltung der städtischen Infrastruktur erspart.
Da mag es überraschen, dass der »Adler« erst so spät zu dem wurde, als was er heute bekannt ist. Für Christian Engelmann taucht erstmals 1869 der Begriff des »Adlerwirts« auf, der bekannte symbolische Doppeladler am Haus erhielt gar erst 1880 seinen heutigen Platz. Damals hat vor allem der reich verzierte Fachwerkschmuck des über Eck gestalteten Erkers mit seinem Spitzdach das Gebäude zu dem vielleicht bekanntesten Wahrzeichen Schiltachs gemacht. In einer Bestandsaufnahme nach Kriegsende hieß es vom »Adler«, er sei ein »gutes Beispiel«für die Pflege historischer Substanz, während zahlreiche andere Gebäude durch Verputzung »verdorben« seien.
Im Museum am Markt steht das Modell des »Adler« für die große Tradition des Fachwerks in der Stadt. Sichtbar für die Besucher werden hier die Feinheiten des Schiltach weit über seine Grenzen hinaus bekannt machenden Konstruktionstyps.
Seit 2011 im Museum
Der damalige »Adlerwirt« Hans Gaiser erinnert sich noch gut an die Schüler, die mit ihrem Modell nach Schiltach kamen: »Verlaufen haben sie sich im ›Adler‹ nicht.« Sie kannten sich in den Gängen des Gebäudes auch bestens aus, schließlich hatten sie das Haus nicht nur von außen, sondern auch innen bin in die letzte Kleinigkeit nachgebaut. Im Unterschied zum Original sieht der Besucher dank des offenen Dachstuhls und Kellergewölbes sogar direkt in das Gebäude hinein.
Zunächst stand das Modell in der Gastwirtschaft. Mit der Neueröffnung des Museums am Markt 2011 fand es dann als Leihgabe den Weg ins Museum. Und dort wartet auf die Besucher noch ein spannendes Motiv: Modell und dahinter das Original, räumlich getrennt und doch vereint. Sozusagen zwei »Adler« auf einen Blick. Da bleibt eigentlich nur ein bisher unerfüllter Wunsch offen: Während das Modell einen bewirtschafteten »Adler« zeigt, steht das Original leer.